Der sogenannte Trompeter in den Hummelnestern
[851] Der sogenannte Trompeter in den Hummelnestern. Vor nun bald zweihundert Jahren (1685) berichtete der holländische Maler und tüchtige Insectenbeobachter Van Goedart, er habe in den Hummelnestern einen Trompeter beobachtet, der jeden Morgen in den Giebel des Nestes steige und daselbst durch anhaltendes Summen die übrigen Hummeln zur Arbeit rufe. Da wir bei den andern gesellig lebenden Hautflüglern, namentlich bei Bienen und Ameisen, so viele den menschlichen Einrichtungen ähnliche sociale Errungenschaften kennen gelernt haben, so könnte uns dieses Seitenstück zu dem wachsamen Trompeter unserer Casernenhöfe durchaus nicht in Erstaunen setzen, aber merkwürdiger Weise waren bis heutigen Tages alle Bemühungen der späteren Beobachter, den Trompeter wieder einmal zu vernehmen, vergeblich, und man begann nach dem Beispiele Réaumur’s die Erzählung Goedart’s bereits ziemlich allgemein zu den Fabeln zu rechnen. Allein wiederholte neuere Beobachtungen von Professor Dr. Eduard Hoffer in Graz haben erwiesen, daß die Thatsache vollkommen begründet ist, sofern verschiedene unterirdische Nester bauende Hummelarten ihren mit Hingebung seines Amtes wartenden Wächter und Wecker haben, der die Bewohner des Morgens zur Arbeit ruft. In seinem zur Zeit im Erscheinen begriffenen, an anziehenden Lebensschilderungen sehr reichen Werke über „Die Hummeln Steiermarks“ (erste Hälfte, Graz 1882) erzählt dieser ausgezeichnete Hummelbeobachter, wie er im vorigen Jahre ein dreistöckiges und circa hundertfünfzig Arbeiter enthaltendes Nest der Sandhummel (Bombus argillaceus) geschenkt bekommen und in einem Kasten mit Flugloch und verfinstertem Glasdeckel aufgestellt habe, wobei die Hummeln, ungestört durch eine mehrstündige Reise, unverweilt ihre Bau- und sonstigen Arbeiten fortsetzten.
Gleich am nächsten Morgen hörte Professor Hoffer um dreieinhalb Uhr ein eigenthümliches, starkes Summen im Kasten und sah, nachdem er vorsichtig den das Glasdach verdunkelnden Holzdeckel hinweggeschoben, ganz oben auf der Wachshülle des Nestes ein sogenanntes „kleines Weibchen“ hoch aufgerichtet, mit dem Kopfe jedoch nach abwärts stehen und mit aller Macht gleichmäßig die Flügel schwingen, wobei der Ton anscheinend noch durch aus den Athemlöchern ausgestoßene Luft verstärkt wurde; das Thierchen fuhr mit dieser Musik fort, bis gegen viereinhalb Uhr, also circa drei Viertelstunden, während nach und nach die Hummeln hervorkamen und auf die Weide flogen. So ging es in der Folge alle Morgen: um dieselbe Zeit entstieg der Trompeter dem Neste und summte mitunter ununterbrochen eine ganze Stunde lang, bis er, völlig erschöpft, zusammensank; er erholte sich erst, nachdem er mehrere Minuten still gelegen, so weit, um wieder in das Nest kriechen zu können.
Der natürlich nicht wenig erfreute Beobachter konnte an den folgenden Tagen die Hausgenossen und verschiedene befreundete Hummelkenner zu dem wundersamen Frühconcert einladen, von denen dann der Eine (Herr Firtsch) den Trompeter auch bei der Steinhummel (Bombus lapidarius) vernahm. Wahrscheinlich haben nur die unter der Erde nistenden Hummeln einen solchen Trompeter, und vielleicht auch bei diesen nur die stärkeren Nester. So war der alte Insecten-Beobachter glänzend gerechtfertigt, und Professor Hoffer beschloß nun, ferner zu erproben, was geschehen würde, wenn er den Trompeter wegfinge. Er spießte ihn also für seine Sammlung auf, und am nächsten Morgen blieb Alles ruhig bis acht Minuten nach Vier, um welche Zeit schon einige Hummeln, müde des langen Wartens auf das gewohnte Signal, außen umherkrochen.
Zur gedachten Zeit aber stieg dann wieder ein „kleines Weibchen“ an der Wand des Kästchens empor und sang gerade so laut und anhaltend wie der vorige Trompeter, dessen Pflichten das Thierchen nun regelmäßig allmorgentlich erfüllte. Man ersieht hieraus, daß die Hummeln etwas mehr Aufmerksamkeit für ihr Leben und Treiben verdienen, als sie bisher gefunden haben, und ebenso wohl wie die Ameisen, für welche Sir John Lubbock jetzt Freunde wirbt, der Aufnahme in unsere Studirzimmer werth sind. Sie erscheinen ja in ihrem ganzen Benehmen höchst drollig und sind gar nicht so bösartig, wie ihre heißblütigen Schwestern, die Wespen oder gar die Hornissen; ja Huber versichert uns, mit eigenen Augen gesehen zu haben, daß sie ihre Gutmüthigkeit so weit treiben, sich von befreundeten Bienennachbarn, die sich ihnen schmeichelnd und bittend näherten, den letzten Tropfen Honig abbetteln zu lassen. Gerade im Hummelleben läßt sich gewiß noch viel Neues beobachten, und das oben erwähnte neue Buch Hoffer’s giebt die besten Fingerzeige dafür.