Der letzte Staatsrat des großen Kurfürsten
[67] Der letzte Staatsrat des Großen Kurfürsten. (Zu dem Bilde S. 56 und 57.) Einen für Preußens Geschichte bedeutsamen Augenblick stellt uns Professor Fritz Röber auf seinem geistvoll erfaßten und ausdrucksvoll ausgeführten großen Bilde dar. Am 7. Mai 1688 ließ der Große Kurfürst, schwer erkrankt, dem Tode nahe, sich zu dem rasch einberufenen Geheimen Rat hintragen; hier erteilte er seinem Sohn, dem späteren König Friedrich I., seinen Segen, indem er ihn mit feierlichen und rührenden Worten ermahnte, die Regierung nach den bisherigen bewährten Grundsätzen fortzuführen und den erworbenen Ruhm zu wahren. Der sterbende Fürst warf einen Rückblick auf seine eigene glückliche, aber mühevolle Regierung voll Krieg und Unruhe, auf die traurige Zerrüttung, in welcher er das Land beim Beginn derselben gefunden, auf seine mit Erfolg gekrönten Bestrebungen, es in besseren Stand zu bringen, so daß es jetzt von seinen Freunden geachtet, von seinen Feinden gefürchtet werde. Der Kronprinz antwortete tiefgerührt, was ihm der feierliche Augenblick und die Verehrung für den geliebten Vater, den großen Fürsten, eingab. Nicht lange überlebte der Fürst diese letzte feierliche Sitzung: er starb nach schwerem, mit Geduld ertragenem Todeskampfe am 9. Mai 1688. Vater und Sohn, welche den Mittelpunkt des Gemäldes bilden, spiegeln die ganze Bedeutung des geschichtlichen Augenblicks wieder: man sieht bereits die Schatten des Todes über das Antlitz des Großen Kurfürsten fliegen; aber sie nehmen ihm nichts von seiner geistigen Größe; noch immer tragen diese Züge das Gepräge eines imponierenden Charakters, einer willensstarken Herrscherseele, während der im Profil dargestellte Kopf des Kurprinzen von tiefem Schmerz und innerster Ergriffenheit zeugt. Man sieht gleichsam das untergehende und aufgehende Gestirn Preußens; aber man hat den Eindruck, daß die Strahlenglorie des ersteren von dem letzteren nicht erreicht werden wird: die Züge des Kurprinzen haben etwas Weicheres, was nicht bloß durch die Jugendlichkeit und den ergreifenden Augenblick bestimmt wird; man sieht es ihnen an, daß die Entschiedenheit des Charakters sich von dem Vater auf den Sohn nicht in gleichem Maße fortgeerbt hat. Als Zeugen dieser Abschiedsscene umgeben den Thron die Großen des preußischen Staates, die in Krieg und Frieden die Lorbeeren des scheidenden Herrschers geteilt haben. Da sehen wir mit dem Marschallstabe den Marschall Grafen von Schomberg. Er war ursprünglich ein französischer Marschall und lebte später in Portugal, von wo ihn der Große Kurfürst berufen und als obersten General an die Spitze seines Heeres gestellt hatte; Schomberg war zugleich Statthalter von Preußen geworden und nach den Prinzen von Geblüt der Höchste im Range. Dann sehen wir neben ihm einen der ältesten Söhne des Kurfürsten aus zweiter Ehe, den Gründer der Schwedtschen Linie; in einer anderen Gruppe auf der linken Seite des Bildes findet sich Geheimrat und General von Grumbkow, Obermarschall des Hofes und Vater des Generals, der nachher unter Friedrich Wilhelm I. eine so wichtige in vieler Hinsicht unliebsame Rolle spielte; er sieht zu Boden und greift mit der Hand in die Weste; an seiner Seite, den Ratsmantel über die Höflingstracht geworfen, steht Reetz, welcher die Direktion der Städtekasse hatte. In der Nähe des
Kurfürsten stehen Otto von Schwerin, der Statthalter in Berlin, und der Kammerpräsident von Knyphausen. So interessant diese Gruppen der Räte durch die Porträtähnlichkeit ihrer Charakterköpfe sein mögen, die hauptsächliche Teilnahme wendet sich doch dem Kurfürsten und seinem Sohne zu; denn hier ist nicht nur der geschichtlich bedeutsame Augenblick festgehalten, es ist zugleich ein fesselndes Seelengemälde, das mit feiner Kunst ausgeführt ist. †