Textdaten
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Titel: Deutsche Nationalfeste
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aus: Die Gartenlaube, Heft 38, S. 635–636
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1897
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Deutsche Nationalfeste.

Die aus der Bewegung zu gunsten der Pflege körperlicher Spiele in unserem Vaterlande hervorgegangen Idee, nach dem Muster der olympische Spiele von Alt-Hellas ein deutsches Nationalfest ins Leben zu rufen nähert sich immer mehr der Verwirklichung. Der aus Mitgliedern bestehende Ausschuß für deutsche Nationalfeste, an dessen Spitze der Landtagsabgeordnete von Schenckendorff in Görlitz steht, hat soeben einen Aufruf erlassen, der mit warmen Worten für die Veranstaltung des ersten dieser Feste im Jahre 1900 eintritt. Ein Beweis für die tiefgehende Teilnahme, welche der Plan immer mehr findet, ist die Thatsache, daß Vertreter der verschiedensten Lebens- und Bildungskreise diesem Ausschusse angehören. Ist doch auch freilich das Vorhaben durchaus auf dem patriotischen Gedanken gegründet, daß den traurigen Anzeichen einer Verkümmerung des Nationalgefühls, einer Erschlaffung der Volkskraft, einer Verflachung des idealen Lebens in unserem Volkstum mit Energie entgegenzuarbeiten ist! Macht sich das Unternehmen doch zum Träger der dreifachen Forderung: „Es gilt die nachhaltige Stärkung unseres Nationalgefühls; es gilt die Kräftigung unserer Volksgesundheit, es gilt die Hebung des bürgerlichen Gemeinsinns!

Indem die geplanten Nationalfeste dem Gedanken von der hohen Wichtigkeit einer sorgfältigen körperlichen Erziehung für die großen gemeinsamen Aufgaben eines wehrhaften Volkes Ausdruck geben, möchten sie Vorbild und Antrieb werden für alle jene Bestrebungen, die sich im kleineren heimatlichen Kreise dieselbe große Aufgabe gestellt haben. Im Rahmen einer von fröhlicher deutscher Kunst getragenen Festlust sollen die alle fünf Jahre sich wiederholenden Veranstaltungen vor allem den Charakter „einer Darlegung der körperlichen Tüchtigkeit unserer deutschen erwachsenen Jugend“ vor versammeltem Volkes erhalten.

So soll die Pflege der Leibesübungen zu einer „lebendigen Volkssitte“ werden, welche auf die Heranbildung neuer Geschlechter von patriotischen Sinnes und mannhaften Geistes machtvoll einwirkt. Und dieser so herbeigeführte Aufschwung soll auch der Kräftigung unseres bürgerlichen Gemeinsinns zu gute kommen. Wir fühlen uns alle als Söhne einer mächtigen Mutter, und unser Streben gilt einem Ziel. Wir sind nicht nur Arbeiter und Arbeitgeber, nicht nur Soldaten und Offiziere, Handwerker und Fabrikherren, Beamte und Kaufleute, Städter und Landleute, nicht hoch und niedrig, nicht arm und reich, wir sind vor allen Dingen Deutsche, die, ein jeder in seiner Weise, dem Vaterland dienen. Dies Gemeinsame wird lebendig werden auf unserem Feste, indem alle, welchen Standes sie auch seien, nach der gleichen Ehre streben, um den gleichen Kranz ringen, werden sie sich bewußt, daß auch des Vaterlandes Wohl und Größe nicht anders aufgebaut werden kann, als wenn ein jeder sich als Glied und Arbeiter einer einzigen großen Gemeinschaft fühlt, die mit allen für alle arbeitet und wirkt! Und weiter heißt es von dem geplanten Nationalfest: „Kein Fest soll es sein, das als Selbstzweck sich schon den bestehenden hinzufügt. Kein Fest soll es sein, das, der Schwäche unserer heute herrschenden Volkssitte nachgebend, in geräuschvoller Veranstaltung der schalen Freude eines schnell vorübergehenden Taumels huldigt, sondern ein Fest, das eng verbunden mit dem edelsten Triebe unserer Volksseele, mit deutscher Eigenart und guter Sitte, durch den Glanz seine machtvolle Wirkung auch unsere anderen Feste hebt und veredelt, unsern Volksstolz weckt, unsere Volksgesundheit stärkt und unsern [636] Bürgersinn zu neuer Blüte entfaltet! Ein Dankfest soll es sein für die um die Einigkeit, Größe und Ehre des Vaterlandes Gefallenen, für alle treuen Mitarbeiter an seiner Größe, für die großen Männer, die den Ruhm des deutschen Namens in die fernste Zukunft tragen werden. Ein Friedensfest soll es sein für die Lebenden, daß sie ihre Kraft und ihre Tüchtigkeit in opferbereiter Liebe zum Vaterlande, zu Kaiser und Reich, zu Fürst und Heimat, zu deutschem Sinn und deutscher Treue sammeln und im Rahmen deutscher Kunst in kraftvollem Wettstreit zur Geltung bringen. Ein Mahnfest soll es sein für die heranwachsenden Geschlechter, an der Kraft und Größe unseres Volkes mitzuarbeiten in Treue und Hingebung, durch Selbstzucht und nie rastende Pflichterfüllung.

Ueber die Frage, wo das erste deutsche Nationalfest stattfinden soll, ist noch keine Einigung erfolgt. Erst wenn die Entscheidung hierin getroffen sein wird, was noch im Herbste dieses Jahres geschehen soll, kann in eine allgemeine Bewegung zu Gunsten des Festes mit klarem Zielbewußtsein eingetreten werden. Aber schon jetzt darf man die Erwartung aussprechen, daß der Plan unter der Teilnahme und dem Beifall der Nation bis zum Jahr 1900 der hießigen Ausführung entgegenreifen werde! Den „Mitteilungen und Schriften des Ausschusses“, deren 3. Heft den „Aufruf“ sowie die „Satzungen“ enthält, ist mit Genugthuung zu entnehmen, daß bereits in weiten Kreisen, auch unter den Deutschen des Auslandes, eine rege und stetig wachsende Teilnahme sich geltend macht.