Textdaten
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Autor: Jodocus Donatus Hubertus Temme
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Titel: Der prophezeihende Täufling
Untertitel:
aus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. S. 309–311
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1840
Verlag: Nicolaische Buchhandlung
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Erscheinungsort: Berlin
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Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google und Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
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262. Der prophezeihende Täufling.

In vielen Gegenden von Pommern: an der Oder, bei Colbatz, Wartenberg und an manchen anderen Orten, erzählen sich die Leute folgende wunderbare Geschichte, die sich im Jahre 1831 zugetragen hat, als von Westen der Krieg und von Osten die Cholera in das Land einzubrechen drohete. Zu derselben Zeit fuhren nämlich eines Morgens [310] früh mehrere Bauersleute von jenseits der Oder nach Stettin. Als sie nun den langen Damm durch die Oderwiesen passirten, hörten sie auf einmal unten aus der Wiese ein Kind rufen: Nähmt mi mit, nähmt mi mit! Die Bauern stiegen ab, und fanden im Grase ein ganz nacktes, so eben gebornes Kind liegen. Sie erbarmten sich des armen Würmchens, bei dem Niemand war, und legten es auf den Wagen. Sie beriethen dann unter einander, was sie mit dem Kinde machen wollten, und sie kamen dahin überein, daß sie es zuerst wollten taufen lassen. Sie gingen also damit zu einem Prediger in Stettin, und baten diesen, daß er die Taufe verrichten möge, wozu er auch bereit war. Als er aber die Taufhandlung eben begonnen hatte, begab sich auf einmal ein großes Wunder, denn das Kind verwandelte sich plötzlich in ein Stück blutigen Fleisches. Darüber entsetzten sich Alle, und der Prediger befahl den Bauern, daß sie das Fleisch an die Stelle tragen sollten, wo sie das Kind gefunden hatten. Das thaten sie; aber kaum hatten sie die Wiese im Rücken, als sie das Kind wieder erbärmlich schreien hörten, wie vorhin: Nähmt mi mit, nähmt mi mit! und wie sie nun zurückkehrten, fanden sie wieder das Kind, das sie des Morgens früh gefunden hatten. Sie erbarmten sich deshalb noch einmal des hülflosen Würmchens, und brachten es zum zweiten Male zum Prediger, daß er es taufen möge. Allein so wie der Prediger eben wieder die Taufhandlung begonnen hatte, verwandelte das Kind sich in einen Zander (Zannat, Fisch). Der Pfarrer befahl ihnen daher zum zweiten Male, daß sie es zurücktragen sollten. Die Bauern thaten das; aber es begab sich wieder ganz dasselbe, wie das vorige Mal, und als der Prediger das Kind jetzt wieder taufen wollte, verwandelte es sich in ein Brod. Da sagte der Prediger: So wollen wir es denn aufschneiden, [311] und griff schnell zu einem Messer, um sein Vorhaben ins Werk zu richten. Plötzlich aber wurde das Brod wieder ein Kind, und wuchs augenblicklich, so daß Alle es sehen konnten, bis es ein feiner Knabe geworden war. Der sprach zu den Anwesenden: Mich hat Gott gesandt, und ich will Euch sagen, was das Alles bedeutet, was Ihr gesehen habt! Daß ich Fleisch geworden bin, bedeutet Krieg und großes Sterben; daß ich Fisch wurde, das bedeutet Wassersnoth; daß ich aber Brod wurde, das bedeutet eine fruchtbare Zeit, die darauf folgen wird, und wer die noch erlebt, der wird von Allem genug haben, und sich über nichts mehr beklagen dürfen. – Darauf ließ das Kind sich nun ruhig taufen. Die Leute sagen, es solle noch in Stettin herumgehen.

Mündlich.