Der letzte Kriegszug des Hauptmanns von Gravenreuth

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Titel: Der letzte Kriegszug des Hauptmanns von Gravenreuth
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 14, S. 445, 451–452
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1892
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[445]

Pr.-Lt. v. Volkamer.   Pr.-Lt. v. Stetten.       Dr. Richter.
Dr. Preuß. 0 Leg.-R. v. Schuckmann.  

Das Grab des Hauptmanns von Gravenreuth in Kamerun.

[451] Der letzte Kriegszug des Hauptmanns von Gravenreuth. (Mit Abbildung S. 445.) In dem weiten, wohlgepflegten Parke, welcher das Gouvernementsgebäude von Kamerun umgiebt und der sich auf der steil zum Kamerunfluß abfallenden Josplatte ausbreitet, ward ein junger Held zur ewigen Ruhe eingebettet, dessen Name für immer mit der Afrikaforschung und Afrikakolonisation eng verknüpft sein wird. Es ist Hauptmann Freiherr von Gravenreuth, der am 4. November vorigen Jahres so jäh aus seiner vielversprechenden Laufbahn herausgerissen ward.

Karl Freiherr von Gravenreuth war am 12. Dezember 1858 als Sohn eines hohen bayerischen Beamten geboren. Am 30. Juni 1877 trat er in das 3. bayerische Infanterieregiment ein, wurde auch am 7. Mai 1879 zum Sekondelieutenant in demselben Regiment befördert, ließ sich aber im Februar 1885 zu den Offizieren der Reserve versetzen, um sich einer Expedition nach dem Innern Afrikas anzuschließen. Er trat zunächst in den Dienst der Ostafrikanischen Gesellschaft, dann zu Beginn des Jahres 1889 in den des Reichskommissars und wurde gleichzeitig zum Premierlieutenant befördert. Nachdem er eine Zeitlang die Vertretung des Reichskommissars in Berlin geführt hatte, begab er sich wieder nach Ostafrika zurück, wo er an der Niederwerfung des Araberaufstandes wesentlichen Antheil nahm, z. B. bei der Erstürmung des Lagers von Buschiri bei Bagamoyo am 8. Mai, sowie bei der Einnahme von Saadani am 6. Juni 1889. Und noch oft fand er in diesem und dem folgenden Jahre Gelegenheit, sich auszuueichnen, so lieferte er im Oktober während des Zuges des Majors Wißmann nach Mpwapwa den Mafiti das Gefecht bei Jombo, das als seine glänzendste Waffenthat bezeichnet wird. Aber auch außerdem hat Gravenreuth in Hunderten von Fällen sein Leben mit einer Waghalsigkeit eingesetzt, die ihm bei der Küstenbevölkerung den Namen „simba mrima“ (der Löwe der Küste) verschaffte. Es lebte in ihm etwas von der Berserkerwuth der alten Germanen; er war, was man einen „Draufgänger“ nennt, dabei von großer körperlicher Leistungsfähigkeit und unermüdlich.

Im April 1890 aber sah doch auch er nach so vielen Strapazen sich genöthigt, einen längeren Urlaub anzutreten. Ueber ein Jahr blieb er in Europa, mannigfach ausgezeichnet, unter anderem auch durch die Beförderung zum Hauptmann, welche ihm im September 1890 zutheil wurde. Dann aber, nachdem er einige Zeit im Auswärtigen Amte gearbeitet hatte, wurde er mit der Leitung einer Forschungsexpedition im Hinterland von Kamerun betraut und reiste am 5. Juli 1891 an seinen Bestimmungsort ab.

Im Monat Oktober unternahm er mit den in Kamerun angeworbenen Leuten, unterstützt durch die Marine, einen Zug gegen den unweit des kaiserlichen Gouvernements ansässigen Abostamm, um diesen für seine [452] Feindseligkeiten zu züchtigen. Eine aus den Besatzungen des Kreuzers „Habicht“ und des Kanonenbootes „Hyäne“ gebildete Landungsabtheilung nebst drei Compagnien angeworbener Neger unter Premierlieutenant von Stetten, Dr. Richter und Lieutenant von Volkamer bildeten die zum Kampfe gegen die Schwarzen bestimmte Streitmacht. Auf mehreren Booten fuhr dieselbe den Abofluß hinauf.

Die Matrosen des „Habicht“ und die Compagnie Volkamer unter Kapitänlieutenant Krause griffen das stark verpallisadierte Miang (Dorf) der Abos von der Ostseite an, Gravenreuth mit dem Landungscorps der „Hyäne“ und den beiden Compagnien Stetten und Richter stieß gegen die Südseite vor und zerstörte es mittels Feuer.

Am 4. November begann dann der zweite gegen den eigentlichen Herd des Aufstandes, d. h. gegen Buea gerichtete Theil der Unternehmung. Auf schmalen und vielfach gewundenen Waldwegen gelangte man in die Nähe des verschanzten feindlichen Lagers bei dem Orte Fenz. Gravenreuth ließ sofort die Fahne schwenken und wollte nochmals friedlich verhandeln, auf ungefähr 150 Meter Entfernung aber gaben die Feinde die erste Salve ab. Da ließ Gravenreuth das Maximegeschütz, welches die Expedition mit sich führte, kommen und rief Lieutenant von Stetten an dasselbe vor, da es grundsätzlich nur von deutscher Hand bedient werden sollte. Der Mechanismus war indessen in Unordnung gerathen, und trotz aller Versuche wollte kein Schuß losgehen. Die Schutztruppe, welche das Geschütz gewissermaßen als Fetisch betrachtet hatte, war sehr niedergeschlagen, als es im kritischen Augenblick versagte, und zudem erhielten während der vergeblichen Bemühungen Stetten einen Prellschuß und Dr. Richter drei Schüsse. Die fast ganz zusammengeschossene Maximekanone wurde endlich in einen Busch getragen, um dort weiterer Behandlung unterzogen zu werden.

In diesem Augenblick stürmte Gravenreuth trotz des heftigen Feuers der Feinde vor. Aber nur drei Schwarze folgten ihm, alle anderen blieben zurück. Einer der Tapferen der Schutztruppe wurde sofort in den Kopf getroffen und blieb tot, und auch die anderen zwei erhielten Schüsse. Da das Maximegeschütz durchaus nicht gefechtstüchtig zu machen war, verließ es Lieutenant Stetten, eilte zu seiner Compagnie und griff den Feind von der Flanke an, ein Manöver, das durch einen Sumpf erschwert wurde. Unterdessen ging Gravenreuth nochmals mit nur zwölf Schwarzen vor. Fünfzehn Schritte vor der Boma, der feindlichen Verschanzung, erhielt der Muthige drei Schüsse ins Herz. Er brach tot zusammen, ohne noch ein Wort sprechen zu können.

Nach dem Tode Gravenreuths übernahm Stetten das Kommando und führte das Gefecht glücklich zu Ende. Die Toten, im ganzen vier, brachte man in das nahe gelegene Missionshaus; Wachen wurden aufgestellt, und die Truppe richtete sich für die Nacht ein. Die Expedition selbst aber hatte ihren Zweck erreicht, wenn auch ihr Abschluß ein überaus schmerzlicher war.[1]


  1. Wie wir hören, beabsichtigt eine Anzahl Freunde Gravenreuths und Theilnehmer an den Gefechten bei Buea, ihm auf seinem Grabe ein Denkmal zu errichten.