Des Dichters Gattin
Der Krankheit Fessel um die starken Glieder
Liegt dort der Dichter, ein gefang’ner Aar:
Das Aug’ zur Sonne, mit gelähmter Schwinge,
Seit manchem langen, schweren Prüfungsjahr.
Und wieder Lenz, mit Duft und Blüthenschnee,
Zieh’n weg den Vorhang, ach! und schau’n dahinter,
Bei’m Kommen wie bei’m Geh’n, das alte Weh.
Wohl fordert’s Kraft, ein solches Loos zu tragen,
Indem er Engel ihm zur Seite sendet,
Zu stärken ihn in hartbedrängter Zeit.
Gethsemane war nicht die einz’ge Stätte,
Vom Flügelschlag der Engel mild umweht –
Schon sechszehn Jahr ein Engel Wache steht!
Der fliegt auf seinen Wink nach allen Winden,
Am Morgen, Abend, und wenn’s wieder tagt;
Er ist ihm Arzt und Priester, Stab und Stütze,
Flicht ihm um’s Haupt des Lenzes Blumenglocken –
Speist, sorgsam waltend, täglich Seel’ und Leib –
Und schirmt ihn vor des Winters eis’gen Flocken:
Es ist des deutschen Dichters deutsches Weib.
Und Erde, Luft und Meer – sie jauchzten auf!
Und was da athmet, was da lebt und webet,
Es regte sich und gab ihm Antwort drauf.
Doch hatt’ die volle Lösung er nicht funden
Seit welcher Jahr auf Jahr, zu allen Stunden,
Sein Engel offenbart, was Liebe ist.
- ↑ „Offenbarung der Liebe“, von Mosen.