Textdaten
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Autor: Wilhelm von Ploennies
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Titel: Des Todten Dank
Untertitel:
aus: Deutsche Hausmärchen, S. 243–250
Herausgeber: Johann Wilhelm Wolf
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1851
Verlag: Dietrich'sche Buchhandlung, Fr. Chr. Wilh. Vogel
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Erscheinungsort: Göttingen und Leipzig
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Quelle: Google und Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
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[243]

Des Todten Dank.

Es war einmal ein reicher Kaufmann, der hatte einen einzigen Sohn und handelte in die Türkei. Jedes Jahr fuhr er auf einem großen Schiff ins Morgenland, und wenn er wiederkam, war es immer mit den kostbarsten Gütern beladen. Als er nun ein alter Mann geworden war und ihm das Seereisen zu beschwerlich vorkam, dachte er, er könne es doch wohl mit seinem Sohn probiren und ihn einmal statt seiner fortschicken.

Der junge Kaufmannssohn bekam ein schönes Schiff und einen großen Beutel voll Geld und allerlei gute Rathschläge mit auf den Weg. Vor Allem aber warnte ihn sein Vater, daß er ja kein Menschenfleisch kaufen solle.

Der Kaufmannssohn segelte mit gutem Winde über das Meer und legte in der Türkei sein Schiff ans Land. Dann steckte er seinen Beutel ein und ging in die Stadt, um zu sehen, was es Gutes zu kaufen gebe. Da standen unter den Thore eine Menge Leute und wie er hinkam, sah er den Leichnam eines schwarzen Sklaven, den hatte sein Herr da einmauern lassen, weil er ihm gestorben war, statt zu arbeiten und er ihm keinen größern Tort mehr anzuthun wußte. Wie nun der junge Mensch ein gutes Herz hatte, ging er gleich hin und fragte, ob er denn den armen [244] Kerl nicht loskaufen könne zu ehrlichem Begräbnis. Anfangs wollte der schlimme Türke Nichts davon wissen, doch durch vieles Lamentiren und Suppliciren brachte es der Kaufmannssohn endlich dahin, daß man ihm für sein ganzes Geld den Leichnam gab, den er sogleich ehrlich und ordentlich begraben ließ.

Nun kann man sich leicht denken, was der alte Kaufmann für einen Lärm anschlug, als sein Sohn mit leerem Schiff wiederkam und erzählte, für was er sein Geld ausgegeben hatte. Er verschwur sich, daß er ihn nie mehr auf den Handel schicken wolle; doch als ein Jahr herum war, hatte ihm seine Frau so zugeredet, daß er ihn doch noch einmal gehen ließ. Als er nun wieder hinübergefahren war und in die Stadt kam, da sah er einen großen, herrlichen Garten, darin war eine wunderschöne Dame eingesperrt. Er fragte sie, wie sie dahin komme, und sie erzählte ihm, wie sie auf dem Wasser gefangen und von einem reichen Türken gekauft worden sei; sie werde zwar recht gut gehalten, aber gefangen sei sie eben doch. Gleich lief er zu ihrem Herrn und sagte, er wolle die Dame kaufen, es koste, was es wolle. Da half anfangs kein Bitten und kein Lamentiren, endlich kam es aber doch so weit, daß er sie bekam, dafür mußte er freilich sein Schiff verkaufen und Alles hergeben, so daß er gerade genug übrig behielt, um mit seiner Frau auf einem andern Schiff überzufahren. Sie kamen nach Haus, er getraute sich aber nicht, seinem Vater unter die Augen zu treten. Er miethete sich ein Zimmer bei einem Bekannten und ließ nur seiner Mutter heimlich sagen, er wäre da. Die Mutter war bald wieder gut und schickte den [245] jungen Eheleuten Essen und Geld und in einer guten Stunde trug sie auch ihrem Mann die Sache vor. Der aber wollte Nichts mehr von seinem Sohne wissen. Da gab die junge Frau ihrem Mann zehn Gulden, er solle Das und Jenes dafür kaufen, hernach schloß sie sich mit den Sachen, die er geholt hatte, ein und sagte, jetzt müsse er sie acht Tage lang allein lassen. Als die acht Tage herum waren, hatte sie eine wunderschöne Schabracke gestickt, mit der schickte sie ihn auf den Markt, er dürfe sie aber nicht anders geben als für fünfhundert Gulden.

Als er auf dem Markte saß, blieb Alles stehen und betrachtete die schöne Schabracke. Auch der alte Kaufmann kam, und die Stickerei gefiel ihm so gut, daß er seinem Sohn gleich sechshundert Gulden dafür bot; der aber sagte: „Willst du mich nicht, so sollst du auch die Schabracke nicht haben,“ und da war's auf immer vorbei mit der Freundschaft. Als er nun die Schabracke an einen Andern verkauft hatte, brachte er seiner Frau das Geld und erzählte ihr, wie es jetzt Alles ab sei zwischen ihm und seinem Vater. Da mußte er ihr für zwanzig Gulden Sachen holen und sie vierzehn Tage allein lassen. Als aber die Zeit herum war, sagte sie zu ihm: „War ich mit dir bei deinen Leuten, so gehe jetzt mit mir zu meinen Leuten.“ Sie mietheten sich auf ein Schiff ein, die junge Frau aber holte eine Fahne herbei, die sie in den vierzehn Tagen gemacht und worein sie gestickt hatte, wer sie war und wie es ihr gegangen. Die Fahne ließ sie oben an den Mast nageln, damit Jeder gleich sehen könne, wer da komme.

Jetzt muß ich aber gestehen, daß sie eigentlich eine Königstochter [246] war. Ihr Vater hatte drei wunderschöne Töchter gehabt, die waren ihm alle drei gestohlen worden und seit drei Jahren schon segelten des Königs Schiffe in der Welt umher und suchten. Solch ein Schiff kam nun heran geschwommen und sah die Fahne. Gleich war es da. Unter großem Vivatrufen stieg die Prinzessin mit ihrem Mann hinein und rasch ging es fort nach Haus zu.

Die Befehlshaber des Schiffs waren aber drei große Bösewichter, die hätten den Lohn für die Erlösung der Prinzessin viel lieber selber gehabt und so wurden sie eins, daß sie, als es dunkel wurde, den jungen Kaufmann im Schlafe beim Kopf nahmen und hinunterwarfen in die See.

Der hatte aber kaum das Wasser berührt, so war ein kohlschwarzer Kerl neben ihm, der hielt ihn, daß er nicht sinken konnte: er glaubte es wäre der Teufel. Gegen Morgen that ihn der Schwarze wieder ins Schiff und als seine Frau da saß und sich grämte, weil ihr die Bösewichter erzählt hatten, wie er aus Versehen über Bord gefallen sei, ging auf einmal die Thür auf und er trat frisch und gesund herein. Die drei Mörder glaubten, er sei unbemerkt am Schiff wieder in die Höhe geklettert und stellten sich, als wenn sie sich sehr über seine Rettung freuten. Sie bauten ihm nun eine Falle und lockten ihn darauf, daß er auf einmal durch ein Loch wieder in das Wasser hinab fiel und dießmal kam er nicht wieder. Dann fuhren sie mit gutem Winde weiter und landeten daheim bei dem alten König. Der hatte eine gar zu große Freude und fragte, wer denn seine Tochter erlös't habe? „Das haben wir gethan!“ sagten die Mörder und [247] weil sie der Königstochter einen Schwur abgenommen hatten, daß sie nichts sagen durfte, so wurden sie große Männer im Land und der reichste von ihnen sollte die Prinzessin heirathen. Da sie sah, daß es nicht anders ging, bat sie sich Jahr und Tag Frist aus und als die Frist um war, sagte sie, jetzt wolle sie heirathen, vorher aber müßte ihr Bräutigam die drei Brautzimmer nach ihren Gedanken ausmalen lassen. Es wurden nun aus der ganzen Welt die besten Maler herbeigerufen, aber keiner konnte es ihr recht machen, immer sagte sie, es sei nicht nach ihren Gedanken.

Jetzt müssen wir wieder nach dem Kaufmannssohn sehen. Wie der zum zweitenmal ins Wasser fiel, hatte ihn auch gleich der Schwarze wieder beim Arm und führte ihn mit sich fort durch die Luft. Unterwegs aber sagte er zu ihm, er sehe jetzt, wie schlimm seine Sachen stünden, doch könne ihm noch geholfen werden, wenn er ihm das erste Kind, das er dereinst von seiner Frau bekomme, auf seinen zwölften Geburtstag zu eigen geben wolle. In seiner Noth versprach der Kaufmannssohn Alles und war nur froh, daß es nichts Größeres war. Der Schwarze flog noch lang mit ihm fort und setzte ihn endlich in ein warmes Mooshüttchen, das weit, weit an dem steinigen Meerufer stand. Da lag er nun und hatte Hunger und Durst und dachte: ach wenn du nur ein gutes Stück Braten und einen Schoppen Wein hättest! Und noch hatte er's nicht fertig gedacht, da stand's schon da. Als er gegessen und getrunken hatte, wünschte er sich eine Pfeife Taback, und gleich hatte er sie im Munde. So lebte er fort, Jahr und Tag, und aß und trank zu was er Lust hatte und betrachtete [248] die weite Aussicht. Nach langer Zeit endlich kam der Schwarze und fragte ihn, ob er nicht Lebkuchenbäcker werden wolle in einer großen schönen Stadt? Er verstand sich zwar nicht auf die Bäckerei, weil er sich nie damit abgegeben, doch um nur einmal fortzukommen aus dem langweiligen Hüttchen, sagte er zu. Der Schwarze packte ihn auf, flog wieder weit, weit mit ihm fort und setzte ihn endlich in die große schöne Stadt, einem Lebkuchenbäcker vor die Thür, der gerade einen Gesellen nöthig hatte und den Kaufmannssohn deßwegen mit Freuden annahm. Der machte sich gleich an die Arbeit und die Sache ging ihm so gut von der Hand, daß man bald in der ganzen Stadt von dem geschickten Lebkuchenbäcker sprach. Es kam auch vor den König, der ließ ihn kommen und da er großes Wohlgefallen an ihm und seinen Bäckereien fand, so sagte er: wenn er die Lebkuchen so schön malen könne mit Bildern und Verslein, so könne er vielleicht auch seiner Tochter die Zimmer ausmalen, wie sie es haben wolle nach ihren Gedanken.

Er war gern dazu bereit und malte die drei Zimmer, eins schöner als das andere und in das dritte malte er an die Decke, wie er die Königstochter erlöst hatte und wie er verrathen worden war. Als er fertig und wieder nach Haus gegangen war, kam die Prinzessin mit dem ganzen Hofstaate zur Besichtigung. Im ersten Zimmer stutzte sie, im zweiten sagte sie, es wäre recht so, aber als sie im dritten die Bilder sah, stürzte sie hin wie todt. Als sie wieder zu sich kam, fiel sie mit großem Weinen ihrem Vater zu Füßen und sagte, das habe kein Anderer gemalt, als [249] ihr wahrhaftiger Erlöser und rechter Gemahl, und länger könne sie den Schwur nicht halten und somit gestand sie Alles.

Zugleich aber sah der König, wie die ganze Sache in dem Zimmer abgemalt war, – kam in großen Zorn und ließ die falschen Diener radbrechen, von unten herauf. Im Schloß aber gab es ein großes Fest und das ganze Land mußte sich mitfreuen; der Kaufmannssohn hatte seine liebe Frau wieder und das Königreich dazu.

Er lebte von selbigem Tage an glücklich und in Freuden; seine Eltern wurden auch hergeholt und seine Frau genas eines Knäbleins, bei dem stand der alte Kaufmann zu Gevatter und es wuchs heran zu einem wunderschönen Prinzlein. Doch als das Kind zehn Jahr alt war, fiel sein Vater in Trauer, denn er gedachte seines Versprechens, das er dem Schwarzen gegeben, als er mit ihm davonflog durch die Luft.

Freilich hatte er immer den Trost: lieber König und im Schloß, als beim Teufel im Hüttchen; doch als das Kind elf Jahr alt war und ins zwölfte ging, da konnt er's nicht mehr aushalten, und gestand Alles seiner Frau. Die hatte darob noch viel größeren Jammer als er und als des Kindes zwölfter Geburtstag herankam, da legten sie es jede Nacht zwischen sich ins Bett und hielten es fest von beiden Seiten.

Als nun die letzte Nacht da war und es auf dem Schloßthurm zwölf Uhr schlug, da klopfte es dreimal ans Fenster. Die Eltern sprangen mit großem Klagen und Weinen aus dem Bett und der Vater nahm das Kind und hielt es hinaus vors Fenster, [250] draußen aber stand der Schwarze und fragte ihn, was er denn eigentlich glaubte und für wen er ihn eigentlich hielte, gewiß für den Teufel? „Für nichts Anderes,“ sagte der König. Da sprach der Schwarze: „Nein, ich bin der, den du in der Türkei hast ehrlich begraben lassen, und dir zu Gefallen bin ich noch über der Erde geschwebt, bis auf diesen Tag; jetzt magst du dein Kind behalten, ich aber will schlafen bis zum jüngsten Gericht.“