Der alte Weinkeller bei Salurn
- Nachr. von Geistern. Frankf. 1737. S. 66–73.
Auf dem Rathhause des tyroler Fleckens Salurn, an der Etsch, werden zwei alte Flaschen vorgezeigt und davon erzählt: Im Jahr 1688. ging Christoph Patzeber von St. Michael nach Salurn in Verrichtungen und wie er bei den Trümmern der alten salurner Burg vorüberkam, wandelte ihn Lust an, das Gemäuer näher zu betrachten. Er sah sich im obern Theil um und fand ungefähr eine unterirdische Treppe, welche aber ganz hell schien, so daß er hinabstieg, und in einen ansehnlichen Keller gelangte, zu dessen beiden Seiten er große Fässer liegen sah. Der Sonnenstrahl fiel durch die Ritzen, er konnte deutlich achtzehn Gefäße zählen, deren jedes ihm däuchte funfzig Irten zu halten; an denen die vorn standen, fehlte weder Hahn noch Krahn und als der Bürger vorwitzig umdrehte, sah er mit Verwunderung einen Wein, köstlich wie Oel, fließen. Er kostete das Getränk und fand es von solchem herrlichen Geschmack, als er Zeitlebens nicht über die Zunge gebracht hatte. Gern hätte er für Weib und Kind davon mitgenommen, wenn ihm ein Geschirr zu Handen gewesen wäre; die gemeine Sage fiel ihm ein von diesem [21] Schloß, das schon manchen Menschen unschuldigerweise reich gemacht haben sollte, und er sann hin und her, ob er nicht durch diesen Fund glücklich werden möchte. Er schlug daher den Weg nach der Stadt ein, vollbrachte sein Geschäft und kaufte sich zwei große irdene Flaschen nebst Trichter und verfügte sich noch vor Sonnenuntergang in das alte Schloß, wo er alles gerade so wiederfand, als das erstemal. Ungesäumt füllte er seine beiden Flaschen mit Wein, welche etwa zwanzig Maaß fassen konnten, hierauf wollte er den Keller verlassen. Aber im Umdrehen sah er plötzlich an der Treppe, also daß sie ihm den Gang sperrten, drei alte Männer an einem kleinen Tische sitzen, vor ihnen lag eine schwarze mit Kreide beschriebene Tafel. Der Bürger erschrak heftig, hätte gern allen Wein im Stich gelassen, hub an inbrünstig zu beten und die Kellerherrn um Verzeihung zu bitten. Da sprach einer aus den dreien, welcher einen langen Bart, eine Ledermütze auf dem Haupt und einen schwarzen Rock anhatte: komm so oft du wilt, so sollst du allzeit erhalten, was dir und den deinen vonnöthen ist. Hierauf verschwand das ganze Gesicht. Patzeber konnte frei und ungehindert fortgehen und gelangte glücklich heim zu seinem Weibe, dem er alles erzählte, was ihm begegnet war. Anfangs verabscheute die Frau diesen Wein, als sie aber sah, wie ohne Schaden sich ihr Hauswirth daran labte, versuchte sie ihn auch und gab allen ihren Hausgenossen dessen zu trinken. Als nun der Vorrath all wurde, nahm er getrost die zwei irdenen Krüge, ging wieder [22] in den Keller und füllte von neuem und das geschah etlichemal ein ganzes Jahr durch; dieser Trunk, der einer kaiserlichen Tafel wohl gestanden hätte, kostete ihn keinen Heller. Einmal aber besuchten ihn drei Nachbaren, denen er von seinem Gnadentrunk zubrachte, und die ihn so trefflich fanden, daß sie Verdacht schöpften und argwohnten, er sey auf unrechtem Wege dazu gekommen. Weil sie ihm ohnedeß feind waren, gingen sie aufs Rathhaus und verklagten ihn, der Bürger erschien und verhehlte nicht, wie er zu dem Wein gelangt war, obgleich er innerlich dachte, daß er nun den letzten geholt haben würde. Der Rath ließ von dem Wein vor Gericht bringen und befand einstimmig, daß dergleichen im Lande nirgends anzutreffen wäre. Also mußten sie zwar den Mann nach abgelegtem Eid heim entlassen, gaben ihm aber auf, mit seinen Flaschen nochmals den vorigen Weg zu unternehmen. Er machte sich auch dahin, aber weder Treppe noch Keller war dort zu spüren und er empfing unsichtbare Schläge, die ihn betäubt und halbtodt zu Boden strecktn. Als er so lange Zeit lag, bedäuchte ihn den vorigen Keller, aber fern in einer Tiefe, zu erblicken, die drei Männer saßen wieder da und kreideten still und schweigend bei einer hellen Lampe auf dem Tisch, als hätten sie eine wichtige Rechnung zu schließen; zuletzt wischten sie alle Ziffern aus und zogen ein Creuz über die ganze Tafel, welche sie hernach bei Seite stellten. Einer stand auf, öffnete drei Schlösser an einer eisernen Thür und man hörte Geld klingen. Auf [23] einer anderen Treppe kam dann dieser alte Mann heraus zu dem auf der Erde liegenden Bürger, zählte ihm 30 Thaler in den Hut, ließ aber nicht den geringsten Laut von sich hören. Hiermit verschwand das Gesicht und die salurner Uhr aus der Ferne schlug eilf. Der Bürger raffte sich auf und kroch aus den Mauern, auf der Höhe sah er einen ganzen Leichenzug mit Lichtern vorbeiwallen und deutete das auf seinen eigenen Tod. Inzwischen kam er nach und nach auf die Landstraße und wartete auf Leute, die ihn nach Haus schleppten. Darauf berichtete er dem Rath den ganzen Verlauf und die 30 alten Thaler bewiesen deutlich, daß sie ihm von keiner oberirdischen Hand waren gegeben worden. Man sandte des folgenden Tags acht beherzte Männer aus zu der Stelle, die gleichwohl nicht die mindeste Spuren entdeckten, außer in einer Ecke der Trümmer die beiden irdenen Flaschen liegen fanden und zum Wahrzeichen mitbrachten. Der Patzeber starb zehen Tage darauf und mußte die Weinzeche mit seinem Leben zahlen; das gemachte große Creuz hatte die Zahl der zehn Tage vielleicht vorbedeutet.