Deutsche Kneipen/Der Rathskeller zu Lübeck

Textdaten
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Autor: H. A.
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Titel: Deutsche Kneipen - Der Rathskeller zu Lübeck
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aus: Die Gartenlaube, Heft 46, S. 726–729
Herausgeber: Ernst Keil
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1869
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Deutsche Kneipen.

2.0 Der Rathskeller zu Lübeck.

Zu Lübeck im Rathskeller saßen spät
Wir Freunde noch beim Wein und tranken,
Wo tief gebräunt die Eichentafel steht
Aus unsers letzten Kriegsschiffs Planken. E. Geibel.

Eines der besuchtesten Locale Lübecks, der alten Hansastadt, ist unstreitig der „Rathsweinkeller“ daselbst, ja, er ist gleichsam eine poetische Oase, in welcher nie ein anderer Sonnenstrahl glänzt, als der im Rebenblut funkelnde. Sein Eingang ist am Markt, seine Räume aber befinden sich unter der Börse und dem Rathhause, doch haben sie mit dem wunderlichen Bau dieses Products der verschiedensten Jahrhunderte nichts gemein, denn die Architektur

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Im Rathsweinkeller zu Lübeck.
Nach der Natur aufgenommen von Fr. Schmidt in Lübeck.

[728] des Kellers ist gänzlich schmucklos, und entspricht völlig dem dreizehnten Jahrhundert, in dessen Mitte seine Erbauung aller Wahrscheinlichkeit nach fällt. Wenigstens lagerten schon 1289 mehr als eintausendeinhundert Ohm Wein in demselben, der Privaten gehörte, abgesehen von dem, der Eigenthum des Rathes war.

Der ursprüngliche Zweck des Kellers ist unschwer zu erkennen. Die Verwaltung einer Stadt hatte im Mittelalter in vielen Beziehungen Aehnlichkeit mit der Verwaltung eines großen Hauswesens, und der Rath, welcher die auswärtigen Angelegenheiten leitete, Recht sprach und Verordnungen erließ, mußte sich auch der Sorge für den Haushalt unterziehen.

War dieser – und die Pflicht hierfür lag hauptsächlich den „Kämmereiherren“ ob – in allen andern Beziehungen wohl geordnet und eingerichtet, so durfte auch gewiß ein guter Weinkeller nicht fehlen. Der Rath bedurfte des Weines für seine Gäste, für Fürsten und vornehme Herren, für Gesandte und Abgeordnete befreundeter Städte, die häufig in der Hansahauptstadt anwesend waren. Dann aber war eine Weinhandlung auch das beste Mittel zur Erhaltung eines guten Einvernehmens mit den benachbarten Höfen, welche einen großen Einfluß auf die Sicherheit des Handels ausüben konnten und einen guten Trunk wohl zu schätzen, sich denselben aber nicht so leicht zu verschaffen wußten, wie die reiche Handelsstadt durch ihre weit verzweigten Verbindungen. Ueberdies unterlag der damalige Weinhandel einer strengen obrigkeitlichen Aufsicht; es wurde vorzugsweise darauf gesehen, daß die Käufer richtiges Maß und gute unverfälschte Waare erhielten. Um dies nun schneller überwachen zu können, war es wünschenswerth, allen Wein an einem Orte gelagert zu halten, weshalb denn auch schon in den ältesten Zeiten befohlen wurde, sämmtllche Weine, welche die Kaufleute einführten, in den Rathskeller zu bringen und sie dort unter Aufsicht bearbeiten zu lassen.

Fünfundzwanzig Stufen führen in die beliebten unterirdischen Räume und deren einfach schöne Wölbungen, die sich auf viereckige, kurze und derbe Pfeiler stützen. In dem sogenannten „langen“ Keller aber, der sich unter den Goldschmiedsbuden bis zur „Wage“ erstreckt, bestehen die Gewölbe aus schönen gothischen Spitzbogen, mit sauber gegliederten Rippen, deren Schlußsteine die Form eines Dreiecks bilden. Die Mittelpfeiler jedoch sind theils viereckig und von Granit, theils achteckig und aus Formsteinen aufgemauert und lassen darnach auf ein jüngeres Alter schließen. Zwischen diesen Wölbungen lagern hohe, riesengroße, reich mit schöner Holzschnitzerei versehene Fässer, voll köstlichem zweihundertjährigen Rheinwein, Tokayer, Johannisberger, Markobrunner Ausstich, Liebfrauenmilch, Steinwein etc., mächtige Schlagschatten über die weiten rohsteinernen Hallen werfend, in denen dem Herzen große Erinnerungen entströmen und wo man die nüchterne Gegenwart vergißt, da Alles von Poesie und Rheinwein funkelt.

In jener Zeit freilich, wo alle Weine, sowohl „Bastert“ wie „Malvasier“, in der Herren Weinkeller gehörten, und dieser noch unter der Aufsicht zweier Rathsherren, Weinherren (de Wynmestere) genannt, stand, das Kellerpersonal einen Hauptmann und vier Gesellen, einen Faßbinder, einen Schreiber und zwei Weinzapfer zählte, mag sein Lager allerdings einen imposanteren Eindruck gemacht haben als jetzt, allein die innere Einrichtung und Umrahmung dieser gemüthlichen und eigenthümlichen Räume sind doch bis heute dieselben geblieben und wohl werth, daß wir sie etwas näher betrachten.

Wir treten an die Eichenplanke, „Admiralstisch“ genannt. Dieser Tisch soll Marx Maier’s Lieblingssitz gewesen sein, an dem er beim blinkenden Römer mit seinem Freunde Jürgen Wullenweber manche Pläne und Entschlüsse für die Zukunft gefaßt. Es war eine große Zeit für Lübeck, als diese beiden Männer in ihr lebten, eine Zeit, die schwerlich je wiederkehrt. Ich weiß nicht wie es kommt, aber jedes Mal, wenn ich mich der Eichenbohle nähere, glaube ich dort beide Männer zu erblicken, und unwillkürlich drängen sich Geibel’s Worte auf meine Lippen:

Der Eine saß, geschmückt nach alter Art,
Mit Sammetschaube, Kraus’ und Kette,
Umschlossen Wang’ und Kinn vom blonden Bart,
Die mächt’ge Stirn beschattet vom Barette.
Das blaue Auge zuckt in scharfem Glühn,
Als hing ein Weltgeschick an seinem Winken –
So saß er da, gebeugt und dennoch kühn,
Und starrt’ in seines Römers Blinken.
Der Andre stand, die Hand an Schwertes Knauf,
Riesig, vom Haupt zum Fuß in blankem Erze.
Wie Blut an seinem Panzer spielt herauf
Der rothe Flackerschein der Kerze.
Ein wild und rauh’ Gesicht! Ich spürt’ es bald,
Hier war die Faust – dort das Ersinnen.
Da, murmelnd, wie der Wind durch Herbstlaub wallt,
Hört’ ich des Ersten Worte rinnen.

Auch an die „Rose“ und die „Linde“ knüpfen sich, obgleich beide Zimmer nur aus weißen, übertünchten Wölbungen bestehen, ebenfalls Erinnerungen aus dem Mittelalter, indem in ihnen damals die Patricier und Kaufleute verkehrten; jene in der Rose, diese in der Linde. Die alten lübischen Chroniken erzählen einstimmig, daß um die Fastnacht die älteren Paricier in feierlicher Procession paarweise, unter klingendem Spiel und mit brennenden Fackeln in den Rathskeller gezogen sind, wo sie einen Rundgang gehalten, sich darauf in der „Rose“ niedergelassen und bei offenen Thüren die mit gutem Rheinwein gefüllten Becher fleißig geleert und dabei gesungen, gescherzt und gelacht haben über die Späße der in ihrem Solde stehenden Narren. Die Mitglieder der Kaufleute-Compagnie folgten unmittelbar den „Zirkelbrüdern“ (Patriciern) in den Rathskeller und begaben sich in die „Linde“, wo sie gleichfalls bis tief in die Nacht hinein zechten und dann wieder in der Ordnung, in welcher sie gekommen, ihrem Compagniehause zueilten. Nur Kranke und Bettlägerige durften sich von diesen Kellerbesuchen ausschließen.

Dies Beispiel, von den ersten Ständen gegeben, wurde, wie sich leicht denken läßt, von den unteren Ständen nachgeahmt, wodurch in dem Keller während der drei Fastnachtstage das lauteste Leben hervorgerufen wurde. Das Gedränge war dann derartig, daß die umfassendsten Maßregeln zur Aufrechthaltung der Ordnung ergriffen werden mußten. Man verbot, mit ungewöhnlichen Waffen (Kolben und Streithammer) zu kommen. Der Degen ließ sich damals bei dem Bürger ebenso wenig verbieten, als das Erscheinen der Frauen, weshalb sich der Markgraf Albrecht von Meißen über das Letztere (1478) bitter beschwerte und von dem Rathe verlangte, den „Frauenzimmern“ den Besuch des Rathskellers zu versagen. Allein was half’s? Alle Chroniken theilen in ironischer Weise mit, daß das Verbot, das wirklich erfolgte, gar nicht befolgt wurde, woraus wir schließen, daß man schon damals in Lübeck für Gesellschaften ebenso geneigt gewesen, als es in der Jetztzeit der Fall ist. Ja, wenn es nicht eine Sage ist, so sollen die lübischen Junker sogar nicht angestanden haben, in diesen Räumen die sogenannten „Brautköste“ zu feiern und zwar in derselben Zelle, die noch jetzt das Brautgemach heißt und wo noch heutigen Tages der alterthümliche sehenswerthe „Kamin“ steht, der nebst Hahn und Henne und anderen Verzierungen folgende plattdeutsche Inschrift führt:

Mannig man lude (laut) singet,
Wen man em de Brut bringet,
Wuste he, wat man em brochte,
Dath he wohl wenen mochte.

Wollen wir jedoch ganz von dieser Sage absehen, so zeigt diese Inschrift doch jedenfalls auf gesellige Freuden hin, die vorzugsweise in diesem Gemache abgehalten wurden und zwar seit dem Jahre 1575, in welches die Erbauung des Kamins fällt. Nach dem Wappen zu schließen, gehörten die Erbauer dem patricischen Geschlechte derer von Stiten an.

Nicht selten wurde die schon so freudige Stimmung im Rathskeller durch Musik noch erhöht, welche außer den fahrenden Musikanten die „Spielleute“ des Rathes, aus acht Personen bestehend, unter dem „Spielgraven“ (Musikdirector) aufführten: vier von ihnen bliesen die Trompete, die andern vier schlugen die Pauken. Sollte die Musik jedoch vollständig sein, so wurden noch ein Geiger, ein Pfeifer, ein Lauten- und ein Trommelschläger hinzugenommen.

Ueber die Verhältnisse des Weinhändlers und Weinkellers geben mehrere Documente Aufschlüsse. Die älteste dieser „Ordnungen“ stammt aus der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts und enthält im Wesentlichen Folgendes: Wein, der zu Schiff an die Stadt kommt, darf ohne Weiteres ist den Keller gebracht werden, doch ist eine Untersuchung durch die Weinherren und Erlaubnis derselben erforderlich, wenn er verkauft werden soll. Wein dagegen, welcher zu Wagen hereinkommt, darf nur bis an den Keller gebracht werden und ist erst eine besondere Erlaubniß der [729] Weinherren nöthig, um ihn hinunter zu bringen, welche diese erst geben, nachdem sie ihn untersucht haben. Für jedes Faß Wein, das im Keller lagert, es sei klein oder groß, es liege kürzere oder längeres Zeit, werden sechsundzwanzig Pfennige Miethe bezahlt, vierundzwanzig an die Weinherren und zwei an den Kellerhauptmann. Wenn der Wein verkauft wird, ist eine Abgabe von sechszehn Pfennigen unter dem Namen Tappegelt (Zapfgeld) zu entrichten, acht an die Weinherren, acht an den Hauptmann. Auch fremde Kaufleute, Gäste, dürfen Wein im Rathskeller haben. Alle Weine stehen unter Aufsicht des Hauptmanns. Damit die einzelnen Parteien gesondert bleiben, werden an jedes Faß zwei Schlösser gelegt, eins von dem Eigenthümer und eins von dem Hauptmann. Wenn ein Faß Wein von den Weinherren, zum Verkauf für geeignet erklärt ist, so muß der Eigenthümer entweder es innerhalb dreier Tage nach auswärts senden, oder, wenn er es hier verkaufen will, so muß er sofort damit beginnen und darf, bis es leer ist, kein anderes anstechen, aber auch nicht dasselbe wieder auffüllen, um den Inhalt zu vermehren.

Bisweilen bediente sich der Rath des Kellers selbst, um darin vornehme Gäste zu bewirthen; dies that er auch unter Anderen im Jahre 1518, als der Herzog Friedrich von Holstein in Lübeck seine Hochzeit mit der Tochter des Herzogs von Pommern feierte.

Alljährlich jedoch, wenigstens im sechszehnten Jahrhundert, veranstalteten die Bürgermeister, Kämmereiherren und Weinherren Mahlzeiten in der „Linde“, an denen jedoch nicht immer der ganze Rath theilnahm.

Zu diesen Gastereien hatte der Hauptmann des Kellers die Tafellaken und Handtücher, die Silberkannen und Silberschalen, die Hasen und Kapaunen zu liefern, während er an Martini dafür zu sorgen hatte, daß die Bürgermeister, die Rathsmitglieder, die Kämmereiherren etc. ihre richtige Gans erhielten, wozu sich unter Umständen je nach dem Range noch ein Schwan gesellte.

Ein allgemeines Volksfest war die Ankunft des ersten frischen Weines. Wem Gott „die Gnade“ gab, den ersten frischen Wein an den Rathskeller zu bringen, erhielt von den „Herren“ die Erlaubnis ein Faß stübchenweise verkaufen zu dürfen, „acht Tage langs, so dür as he will“. – Diese Ankunft des ersten Weines beschreibt der alte lübische Chronikenschreiber Heinrich Rehbein auf folgende Weise: „Anno 1609 im Nevembri habe ich das allererst gesehen, so vor hundert oder zweihundert Jahren zu Lübeck Brauch gewesen ist. Nemlich, wenn um Martini oder bald hernach der Rheinische Must in’s Ehrbaren Raths Weinkeller gekommen ist, hat man denselben mit Pfeifen und Trommeln auf den Markt geführt, nemlich also dergestalt: Wenn die Kärner, ihrer zehn oder zwanzig, weniger oder mehr, an das Stadtthor erstlich angekommen, haben daselbst schon ein Pfeifer und ein Trommelschläger gewartet und sich beide auf ein Faß gesetzet, so auf dem ersten Karren gelegen, wo sie ihr Amt mit Pfeifen und Trommelschlagen verrichtet, bis die Kärner den Markt erreicht, auf dem sie mit den Weinfässern dreimal herumgefahren, wobei immer gepfiffen und auf die Trommel geschlagen worden; endlich hat man vor dem Weinkeller still gehalten. Hier haben die Fuhrleute ihre Pferde abgespannt und die Wagen sammt den Weinen stehen lassen; nun erst ist auch der Pfeifer und der Trommelschläger von dem Fasse herunter gestiegen und sind dann ihrer Wege gegangen.“

Wenn auch unzweifelhaft Rheinwein der wichtigste von allen Weinen gewesen ist, der in dem Rathskeller zu Lübeck verschänkt wurde, so lagerten daselbst auch andere Weinsorten, die unter den Namen Aschonyer, Ashoie-Wein, Frankenwein, Gobbin-Wein, Roßberger, Landwein, Patower, Rathenower und Rummenier vorkommen. Doch verschwinden alle diese Weine bald wieder, nur der zuletzt genannte (ein spanischer Wein) behauptet sich bis in die Mitte des siebenzehnten Jahrhunderts. An ihre Stelle traten Malvasier (Muscateller), Alicante, Petersimenes, Canariensect und Bastert; letzterer ward sogar Bedürfniß für den, der allzu viel Rheinwein getrunken hatte.

Für jeden Wein gab es auch ein besonderes Trinkgefäß. Rheinwein trank man aus grünen Römern; Malvasier, Alicante und Petersimenes aus silbernen Schalen; Bastert und Sect aus krystallenen Gläsern.

Die Steigerung der Weinpreise konnte jedoch nicht ohne Einfluß auf den Absatz bleiben und es war auch die Ursache, weshalb manche Kaufleute, die in Hamburg oder am Rhein vortheilhafte Bezugsquellen hatten, von dem ihnen zustehenden Recht Gebrauch machten, gegen Erlegung der Accise sich für ihren Hausbedarf selbst Rheinwein zu verschreiben. Andererseits vermehrte sich aber auch der Absatz des Kellers nach außen, und für den versandten Wein wurde dem auswärtigen Käufer die Accise berechnet, von welcher der im Keller gekaufte, in der Stadt selbst consumirte Wein frei war. Die auf solche Weise durch den von Privaten eingeführten und den vom Rathskeller ausgeführten Wein gewonnene Accise betrug 1654 zweitausendvierhunderteinundsiebenzig Mark. Jedenfalls war der Betrieb und die Verwaltung derartig, daß sich ein jährlicher Ueberschuß ergab. Aber leider wurde derselbe zu ganz anderen Zwecken verwandt! In der ersten Hälfte des siebenzehnten Jahrhunderts nahmen dergleichen ungehörige Verwendungen in solchem Grade zu, daß sie nicht nur den ganzen Gewinn des Kellers verschlangen, sondern diesen sogar in bedeutende Schulden stürzten. Man suchte zu retten was möglich und – verpachtete den Rathskeller.

Der erste Pächter des Kellers, Daniel Jacobi, trat im Jahre 1666 die Pacht an für die jährliche Pachtsumme, oder wie man damals sagte, „Pension“ von fünftausendsechshundert Mark (zweitausendzweihundervierzig Thaler Preußisch), Dafür wurden ihm alle Räumlichkeiten des Kellers auf zehn aufeinanderfolgende Jahre verpachtet, mit der einzigen Beschränkung, daß er das sogenannte „Herrengemach“, auf Erfordern den „Herren“ des Rathskellers zur Ausübung der Jurisdiction einräumen mußte. Der „Ohmhof“, wo die Fässer gemessen und gebrannt wurden, und der „Tafelhof“ waren in die Pacht eingeschlossen, jedoch mit der Verpflichtung für den Pächter, beide Grundstücke in gutem baulichem Stande zu erhalten. Die Gerechtsame des Rathsweinkellers gingen demnach in ihrem ganzen Umfange auf den Pächter über. Er hatte allein das Recht, in Lübeck Rheinwein und die sogenannten „heißen“ Weine im Detail zu verkaufen, durfte aber den Preis nicht überschreiten, den der Rath ihm gesetzt hatte. Das Stübchen Rheinwein galt nur drei Mark, das Stübchen Malvasier und Alicante vier Mark, Petersimenes und Xerezwein zwei Mark acht Schilling.

Eine Zeit lang ging das so ganz vortrefflich. Plötzlich aber schien alle Mühe der Pächter, den Keller im alten Flor zu erhalten, umsonst; er ging mehr und mehr zurück, daß denn endlich im Jahre 1812 gar nur fünfundfünfzig Mark (zweiundzwanzig Thaler Preußisch) jährliche Pacht für den Rathskeller geboten werden durfte. Das geschah aber auch zur Zeit der französischen Occupation!

Jetzt haben die gemüthlichen und erinnerungsreichen Räumlichkeiten des Rathskellers ihre magnetische Anziehungskraft längst wieder gewonnen und werden von Einheimischen und Fremden bei jeder sich darbietenden Gelegenheit entsprechend frequentirt. Hauptsächlich dienen sie Vereinen, die hier tagen, fast regelmäßig als Versammlungsort. Am zahlreichsten jedoch werden die unterirdischen Kellerräume in den schönen Tagen der Weihnachtszeit besucht, wo der Lübecker auf vierzehn Tage den Philister abwirft. Dann gleicht in Wahrheit der lübische Rathskeller einem deutschen Karawanserai. Summt es dann doch die Stufen auf und ab wie in einem Bienenkorbe, ebbet und fluthet es doch aus und ein vom Frühroth bis zum Sternenglanz! Aber freilich legt die ganze Republik auch dann ein anderes Colorit an und die sonst etwas ängstlich beachtete Ehrbarkeit darf schon einmal über die Schnur schlagen, ohne daß es Anstoß erregt. Welch’ ein buntes Leben ist dann in dem Rathskeller zu Lübeck! Frauen und Jungfrauen, Männer und Jünglinge, Dienstmädchen und Diener trinken aus grünen Römern Rheinwein oder Malaga, essen dazu Marcipan und Confect, lassen die Gläser seelenvergnügt erklingen, singen, schäkern, lachen, ganz wie ehemals die Patricier und Junker, ohne sich den geringsten Zwang anzulegen. Mit dem „Dreikönigstage“ zieht der Lübecker zwar wieder den Philister an, versäumt aber nicht, dem Rathskeller auch später noch Besuch abzustatten nach altherkömmlicher Weise.

H. A.