Textdaten
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Autor: Ludwig Kieffer
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Titel: Der wachsende Stein
Untertitel:
aus: Badisches Sagen-Buch II, S. 415–416
Herausgeber: August Schnezler
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1846
Verlag: Creuzbauer und Kasper
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Erscheinungsort: Karlsruhe
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Originaltitel:
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Originalherkunft:
Quelle: Commons, Google
Kurzbeschreibung:
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[415]
Der wachsende Stein.[1]

Am Ranft der Kraich im Thale
Tritt aus der Wand ein Stein
Und wächst mit seinem Leibe
Bald in die Kraich hinein.

5
Er wächst seit Mannsgedenken:

Mit jedem neuen Jahr
Stellt größer er und höher
Und mächtiger sich dar.

Man weiß nicht, was ihn wachsen

10
Und vorwärts rücken macht,

Auch wächst er nicht am Tage,
Er wächst nur in der Nacht.

Man glaubt drum auch vom Steine,
Er sei des Teufels Stein,

15
Der trage dort allnächtig

Manch frische Seel’ hinein,

Und lade von den Seelen
Die Sünden allzusamm,
Der Pack von Sünden gebe

20
Stets einen größern Damm.


Den Sündendamm bedecke
Als Hülle nur den Stein,
Und nur der Teufel könne
Zum Steine aus und ein;

25
Und sei vom Stein durchwachsen

Die Kraich, so schwell’ sie an,
Bis endlich ihre Wasser
Gebrochen sich die Bahn.

[416]

Dann schwemmten Stein und Sünden

30
Die Wasser in den Rhein,

Und dort verschläng’ ein Strudel
Den Nachts gewachsnen Stein.

Der Teufel woll’ ihn halten,
Der Strudel geb’ nicht nach,

35
Es sei der Macht des Rheines

Der Teufel selbst zu schwach. –[2]

Drum rieth’ ich großen Sündern,
Sie wüschen sich im Rhein,
Wascht der sie nicht, so müssen

40
Sie wohl des Teufels seyn.
Ludwig Kieffer.

  1. Dieser Stein, der mehrere Kubikklafter Mächtigkeit hat, liegt oder vielmehr steht als Ausläufer der niedrigen Thalwand am Wege zwischen Flehingen und Gochsheim, und soll (dicitur) wachsen etc.
  2. Das Wachsen des genannten Steines ist höchst wahrscheinlich dahin zu erklären, daß er aus einer luftbeständigern Felsmasse besteht, als die ihn unmittelbar berührende Thalwand. Je mehr diese durch Witterungseinflüsse sich auflockert und ablöst, um so mehr legt sie den Stein bloß, um so größer erscheint er, ohne deßhalb heraus- und in das Thal hinein zu wachsen; der schon vorher in seiner ganzen Größe vorhandene Stein wird nur sichtbarer und hat deßhalb bei dem Volke zu dieser Redensart, er wachse, Veranlassung gegeben.