Der Zaubermord am Teufelssee vor dem Schwurgericht zu Potsdam

Textdaten
Autor: Hugo Friedländer
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Titel: Der Zaubermord am Teufelssee vor dem Schwurgericht zu Potsdam
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aus: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 8, Seite 292–318
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Erscheinungsdatum: 1913
Verlag: Hermann Barsdorf
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Erscheinungsort: Berlin
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Quelle: Google-USA*, Commons
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Der Zaubermord am Teufelssee vor dem Schwurgericht zu Potsdam.
(22. und 23. Juni 1900.)

Unter dem Titel: „Das spiritistische Medium Anna Rothe“ habe ich bereits im ersten Bande darauf hingewiesen, daß in der Hauptstadt des Deutschen Reiches, die man auch als „Metropole der Intelligenz“ bezeichnet, das Kartenlegen ungemein verbreitet ist. Das Kartenlegen, das nicht bloß von Frauen, sondern auch von Männern betrieben wird, soll selbst in Berlin noch ein sehr lukratives Geschäft sein. Es gibt in Berlin eine Anzahl Kartenlegerinnen, bei denen der Andrang so groß ist, daß sie elegante geräumige Wohnungen mit zwei großen Empfangszimmern haben. Eine elegant gekleidete „Empfangsdame“ mit weltstädtischen Manieren macht die Honneurs. Diese Dame sortiert die Eintretenden mit Kennerblick nach ihrer Zahlungsfähigkeit, da ein Empfangszimmer für die Wohlhabenden, ein zweites für die Minderbemittelten bestimmt ist. „Sind Sie angemeldet und zu welcher Zeit?“ fragt die Empfangsdame die Eintretenden. Wenn diese Frage von einer Dame oder Herrn, die als minder zahlungsfähig erscheinen, verneint wird, dann erhalten sie gewöhnlich zur Antwort: „Sie werden alsdann sehr lange warten müssen, wenn Sie es nicht vorziehen, sich für einen späteren Tag anzumelden.“

Es soll in Berlin Kartenlegerinnen geben, die nicht nur ein großes Haus führen, die auch ihre Söhne das Gymnasium besuchen, studieren und als Einjährig-Freiwillige dienen lassen. Der Sohn einer dieser Berliner „Sybillen“ soll an der Berliner Börse vereideter Makler sein. Solange sich der Hokuspokus auf das Kartenlegen beschränkt, ist er verhältnismäßig harmlos, so bedauerlich es auch ist, daß im zwanzigsten Jahrhundert weite Volkskreise noch so tief im Aberglauben stecken. Oftmals haben aber auch „harmlose Kartenlegerinnen“ junge Frauen und Mädchen durch ihre Sehergabe in den Tod getrieben, weil aus den Karten die Untreue des Gatten oder Bräutigams zu ersehen war. Weniger harmlos ist es, wenn einer armen Frau der Rat erteilt wird: sie müsse, wenn sie haben wolle, daß ihr erkranktes Kind oder erkrankter Gatte wieder genesen solle, ein Bett verbrennen, oder der „Sybille“ eine größere Summe Geldes opfern. Vor kurzer Zeit hat sich eine Sybille in Berlin von einer armen Frau dreihundert Mark geben lassen, da sich alsdann die Untreue des Mannes wieder in glühende Liebe verwandeln werde. Daß armen Näherinnen, Dienstmädchen und ähnlichen Proletarierinnen ihre sauer erworbenen Spargroschen abgeschwindelt werden, da sie nur durch Erlegung einer größeren Geldsumme sich die Liebe und ewige Treue ihres Bräutigams erhalten können, ist allbekannt.

Vor noch nicht langer Zeit sprach bei einem Dienstmädchen in einer kleinen Stadt in Deutsch-Böhmen eine Zigeunerin vor. Das liebesdurstige Mädchen ließ sich von der klugen Frau sogleich die Karten legen und auch aus den Handlinien die Zukunft prophezeien. Die Zigeunerin sagte dem Mädchen: Es sei ihr ein Graf als Gatte beschieden. Das Mädchen müsse ihr aber sechshundert Kronen in Gold geben. Dies Geld werde sie (die Zigeunerin) in einen Beutel einhüllen und einen Talisman um den Beutel wickeln und endlich einen Laubfrosch in das Bierglas setzen. Alsdann werde sie die Zauberformel sprechen. Daraufhin müsse das Mädchen das Bierglas an einem verborgenen Ort aufbewahren und strengstes Stillschweigen beobachten. Nach vierzehn Tagen werde aus dem Laubfrosch ein

engelschöner junger Graf

entstehen und das Mädchen nach seinem feenhaften Schloß als Gattin heimführen. Für diese Prozedur sollte das Mädchen der Zigeunerin drei Kronen zahlen.

Sechshundert Goldkronen betrugen die Ersparnisse des Mädchens. Diese holte es und noch drei Kronen eiligst herbei. Die Zigeunerin hatte im Handumdrehen den Hokuspokus vollendet. Nachdem sie dem abergläubischen Mädchen nochmals eingeschärft hatte, das Bierglas in einem ganz verborgenen Ort aufzubewahren, niemandem etwas von der Angelegenheit mitzuteilen und erst nach Ablauf von vollen vierzehn Tagen das Glas zu öffnen, verabschiedete sie sich. Das einfältige Mädchen sah sich schon im Geiste als Gattin an der Seite eines engelschönen, jungen Grafen in einem feenhaften Grafenschloße, das von Wäldern umgeben, von Seen durchrauscht war. Nachdem vierzehn Tage vergangen, begab sich das Mädchen herzklopfend an den verborgenen Ort, an dem es das Bierglas aufbewahrt hatte. Allein zur großen Betrübnis des Mädchens hatte sich der Laubfrosch noch immer nicht in einen jungen Grafen verwandelt. Das Mädchen wartete nochmals vierzehn Tage. Als aber auch nach dieser Zeit die heiß ersehnte Verwandlung nicht eingetreten war, stiegen dem Mädchen doch Bedenken auf. Es öffnete das Glas und gewahrte zu seinem Schreck, daß in dem Beutel anstatt der sechshundert Kronen eine Anzahl – Bleiknöpfe enthalten waren. Das Mädchen lief mit dem Bierglas zur Polizei. Die Polizeibeamten konnten sich des lauten Lachens nicht enthalten, als ihnen das Mädchen die Geschichte erzählte und laut jammerte, daß der Laubfrosch sich nicht in einen jungen Grafen verwandeln wolle. Es gelang nach einiger Zeit die betrügerische Zigeunerin festzunehmen. Die sechshundert Kronen waren jedoch für immer verschwunden. Als das Mädchen, laut weinend, im Gerichtssaal als Zeugin erschien, suchte es die Zigeunerin mit den Worten zu trösten: Die Verwandlung des Laubfrosches in einen jungen Grafen habe nur eine Verzögerung erlitten, sie werde aber sicherlich, wenn auch erst nach einiger Zeit, erfolgen. Der Staatsanwalt und die Richter konnten sich bei dieser Versicherung eines Lächelns nicht erwehren. Die Zigeunerin wurde zu zwanzig Monaten Gefängnis verurteilt.

Daß ein solcher, geradezu unglaublicher Blödsinn nicht bloß in Böhmen möglich ist, davon legte folgendes Vorkommnis Zeugnis ab, das vor einigen Jahren vor den Toren Berlins passierte. Wir stecken eben leider noch mit einem Fuß im Aberglauben des Mittelalters. Wenn heute ein Mann wie Johann Tetzel Ablaßbriefe verkaufte, dann würde er selbst in Berlin, und zwar bei den Angehörigen aller Konfessionen zahlreiche Abnahme finden.

Im Potsdamer Forst fließt, von dichtem Wald umgeben, ein kleiner Bach, genannt

der Teufelssee.

Obwohl in dieser idyllischen Gegend sich ein Försterhaus befindet, so liegt doch das Gewässer etwas abseits, so daß nur wenige Spaziergänger ihre Schritte in diese Gegend lenken. Anfangs April 1900 wurde am Ufer des Teufelssee eine weibliche Leiche gefunden. Der Leichnam war zum Teil schon in Verwesung übergegangen. Offenbar hatten Füchse bereits den Leichnam angefressen, denn es fehlten die Ohrmuscheln und die Finger der linken Hand. Man glaubte, die Verstorbene habe Selbstmord begangen. Sehr bald wurde jedoch festgestellt, daß die Verstorbene, ein Fräulein Luise Bergner aus Berlin, einem Verbrechen zum Opfer gefallen war. Fräulein Bergner war Schneiderin. Sie war 32 Jahre alt. Sie wohnte in Berlin in der Reichenbergerstraße 177 im Hinterhause. Sie war ungemein fleißig und lebte vollständig zurückgezogen. Nur hin und wieder ging sie zu einer in der Naunynstraße wohnenden Kartenlegerin. Dort lernte sie den 23 jährigen Töpfergesellen Eugen Jänicke kennen. Dieser betrieb auch das einträgliche Gewerbe des Kartenlegens. Er redete der abergläubischen Bergner vor: Seine Sehergabe beschränke sich nicht aufs Kartenlegen. Er sei auch Zauberer. Es sei ihm ein Leichtes, mittels Zauberformel eine halbe Million Gold ihr zu Füßen zu zaubern. Er habe auch ein untrügliches System, durch dessen Anwendung große Lotteriegewinne sich aus dem Glücksrade hervorzaubern lassen. Er verstehe es auch glühende Liebe herbeizuzaubern, wo bisher starke Abneigung vorhanden war. Fräulein Bergner versuchte es zunächst mit dem Zauber des Lotteriegewinns. Allein, trotz großer Geldaufwendung versagte dieser Zauber. Trotzdem ließ sich Fräulein Bergner bewegen, am Morgen des 21. März 1900 mit Jänicke nach dem Teufelssee zu fahren. Jänicke nahm sich seinen zehnjährigen Pflegesohn, namens Bruno Misch, mit. Als sie alle drei in der Nähe des Teufelssees angelangt waren, verschwand Jänicke plötzlich in einem Waldesdickicht. Sehr bald erschien er in einer Mönchskutte und einer Larve angetan, mit einem Zauberbuch in der Hand. Er sprach laut einige Zauberformeln und breitete segnend die Hände über Fräulein Bergner aus. Alsdann gab er ihr ein weißliches Pulver, mit dem Bemerken: Sie werde, sobald sie das Pulver verschluckt habe, in einen tiefen Schlaf verfallen. Nach einigen Stunden werde sie aufwachen. Alsdann werden Engel um sie herumtanzen und ein Berg von Gold werde zu ihren Füßen liegen.

Fräulein Bergner nahm das Pulver. Kaum war sie darauf wenige Schritt gegangen, da fiel sie, laut stöhnend, zur Erde. Sie geriet in konvulsivische Zuckungen und war nach wenigen Minuten tot. Jänicke nahm der Leiche das Geld, Wertsachen und die Wohnungsschlüssel ab und fuhr mit seinem Pflegesohn nach Berlin zurück. Er begab sich sogleich in die Wohnung der Bergner und stahl dort alles, was nicht niet- und

nagelfest war. Hausbewohnern sagte er auf deren Befragen: er sei von Fräulein Bergner beauftragt, Arbeit fortzutragen. Der Kriminalpolizei gelang es sehr bald, festzustellen, daß Jänicke der Mörder der Bergner sei. Jänicke wurde verhaftet und die
Anklage wegen Mordes und Raubes
gegen ihn erhoben. Am 22. und 23. Juni 1900 hatte er sich vor dem Schwurgericht zu Potsdam zu verantworten. Den Vorsitz des Gerichtshofes führte Landgerichtsrat Rademacher. Die Anklage vertrat Erster Staatsanwalt Dr. v. Ditfurth. Die Verteidigung führte in Vertretung des Justizrats Aßmy Gerichtsassessor Dr. Baum. Es war erklärlich, daß der Andrang des Publikums zu dieser eigenartigen Verhandlung ungeheuer war. Jänicke, ein schlank gewachsener junger Mann mit etwas melancholischem Gesichtsausdruck, gab auf Befragen des Vorsitzenden an:

Er sei am 2. September 1876 in Nowawes, wo seine Eltern noch leben, geboren. Er war früher Töpfer und habe sich zuletzt als Arbeiter ernährt. Er sei evangelischer Religion, nicht Soldat gewesen, verheiratet und einmal wegen Diebstahls mit sieben Tagen, einmal wegen Körperverletzung mit einem Tage Gefängnis bestraft.

Der Vorsitzende stellte jedoch fest, daß der Angeklagte außerdem im Jahre 1895 zu Potsdam wegen Diebstahls an einem Bett mit einer Woche, in Hamburg 1897 wegen Diebstahls an zwei Jacketts, in demselben Jahre wegen Bodendiebstahls mit sechs Monaten, außerdem wegen Körperverletzung mit einem Tag Gefängnis bestraft war. – Auf Befragen des Vorsitzenden erklärte der Angeklagte weiter: Er sei seit Juli 1899 verheiratet; seit dem 1. Oktober 1899 versehe er in Berlin eine Portierstelle, wofür er freie Wohnung und drei Mark wöchentlich erhalte. Daneben arbeitete er von Weihnachten bis Februar in der Gewehrfabrik von Ludwig Löwe, bis seine Frau krank wurde. – Vors.: Sie haben Annoncen erlassen, wonach Sie sich zum Kartenlegen erbieten. Konnten Sie denn Karten legen? – Angekl.: Jawohl! Ich lege Karten und sage aus dem Ei wahr. – Vors.: Wie machen Sie denn das? – Angekl.: Ich schlage das Ei ins Wasser. – Vors.: Wann haben Sie die Luise Bergner kennen gelernt? – Angekl.: Ich lernte sie im Februar kennen. Sie wollte Karten gelegt haben, das tat ich. – Vors.: Was haben Sie ihr denn prophezeit? – Angekl.: Aus den Karten war zu sehen, daß sie bald neue Arbeit erhalten werde, und das ist auch eingetroffen. – Vors.: Hat Fräulein Bergner Ihnen Geld bezahlt? – Angekl.: Jawohl. Sie hat mir nachher mehr bezahlt, weil sie von mir Aufschlüsse über die Kartenlegerin Frau Cordus haben wollte, mit welcher sie Lotterie spielte. – Vors.: Sie haben ja wohl dann selbst mit der Bergner Lotterie spielen sollen. Wie kam das? – Angekl.: Weil ich aus ihrer Hand und aus den Karten ersah, daß sie Glück habe. – Vors.: Sie hat Ihnen 40 Mark für ein Los der preußischen Lotterie gezahlt. Das Geld haben Sie aber für sich verwendet? – Angekl.: Ja.

Vors.: Glaubten Sie denn mit der Bergner zu gewinnen? Angekl.: Ja; ich habe mit ihr Aachener Lotterie gespielt und ein Sympathiemittel zum Gewinnen angewendet. – Vors.: Was ist denn das für ein Mittel? – Angekl.: Die Lose müssen Dämpfen aus Stechapfelblättern, Myrrhen und Weihrauch ausgesetzt werden. – Vors.: Wer hat Ihnen denn zu diesen Narrenspossen geraten? – Angekl.: Ich kenne dieses Mittel schon von früher. – Vors.: Das Räu- chern half aber nichts? – Angekl.: Nein. Später kam die Bergner öfter zu mir und ich zu ihr. – Vors.: Sie haben ihr dann noch ein Sympathiemittel angegeben unter der Vorspiegelung, daß sie daraus ersehen könne, ob Frau Cordus gegen sie etwas unternehmen würde. Was war das nun wieder? – Angekl.: Sie sollte sich vor den Spiegel stellen und Schwefel und Weinspiritus anzünden. Wenn sie dann etwas im Spiegel sehen würde, könnte sie annehmen, daß Frau Cordus gegen sie etwas vornehmen werde. – Vors.: Sie hatten wohl mit Ihrer Wahrsagerei überhaupt viel zu tun? – Angekl.: Ja, sehr viel, ich hatte den ganzen Tag zu tun, von morgens früh bis abends spät. Die Herrschaften bezahlten, ohne daß ich etwas forderte.

Aus mehreren hierauf zur Verlesung gelangten Briefen, die am Kopfe ein mystisches Sympathiezeichen trugen, ging hervor, daß der Angeklagte der Bergner die tollsten Sachen einzureden verstand. In einem Briefe vom 6. März sagte er, es tue ihm sehr leid, ihr mitteilen zu müssen, daß er Frau Cordus noch nicht aufgefunden habe. Er glaube, man werde schweren Stand mit der Frau haben; er bitte um ihren (der Bergner) Besuch. – Ein Brief der Bergner an den An- geklagten sprach unter anderem davon, daß sie mit der „Flamme“ keine große Mühe gehabt habe. In einem Briefe vom 9. März bat Jänicke um Geld. „Er brauche es wirklich dringend. Wenn sie morgen zu ihm komme, dann solle sie seiner Frau nichts sagen und nichts von den Geschäften sprechen, sonst gelinge es nicht, man müsse zu jedem Dritten stillschweigen, das sei Bedingung.“ Er verlangte 16 Mark und 4 Mark für seine Auslagen.

Darauf muß Fräulein Bergner wohl mißtrauisch gegen die angebliche Zauberei des Angeklagten geworden sein, dafür sprach ein Antwortsbrief des letzteren, in welchem er sehr unangenehm wurde. Jänicke schrieb: Was sie eigentlich von ihm denke, sie habe ihn außerordentlich gekränkt; wenn sie nicht Abbitte leiste, dann wolle er nichts mehr mit ihr zu tun haben. Er gebe ihr zu erwägen, was sie tun wolle. Er sei imstande, sie wohlhabend zu machen und überlasse ihr nun, was sie unternehmen wolle. Entweder vertraue sie ihm und schicke ihm das, was er brauche, oder aber sie rechne auf, was sie ihm bis dahin gegeben, und ihre Verbindung sei abgebrochen.

Der Angeklagte erklärte, daß er nur deshalb zornig auf Fräulein Bergner gewesen sei, weil sie ihm gesagt habe, die Cordus scheine doch besser zaubern zu können als er.

In einem ferneren Briefe teilte er der Bergner mit, daß er ihr ein Serienlos vom Zigeunerhauptmann Petermann verschaffen könne. Sie solle ihm 60 Mark schicken und könne sicher sein, daß sie mindestens 10 000 Mark darauf gewinnen würde. Davon beanspruche er ein Drittel und ein Drittel der Mann, der das Glücksrad drehe. Diesem müsse er doch als Handgeld auch die 60 Mark zahlen. – Es lag dann auch noch ein letzter Brief von der Hand der Bergner vor, in welchem sie schrieb, sie werde kommen und 40 Mark mitbringen.

Vors.: Nun kommen wir zu dem kritischen Tage, an welchem Sie den Hokuspokus am Teufelssee ausführten. Sie sagen, Sie haben ein Zauberbuch gelesen, in welchem von Pygmäen die Rede war. Wissen Sie denn, was Pygmäen sind? – Angekl.: Zwerge. Ich habe solche Zwerge selbst am Teufelssee gesehen.

Vors.: Sie haben wirklich Zwerge am Teufelssee ge- sehen? – Angekl.: Ganz bestimmt, Herr Präsident. –

Vors.: Sie haben nun mit dem Hausdiener Just und der Bergner die Fahrt nach dem Teufelssee und die Beschwörung besprochen. Just hat wohl schon öfter Beschwörungen mit Ihnen vorgenommen? – Angekl.: Jawohl. – Vors.: Was wollten Sie denn durch jene Beschwörung erzielen? – Angek: Die Bergner sollte viel Geld gewinnen, und andererseits sollte sie zur Liebe für Just bewogen werden. – Vors.: Die Bergner hatte einen hohen Grad von Gläubigkeit Ihnen gegenüber bewiesen, Just scheint darin noch weiter gegangen zu sein. – Angekl.: Just hat oft meinen Beschwörungen beigewohnt. – Vors.: Sie haben also alle drei den Plan verabredet und sind wohl auf den Teufelssee gekommen, weil sie diesen rings von Bergen umgebenen, düsteren See kannten. Wann wollen Sie denn die Zwerge gesehen haben? – Angekl.: Schon als Junge. – Vors.: Haben Sie denn niemals von Ihren wunderbaren Erlebnissen jemandem etwas erzählt? – Angekl.: Nein. – Vors.: Kamen denn die Zwerge aus der Luft oder aus dem Wasser oder woher? Was machten sie denn? – Angekl.: Sie spielten umher. – Vors.: Wollen Sie uns wirklich solche törichten Dinge glauben machen? Sollten die Zwerge Ihnen nun das Geld ohne weiteres durch die Beschwörung schaffen? – Angek.: Die Geister sollten das rohe Gold uns zu Füßen legen. – Vors.: Weshalb ist denn der kleine Misch mit bei der Partie gewesen? Bruno Misch war Ihnen von seinem Vater in Pflege gegeben worden? – Angekl.: Ja. Bruno Misch hat öfter solche Beschwörungen mitgemacht und wollte gern auch am Teufelssee dabei sein.

Auf weiteres Befragen erzählte der Angeklagte: Nach Verabredung sei er mit der Bergner und dem Bruno Misch – Just sei nicht erschienen am 21. März 6 Uhr morgens von Berlin mit der Wannseebahn weggefahren und sei um 7 Uhr in Potsdam angekommen. Sie seien am Observatorium vorbei die Telegraphenstangen entlang gegangen nach dem kleinen Ravensberge. Dort am kleinen Turm sei eine Einleitungsbeschwörung vorgenommen worden. Er habe den mitgenommenen Mantel ausgebreitet, mit einem großen, dem Just gehörigen Zaubermesser einen Kreis gezogen und die Bergner dort hinein treten lassen. Er habe sich eine Maske vorgebunden und habe Zauberformeln gesprochen.

Vors.: Sie hatten zwei Flaschen mitgenommen. Was enthielten diese? – Angekl.: Die eine enthielt Strychnin, die andere Blausäure, daraus sollte eine Mixtur gebraut werden, welche die Bergner trinken sollte. – Vors.: Aber konnten Sie als Mensch mit gesunden Sinnen sich denn nicht sagen, daß eine solche Mixtur tötlich sein müsse? – Angekl.: An der Flasche mit Blausäure sollte die Bergner bloß riechen, die Schädlichkeit des Strychnins sollte durch die Blüte von Heidekraut, Fichtennadeln und Harz gemildert werden.

Vors.: Was sollte denn das Riechen an der Blausäure bezwecken? – Angekl.: Das sollte die Sinne anregen. – Vors.: Haben Sie denn derartige Beschwörungen mit Blausäure schon öfter vorgenommen? – Angekl.: Nein, zum ersten Male. – Vors.: Wie kamen Sie dazu? – Angekl.: Weil wir es so verabredet hatten. – Vors.: Haben Sie denn der Bergner gesagt, daß sie Strychnin schlucken sollte? – Angekl.: Jawohl, sie hat es gewußt. – Vors.: Wußte sie überhaupt, was Strychnin ist? – Angekl.: Das weiß ich nicht – Vors.: Sie behaupten, daß Sie die Beschwörung, so wie Sie sie ausgeführt haben, in einem Zauberbuch „Kabale und Liebe oder Dr. Fausts Zaubertrank“ gelesen haben? – Angekl.: Das ist richtig. Ich habe aber auch schon vorher mehrfach mit Giften Zaubereien betrieben. – Vors.: Nennen Sie uns doch einmal einen solchen Fall. – Angekl.: Ich habe einmal einer Frau, die wegen Untreue ihres Mannes zu mir kam, Arsenik gegeben; den hat sie auf Schokolade gesprenkelt, und die Schokolade hat ihr Mann gegessen. – Vors.: Hat das Mittel denn geholfen? – Angekl.: Jawohl! – Vors.: Sie behaupten, daß Sie am Teufelssee einen Zauberspruch abgelesen, den Sie aus Zauberbüchern zusammengestellt haben. Hier liegt vor uns eine Anzahl von Büchern, die bei Just gefunden worden sind und seltsame Titel tragen, wie „Höllenzwang“, „Das 6. und 7. Buch Mosis“, „Zaubersalon von Bellachini“, „Ludwig von Cyprian, des Weltweisen Höllenzwang“, „Faustae Höllenzwang von Dr. Joh. Faust“, „Vollständige Sammlung gedruckter und ungedruckter Geheimmittel“.

Über die weiteren Vorkommnisse am Teufelssee erzählte der Angeklagte auf Befragen des Vorsitzenden: Am See angelangt, habe er einen großen Mantel an einem großen Baum ausgebreitet, und man habe sich, ohne ein Wort zu sagen, gesetzt. Die Bergner habe ihr Portemonnaie weglegen müssen, da man bei dem Zauber Papier und Geld nicht bei sich tragen dürfe. Dann habe er mit dem Zaubermesser einen Kreiß gezogen, und Misch mußte in einer Schale aus dem See Wasser holen. Er und die Bergner tranken das Wasser fast aus, gewissermaßen um sich innerlich zu reinigen. Mit dem Rest des Wassers besprengte er den Kreis. Dann mußte der kleine Misch nochmals Wasser holen. Er mischte die Zaubermixtur in die Schale. Die Bergner mußte dreimal die vorgeschriebene Beschwörungsformel sprechen und dann die Schale in drei Absätzen leeren. Dann ging man in den Wald hinaus. Nach etwa siebzehn Schritten fiel Fräulein Bergner auf das Gesicht. Er habe sie umgedreht, ihre Taille aufgemacht und sie angerufen, ohne daß sie noch ein Lebenszeichen von sich gab. Er habe sich alsdann ihr Portemonnaie, ihre Schlüssel und einen Talisman, den sie um den Hals trug, angeeignet. Letzteren habe er wieder weggeworfen, als er sah, daß es wertloses Papier war. Dann habe er die Schale, die Kutte und die Larve weggeworfen und sei, ohne sich um die am Boden liegende Bergner weiter zu bekümmern, mit dem kleinen Misch schleunigst nach Berlin gefahren. – Vors.: So schlug Ihnen das Gewissen! Und in Ihrer unendlichen Geldgier sind Sie in Berlin sofort in die Wohnung der Bergner geeilt, haben diese mit dem in Ihrem Besitz befindlichen Schlüssel geöffnet und dort nach Herzenslust geplündert? – Angekl.: Der kleine Misch, welcher in meinem Auftrage Tags vorher bei der Bergner gewesen war, hatte mir erzählt, daß in der Küche noch viel Geld liege, und da dachte ich, es wäre doch schade darum, wenn ich das Geld liegen lasse.

Vors.: Von der Beschwörung war bei Ihnen nun nichts mehr zurückgeblieben. Sie dachten jetzt nur noch an sehr Reales: an Geld und Geldeswert. Sie holten sich das Geld aus der Küche der Bergner, nahmen die Stoffe, aus denen Röcke angefertigt werden sollten, in einem großen Bündel an sich, stahlen ferner einen Pfandschein, auf den die Bergner einmal einen Regulator versetzt hatte, und versetzten diese Sachen schleunigst bei einem Pfandleiher.

Darauf kam Just, dem Sie vorgeredet hatten, daß bei ihm eine Beschwörung mit einer weißen Taube stattfinden müsse, um die Bergner in ihn verliebt zu machen. Was haben Sie Just gesagt? – Angekl.: Ich sagte ihm, ich sei mit der Beschwörung am Teufelssee nicht sehr zufrieden. Just konnte an diesem Tage nicht mit hinausfahren, und so sollte die Beschwörung mit der weißen Taube am nächsten Tage vor sich gehen. – Vors.: Wollten Sie nicht etwa den Just auch beiseite bringen, da er Ihnen ein unbequemer Zeuge sein konnte? – Angekl.: Nein. – Vors.: Hatten Sie nicht etwa auch wieder eine Flasche Blausäure oder Strychnin bei sich? – Angekl.: Nein. – Vors.: Na, in die Tasche konnte Ihnen niemand sehen. Sie sind nun mit Just ganz dicht in die Nähe des Ortes gekommen, wo Ihre Beschwörung mißlang. Haben Sie den geringsten Versuch gemacht, sich nach dem Schicksal der armen Bergner zu erkundigen? – Angekl.: Nein. – Vors.: Wohl aber haben Sie den Mut gehabt, jetzt noch den Hokuspokus mit Just vorzunehmen, der Ihnen wahrscheinlich sehr unbequem werden konnte. Wollten Sie denn wirklich eine Beschwörung mit der Taube vornehmen? – Angekl.: Jawohl. Die Taube sollte geopfert werden. – Vors.: Was wurde denn aus der Taube? – Angekl.: Die hat Just aus Versehen fliegen lassen, und dann sind wir nach Hause gefahren. – Vors.: Sie haben dem Just über das Schicksal der Bergner alles Mögliche vorgeschwindelt und ihm aufgebunden: der Geist sei zornig geworden und habe die Bergner in einer Flamme davongetragen.Angekl.: Jawohl.

Der Angeklagte gab auf weiteres Befragen des Vorsitzenden zu: daß er beim Verlassen der Bergnerschen Wohnung den Verdacht der dort wohnenden Frau Beck und des Hauswirts erregt hatte, daß Frau Beck ihn eines Tages begleitete, er aber auf dem Wege ihr entwischte, und daß er dann schleunigst von Berlin nach Dalmin zu seinen Eltern abgereist sei. – Der Vorsitzende stellte fest, daß der Angeklagte sich mit dem Gedanken getragen habe, in Kopenhagen, Christiania oder in der Schweiz Arbeit zu suchen, und daß er durch einen schlauen Coup, nämlich einen nach Berlin geschickten, angeblich von seiner Frau herrührenden, aber von ihm selbst geschriebenen Brief versucht habe, falsche Gerüchte über seinen Verbleib zu verbreiten. Der Angeklagte blieb dabei, daß er die Beschwörungsformel aus einem von Just erhaltenen Buche entnommen habe. Bei seiner Abreise von Berlin hatte er das Pflegekind Misch und außerdem noch ein zweites (Säuglings-)Pflegekind mitgenommen.

Auf Befragen des Vorsitzenden bezeichnete der Angeklagte ein bestimmtes Buch, aus welchem er die Beschwörungsformel entnommen habe. Diese zur Verlesung gebrachte Formel war eine Zusammenstellung des unglaublichsten Unsinns. Als Rezept zur Herstellung des Steins der Weisen wurde angegeben: „Nimm einen ganz neuen irdenen Topf, mische hinein Scheidewasser und lasse es eine halbe Stunde kochen, dann drei Unzen Grünspan und 2½, Unzen Arsenik. Koche es eine halbe Stunde auf, 3 Unzen Eichenrinde und 1 Pack Rosenwasser. Lasse es wieder eine Viertelstunde kochen, ferner 3 Unzen Rauchschwarz und stecke in die Mixtur einen Nagel. Wenn er rostet, dann ist es gut, dann gibt es 1½ Pfund Gold.“

Der Verteidiger teilte unter Vorbehalt eines Antrages mit, daß dem Universitätsprofessor Dr. Levin ein Fall aus dem Mittelalter bekannt sei, daß zu einem Zaubertrank strychninhaltige Krähenaugen verwendet worden seien. Zwischen den mittelalterlichen und den heutigen Zauberbüchern bestehe eine Kontinuität. – Der Angeklagte erklärte auf eine Frage des Vorsitzenden, daß Kartenlegen, Sympathiemittel und derartige Weisheiten in seiner Familie erblich seien.

Kreisphysikus Sanitätsrat Dr. Passauer und Dr. med. Schlichtling gaben Auskunft über den Befund der Leiche bei ihrer Auffindung. Die Obduktion hatte einen besonderen Anhalt für eine Vergiftung nicht gegeben; als Todesursache war Erfrieren angenommen. Dr. Passauer hatte auch den Angeklagten, der angab, wiederholt an epileptischen Anfällen zu leiden, auf seinen Geisteszustand untersucht, aber keine Spur einer ernsteren Störung feststellen können. Eine längere Beobachtung des Geisteszustandes hielt Dr. Passauer nicht für geboten.

Der Verteidiger hielt es, angesichts der ganzen Sachlage und mit Rücksicht auf die von dem Angeklagten behaupteten Anfälle, für geboten, noch einen Psychiater mit einer längeren Beobachtung des Angeklagten zu betrauen. – Vors.: Jänicke, trauen Sie sich denn selbst einen unklaren Verstand zu? – Angekl.: Weiter nicht, als daß ich die Geister gesehen habe. – Der als Zeuge vernommene Untersuchungsrichter, Landgerichtsrat Gillischewski bekundete, daß er während der ganzen Dauer der Voruntersuchung keinerlei Bedenken bezüglich der Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten gehabt habe. Der Verteidiger stellte den bestimmten Antrag auf psychiatrische Untersuchung des Angeklagten. Der Gerichtshof behielt sich die Beschlußfassung über den Antrag bis nach Schluß der Beweisaufnahme vor.

Gerichtschemiker Dr. Bischoff (Berlin) gab eine Darstellung von der Methode, wie er in der Leiche nach ihrer Exhumierung Strychnin in solcher Menge gefunden habe, daß schon die Hälfte des Quantums tötlich wirken mußte. Er hielt es für möglich, daß nicht das erste Hinfallen der Bergner ihren Tod bedeutet habe, sondern daß dieser erst nach 10 bis 15 Minuten eingetreten sein dürfte. Die von ihm gleichfalls untersuchte Schale hatte ebenfalls Spuren von Strychnin ergeben, aber keine Spuren anderer Zutaten, wie Haidekrautblüten, Fichtennadeln usw.

Als erster Zeuge wurde der zehnjährige Bruno Misch, der bei Jänicke in Pflege war, vernommen. Der Knabe, der ein ziemlich intelligentes Äußere hatte, bekundete auf Befragen des Vorsitzenden: Er sei mehrfach vom Angeklagten zur Bergner geschickt worden, um Geld zu holen, er habe auch solches bekommen. Er sei auch einmal mit bei Just gewesen und habe gesehen, daß dort mit einer Flüssigkeit, die aus einer Flasche gegossen wurde, geräuchert worden sei. Als Jänicke die Partie nach dem Teufelssee machte, habe Frau Jänicke ihn (den Jungen) mitgeschickt, damit dem Angeklagten nichts passiere. Von der „Vorbeschwörung“ am Teufelssee wisse er nichts. Bei der richtigen Beschwörung habe Jänicke die Kutte und die Maske angelegt, und als er in die kleine, mit Wasser gefüllte Schale das weiße Pulver hineinstreute, habe er sich erst nach der Bergner umgesehen, damit diese nichts sähe. Jänicke habe dann die Schale der Bergner gereicht und gesagt, sie solle aber auch alles austrinken und keinen Tropfen darin lassen. Sie tat es; sie mußte die Schale über ihren Rücken werfen und ihm folgen. Nach etwa fünfzehn Schritten sei die Bergner niedergestürzt. Jänicke habe gesagt, sie werde wohl ein Gespenst gesehen haben. Jänicke habe ihr etwas vom Halse abgebunden, was schwarz aussah und aus Zeug bestand, und habe es weggeworfen, indem er sagte, davon sei sie gewiß ohnmächtig geworden. Sie seien alsdann beide von der Bergner weggelaufen und nach Berlin gefahren. Unterwegs habe ihn Jänicke gefragt, ob die Bergner Geld habe, und wo es liege. Sie seien dann sofort in die Bergnersche Wohnung gegangen. Jänicke habe das Geld genommen; er (der kleine Zeuge) habe ihm beim Wegschaffen der Sachen nach der Pfandleihe, wo Jänicke etwa 28 Mark erhielt, geholfen. Er sei von Jänicke aufgefordert worden, nichts von dem Vorgefallenen zu sagen, sonst käme er auch ins Gefängnis. Er habe 1,05 Mark von dem Angeklagten erhalten. Aus Furcht habe er bei seiner ersten Vernehmung vor dem Untersuchungsrichter nicht gleich die Wahrheit gesagt.

Diener Hermann Just, augenblicklich außer Stellung, bekundete: Er habe Jänicke im Februar infolge einer Annonce kennen gelernt, in welcher er sich als „Zigeuner Jänicke“ zum Kartenlegen und Eideuten anpries. Er glaubte, ein Mittel zu erhalten, um Frauen und Mädchen Liebe zu ihm einzuflößen. Der Angeklagte sagte, daß er das machen könne, und gab ihm ein rötliches Pulver, womit er einen Brief schreiben und den Brief einen Tag liegen lassen sollte. Außerdem sollte er eine Blume in eine rötliche Flüssigkeit stecken und trocknen lassen und sie in den Brief legen. Er habe 5 oder 6 Mark dafür bezahlt.

Vors.: Haben Sie das Mittel auch probiert? – Zeuge: Ja, mit einem Mädchen in der Perlebergerstraße, es hat aber nichts genutzt. (Heiterkeit.) – Vors.: Was geschah nun, als das Mittel versagte? – Zeuge: Dann gab mir Jänicke ein Pulver, welches nach Naphthalin roch, und das ich auf die Treppenstufen streuen sollte. – Vors.: Haben Sie es auch getan? – Zeuge: Jawohl, mit einer älteren reichen Dame, aber es hat nicht gewirkt. (Heiterkeit.) – Vors.: Was geschah dann? – Zeuge: Jänicke sagte, dann müssen wir die Geister beschwören, wenn ich Mut habe. Er räucherte mit einer Flüssigkeit, ich mußte „,Mephisto“ sagen, aber der Geist kam nicht. – Vors.: Warum denn nicht? – Zeuge: Er sagte, ich müßte den Geist erzürnt haben, und es müsse nochmals versucht werden. Ich mußte mit Blut einen Zettel schreiben, der etwa folgenden Wortlaut hatte: „Lieber Geist, ich wünsche von Dir, daß Frau Friederike v. B. von dieser Stunde an bis ans Ende mich liebt über alles und alle meine Wünsche sofort erfüllt. Sie soll für mich sorgen und mir sofort aus Liebe zu mir 150 Mark schenken. Später sollen Frau H. und Frau G. mich lieben mit der ganzen Glut ihres Herzens. Diese drei Weiber sollen keinen anderen lieben als mich allein. Lieber Geist, wenn du es machst, daß alle diese Weiber ohne mich keine Ruhe haben, so will ich dir ewig dienstbar sein.“ – Vors.: Nun, konnten Sie sich denn nicht selbst sagen, daß ein so unglaublicher Unsinn Ihnen nicht helfen konnte? – Zeuge: Geholfen hat’s ja allerdings nicht. (Heiterkeit.) – Der Zeuge erzählte auf weiteres Befragen des Vorsitzenden, daß Jänicke ihm alsdann gesagt habe, es müsse der Geist zunächst versöhnt werden. – Vors. Haben Sie dem Jänicke nochmals Geld gegeben? – Zeuge 15 Mark. – Vors.: Haben Sie für den Angeklagten einmal Blausäure und Strychnin besorgt? – Zeuge: Jawohl, die Blausäure für den Hund und das Strychnin für Mäuse. Wenn der Angeklagte seine Beschwörungen vornahm, murmelte er immer unverständliche Worte. Einmal sagte er, er habe den Geist in Gestalt einer schwarzen Katze mit großem Schwanz auf meiner Schulter gesehen, ich habe aber nichts davon gemerkt. (Heiterkeit.) – Vors.: Ist Ihnen noch nicht klar geworden, daß Sie das Opfer eines unglaublichen Schwindels geworden waren? – Zeuge: Ich war in Jänickes Bann. –

Der Zeuge bekundete ferner auf Befragen: Der Angeklagte habe ihm in Aussicht gestellt, daß er mit Hilfe der Zwerge am Teufelssee den Geist versöhnen und bare 150 Mark erlangen könnte. Er habe sich infolgedessen mit dem Angeklagten auf den Weg gemacht. In Nowaweß habe er eine weiße Taube gekauft. Darauf seien sie beide nach dem Teufelssee gegangen. Dort umschritten Sie den See. Jänicke kniete nieder, murmelte einige unverständliche Worte und befahl ihm, die Taube fliegen zu lassen. Nachdem das geschehen war, sagte Jänicke: „Sie haben nun erreicht, wonach sich Tausende sehnen.“ Der Geist sei aber nicht erschienen. Als er Jänicke deshalb befragte, versetzte dieser: Desto besser; wäre der Geist erschienen, dann wäre es Ihnen ebenso wie der Bergner ergangen. Er (Zeuge) habe dem Angeklagten am 16. März Gift besorgt. Jänicke habe aber nicht gesagt, daß jemand das Gift bei der Beschwörung einnehmen solle. –

Kriminal-Polizeiinspektor Braun (Berlin) berichtete über die von der Kriminalpolizei angestellten Recherchen nach der vermißten Bergner und über die schließliche Verhaftung des Jänicke. Die Polizei sei der Ansicht, Jänicke wollte auch Just nach dem Teufelssee führen, um diesen dort ebenfalls verschwinden zu lassen. Jänicke mag der Ansicht gewesen sein, daß, wenn beide Leichen nebeneinander liegen, man auf ein mit doppeltem Selbstmord geendetes Liebesdrama schließen werde. Er (Polizeiinspektor Braun) halte den Angeklagten keineswegs für geisteskrank, sondern für einen ganz verschmitzten Menschen, der auf die Dummheit der Menschen spekuliert habe, um möglichst viel Geld herauszuschlagen. – Kriminalkommissar Hippe: Jänicke habe bei seiner ersten Vernehmung vor dem Amtsgericht zu Perleberg alles bestritten. Auf dem Transport nach Berlin habe er schließlich zugegeben, daß die Bergner durch seine Schuld ihr Leben eingebüßt habe. –

Die nächste Zeugin, Fräulein Schnelle bekundete: Sie habe mit der Bergner in ein und demselben Hause in Berlin gewohnt und sie auch näher gekannt. Sie war ungemein solide und fleißig und lebte sehr zurückgezogen. Kurz vor Weihnachten 1899 habe sie der Bergner 124 Mark geliehen, da sie infolge Mangel an Arbeit in Not war. Sie habe der Bergner das Geld auf ihr ehrliches Gesicht geliehen; die Bergner scheine das Geld für Zauberei verwendet zu haben. Sie (Zeugin) habe sich auch von Frau Cordus die Karten legen lassen. Sie sei der Ansicht, daß sie von Frau Cordus beim Lotteriespiel „bemogelt“ worden sei. –

Ein Zeuge bekundete: Jänicke schien die Absicht gehabt zu haben, die Wohnung der Bergner vollständig auszuräumen, denn er hatte bereits einen Möbelwagen bestellt. – Es erschien darauf als Zeugin

Zigeunerin Cordus:

Sie bekundete auf Befragen des Vorsitzenden: Sie sei 34 Jahre alt, katholischer Konfession und wegen der Lotterielos-Affäre, die sie mit Fräulein Schnelle hatte, mit 50 Mark Geldstrafe bestraft worden. Sie habe das Kartenlegen von einer alten Frau gelernt und bezeichne sich in ihren Annoncen als „Zigeunerin“. Sie glaubte hierzu eine gewisse Berechtigung zu haben, da ihre Eltern als Steinschläger 23 Jahre in der Welt herumgereist seien. Sie sei auch allgemein als „Zigeunerkind“ bezeichnet worden. Sie sei in einer Erdhöhle bei Allenstein geboren. Sie sage auch aus der Hand wahr. Sie bestreite entschieden, Jänicke zu kennen, dagegen kannte sie die Bergner sehr gut. Sie habe sich von dieser mehrfach Blusen anfertigen lassen und ihr auch oftmals die Karten gelegt, wofür Fräulein Bergner je 30 bis 50 Pfennige bezahlte. Sie bestreite die Behauptung des Angeklagten, daß sie der Bergner den Talisman, den diese um den Hals getragen, geschenkt habe. Ebenso sei es unwahr, daß sie noch einen zweiten Talisman, in Gestalt einer Kokusnuß „gegen Neid und Mißgunst im Hause“ besitze.

Am zweiten Tage der Verhandlung bekundete Forstauf- seher Bohm: Er habe die Leiche der Bergner am 29. März im Walde, in unmittelbarer Nähe des Teufelsees gefunden. Die Leiche befand sich in grausigem Zustande. Die Verzerrung des Gesichts ließ darauf schließen, daß die Bergner an Krämpfen gestorben sei. – Handlungsgehilfe Luck, von der Firma Schütt & Kindermann, für die die Bergner gearbeitet hatte, bekundete: Die Bergner sei eine sehr fleißige, saubere Arbeiterin gewesen, die 20 bis 30 Mk. pro Woche verdiente. Sie hatte noch 25 Röcke zum Selbstkostenpreise von 10,50 Mk. per Rock in ihrer Wohnung, so daß die von dem Angeklagten gestohlene Ware einen Wert von 262,50 Mk. hatte. Der Angeklagte habe diese Waren in 2 Abteilungen für zusammen 29 Mk. versetzt. Die Bergner habe keineswegs „gehungert“, wie sie nach Jänickes Behauptungen gesagt haben soll, sie hatte von Weihnachten bis zu der Katastrophe 216 Mk. Arbeitslohn verdient.

Die hierauf vernommenen Lehrer des Knaben Misch bezeichneten diesen als fleißig und wahrheitsliebend. – Frau Beck: Bei der Bergner sei einmal ein junger Mann gewesen, der mit ihr in Beziehung zu stehen schien. Auf ihre Frage habe die Bergner gesagt, es sei ein Mann aus dem Hause in der Wiener Straße, wo sie früher gewohnt habe. – Der Verteidiger beantragte, durch Vermittelung des Berliner Polizeipräsidiums jenen Mann zu ermitteln und als Zeugen vorzuladen, damit er über seine Beziehungen zur Bergner und namentlich Mitteilung machen solle, ob er auch Gelder von der Bergner erhalten habe. Der Gerichtshof lehnte den Antrag ab.

Es wurde alsdann die Frage erörtert, ob ein Buch „Kabale und Liebe von Dr. Faustulus“, aus dem der Angeklagte die Zauberformeln und die Anleitung zur Herstellung des Beschwörungsmittels entnommen haben wollte, wirklich existierte. Der Staatsanwalt hatte Nachforschungen nach dem Buch angestellt und ein negatives Ergebnis erzielt. Es war nur ein Buch „Zauber und Liebe von Dr. Faustulus“ ermittelt worden, welches aber mit ersterem nicht identisch war. Der Verteidiger betonte: Wenn man dem Angeklagten glaube, daß er nach den Angaben des Zauberbuches gehandelt habe, dann habe er sich nur einer fahrlässigen Tötung schuldig gemacht. Er beantrage daher, einen Herrn F. W. Regler zu Rohna bei Hirschfelde in Sachsen zu vernehmen, daß in dem Katalog einer Hamburger Buchhändler-Firma das Buch „Kabale und Liebe von Dr. Faustulus“ verzeichnet sei. – Der Verteidiger beantragte ferner einen Beweis darüber, daß in Zauberbüchern der Gebrauch starker Gifte zum Trinken empfohlen werde.

Vors.: Angeklagter, wollen Sie denn dabei bleiben, daß in dem Zauberbuche die Anwendung von Strychnin empfohlen worden ist? – Angekl.: Jawohl. Vors.: War auch das Quantum angegeben? – Angekl. Ich glaube, eine Messerspitze voll. – Vors.: War auch Blausäure angegeben? – Angekl.: Die Blausäure sollte nur zum Riechen gegeben werden. – Vors.: Sie sind also der Meinung, solche Albernheiten haben Sie zur Verabreichung von Gift berechtigt? Halten Sie es nicht selbst für ein ganz aussichtsloses und törichtes Beginnen, noch weiter nach dem Buche zu forschen? – Angekl.: Ich habe doch von Jugend an Zauberei betrieben und auch wiederholt Arsen angewendet, ohne daß es jemandem im geringsten geschadet hätte. – Der Verteidiger beantragte, den Universitätsprofessor Dr. Lewin in Berlin, Hindersinstraße 2, zu laden. Dieser werde bekunden, daß Magier und Zauberer starke Gifte zum Trinken einzugeben pflegen. – Vors.: Ist es denn denkbar, daß Professor Lewin so etwas bekunden wird? – Vert.: Professor Lewin wird speziell bekunden, daß sogenannte Krähenaugen für solche Zwecke verwendet werden. – Vors.: In welchem Umfange? – Der Verteidiger schwieg. – Der Verteidiger beantragte ferner, einen Dr. Kiesewetter, der durch die Spohrsche Buchhandlung zu ermitteln sei, zu vernehmen, daß zwischen den mittelalterlichen Zaubermitteln und den heutigen ein Zusammenhang besteht. (Heiterkeit.) – Vors.: Dann beachten Sie die Bekundung des Chemikers Dr. Bischoff, daß das Strychnin erst seit 1825 bekannt ist. (Heiterkeit.) – Auf Antrag des Ersten Staatsanwalts beschloß der Gerichtshof, die Anträge des Verteidigers abzulehnen, da nach der beschworenen Aussage des Zeugen Just der Angeklagte das Buch „Kabale und Liebe“ nicht besessen habe. –

Es erschien darauf als Zeugin die 29 jährige Witwe Monds: Sie sei Mutter von sechs Kindern und war durch widrige Umstände gezwungen, als Detektivin in einem Detektivbureau tätig zu sein. Sie habe die Aussagen des Angeklagten, der sich als Zigeuner bezeichnete, gelesen. Sie habe den Angeklagten aufgesucht, um sich die Karten legen zu lassen. Der Angeklagte habe ihr eine Flüssigkeit gegeben, die sie auf Schokolade träufeln und ein Pulver, das sie auf die Treppe streuen sollte. – Vors.: Just, treten Sie einmal vor. Sehen Sie sich das Pulver an. Ist es ebenso, wie Sie es vom Angeklagten erhalten haben? – Just: Nein. – Vors.: Das Ihrige sollte ja auch nicht stark wirken. (Heiterkeit.) – Die Zeugin Monds erklärte noch auf Befragen: Ihr sei das Wesen des Jänicke aufgefallen. Er habe den Eindruck des Schleichenden und Unheimlichen gemacht. Außerdem habe er einen ganz tätowierten Arm gehabt. – Der Angeklagte zeigte auf Auffordern des Vorsitzenden seinen tätowierten Arm, welcher neben Ringen und Schwertern die Inschrift „Tod den Verrätern!“ aufwies. – Nach der oberflächlichen Prüfung des Gerichtschemikers Dr. Bischoff schien das Pulver Saffran, Zucker, Fett und Terpentinöl zu enthalten. Der Angeklagte bemerkte, er wisse nicht mehr, woraus das Pulver bestanden habe.

Frau Jänicke, die alsdann als Zeugin erschien, war 10 Jahre älter, wie ihr angeklagter Ehemann. Sie war früher Dienstmädchen beim Staatssekretär von Podbielski. Ihr war bekannt, daß ihr Mann zu seinen Beschwörungen Gifte brauchte. Auch die beabsichtigte Reise nach dem Teufelssee habe sie am Morgen der Abfahrt ihres Mannes gekannt. Ihr Mann sei nervös und von Krampfanfällen heimgesucht. Deshalb habe sie den kleinen Bruno Misch zur Fahrt nach dem Teufelssee mitgeschickt. Ihr Mann habe ihr niemals Mitteilung gemacht, was dort passiert sei. Ihre Abreise von Berlin habe auf alter Verabredung beruht; sie wollten von Berlin weg. – Der Vorsitzende hielt der Zeugin vor, daß sie diese Aussage doch schwerlich beeidigen könne. – Die Zeugin erklärte, daß sie mit ihrem Manne in die Heilsarmee auswärts eintreten wollte. Ihr Mann habe sich manchmal eingebildet, er sei ein Graf. Infolge ihrer vorzeitigen Entbindung mußte ihr Mann seine Arbeit aufgeben, sie habe dann Pflegekinder angenommen und ihr Ehemann habe sich von diesem Zeitpunkt an, wo die Not an ihre Tür zu klopfen drohte, auf die Zauberei gelegt. – Staatsanwalt: Sie meinen, daß ihn erst Just verrückt gemacht und er erst von diesem all das närrische Zeug gelernt habe? – Zeugin: Ja. – Während der Vernehmung der Zeugin schluchzte der Angeklagte wiederholt heftig.

Der Vater des Angeklagten, Töpfermeister Franz Jänicke aus Dalmin bekundete, daß sein Sohn bis zu seinem 16. Jahre an Krämpfen gelitten und „übergeschnappt“ erschien, da er allerlei Gestalten zu erblicken wähnte. Außerdem sei er einmal in ein Boot gestiegen, um damit nach Amerika zu fahren; er sei aber nur bis Havelberg gekommen und mußte später von Hamburg zurückgeholt werden. – Auch Zeuge Schmitz (Dalmin) wurde über den Geisteszustand des Angeklagten vernommen: Er kenne den Angeklagten als einen närrischen Kerl, der allerlei dummes Zeug redete und wiederholt Gestalten erblicken wollte. Er habe auch immer auseinandergesetzt, daß die Menschen von Tieren und Blumen abstammen „und solche Verrücktheiten mehr“. Er (Zeuge) habe seiner Frau geraten, sich mit Jänicke nicht so lange aufzuhalten, „sonst würde sie auch noch verrückt“. (Heiterkeit.) Der Angeklagte habe immer vor sich hin gebrütet und mehrfach plötzlich zu beten angefangen.

Frau Kellner Börner, eine Tante des Angeklagten, bekundete, daß dieser als Kind in allen möglichen Schmökern gelesen habe, so daß sie wiederholt gesagt habe: „Er wird noch ganz verrückt werden!“ – Frau Mathilde Jänicke, die 73jährige Großmutter des Angeklagten bekundete: Der Angeklagte habe in seiner Jugend an Krämpfen gelitten. Es sei unwahr, daß sie dem Angeklagten Unterricht im Zaubern gegeben habe. Er habe vielleicht hin und wieder zugesehen.

Um den anwesenden Ärzten noch weitere Stoffe zur Beurteilung des Geisteszustandes des Angeklagten zu bieten, wurde eine Eingabe des Angeklagten an den Staatsanwalt verlesen, ebenso ein Brief, den er aus dem Gefängnis an seine Frau geschrieben hatte. Es hieß darin u. a.:

„Liebes Weib! Ich hätte besser getan, wenn ich es so gemacht hätte, wie ich es Anfangs mit Just verabredet hatte, denn dann läge ich da, wo die Bergner gelegen hat. Dein Herz sagt es Dir, daß ich nicht so schlecht und schuldig bin, wie alle sagen, aber der, der über uns ist, weiß es auch. Mag mich die Welt verurteilen und verdammen, der da über uns ist, wird mir vergeben. Aber der andere, der da als Unschuldiger herumläuft und doch die ganze Triebkraft war, mag er um seiner zwei unschuldigen Kinder willen in der Welt freigesprochen werden, aber der Allmächtige, der über uns ist, wird ihn zu treffen wissen und die Strafe wird fürchterlich sein. Wenn ich ihm gefolgt wäre, dann läge ich jetzt auch da und die Welt würde gewiß gesagt haben, es war ein Liebespaar. Nun, Gott sei Dank, liebe Frau, es ist nicht geschehen und so stehe ich hier als Mörder.“

Vors.: Was sollte Ihnen denn Just so Schlimmes geraten haben, Angeklagter? – Angekl.: Er hat mich doch überhaupt erst auf die Zauberei gebracht. Und dann war verabredet, daß die Bergner und auch ich aus der Schale bei der Beschwörung trinken sollte. – Zeuge Just bestritt das.

Es wurden alsdann noch einmal Sanitätsrat Dr. Passauer, Dr. Karst und Dr. Schlichting vorgerufen, die übereinstimmend begutachteten, daß kein Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten vorliege. Der Verteidiger beantragte trotzdem noch die Vorladung eines Psychiaters; der Gerichtshof lehnte aber den Antrag ab, weil kein Antrag auf Untersuchung des Geisteszustandes seitens eines Arztes gestellt sei und der Gerichtshof nicht den mindesten Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten habe.

Die den Geschworenen vorgelegte Schuldfrage lautete auf Mord. Auf Antrag des Verteidigers wurde eine zweite Frage auf fahrlässige Tötung gestellt. Darauf begann der Erste Staatsanwalt v. Ditfurth sein Plaidoyer. Er schilderte das abenteuerliche Vorleben Jänickes, die Auswüchse des Aberglaubens, die der Prozeß beleuchtet, und betonte: Der Angeklagte sei keineswegs geisteskrank, sondern für seine Tat verantwortlich zu machen. Es möge Leute geben, die den Glauben hegen, daß sie selbst solche übernatürlichen Kräfte besitzen. Dazu gehöre aber der Angeklagte nicht. Er habe es verstanden, die ihm blind ergebenen Personen ganz seinem Willen unterzuordnen; er sei schlau und geschmeidig gewesen und in dem Augenblick, als es bei der Bergner anfing, allmählich zu dämmern, da hielt er es für geboten, sie um die Ecke zu bringen. Dazu war ihm das durch den Zeichner Just besorgte Gift willkommen. Wahrscheinlich habe er den noch teuflischeren Plan gehabt, nicht nur die Bergner, sondern auch den Just am Teufelssee zu vergiften, um beim Auffinden der Leichen den Anschein zu erwecken, daß es sich wieder um ein unglückliches Liebespaar handelte. Die Vorgänge am Teufelssee selbst stehen nach den durchaus glaubhaften Bekundungen des Knaben Misch absolut fest. Danach sei kein Zweifel, daß der Angeklagte ganz heimtückisch der Bergner das Gift beigebracht habe, und zwar zu dem Zwecke, sie als unbequeme Zeugin seiner Schwindeleien umzubringen und sich ihrer Habe zu bemächtigen. Unmittelbar nach der Tat sei er ganz planmäßig zum Diebstahl in der Bergnerschen Wohnung übergegangen und habe diesen Plan mit unbegreiflicher Verblendung weiter verfolgt, die ihm schließlich zum Verderben wurde. Der Staatsanwalt schloß mit dem Antrage, den Angeklagten des Mordes schuldig zu sprechen.

Der Verteidiger, Gerichtsassessor Dr. Baum, suchte nachzuweisen, daß der Angeklagte die Absicht der Tötung nicht gehabt habe. Der Angeklagte sei von der Zuverlässigkeit seiner Zauberkraft fest überzeugt gewesen. Es sei anzunehmen, daß er sich bei der Zusammensetzung seines Zaubertranks geirrt habe, mithin nur eine fahrlässige Tötung vorliege. Gegen die Annahme des Mordes spreche vor allen Dingen die Mitnahme des Misch. Auf dessen Verschwiegenheit konnte er doch gewiß nicht rechnen; es wäre ihm jedenfalls ein Leichtes gewesen, den Knaben von der Zauberszene fern zu halten. Der Verteidiger kam zu dem Ergebnis, daß nur fahrlässige Tötung vorliege und daß der Angeklagte nicht voll zurechnungsfähig sei.

Die Geschworenen bejahten nach einer kurzen Beratung die Schuldfrage wegen Mordes. Der Gerichtshof verurteilte dementsprechend den Angeklagten

zum Tode

und zu dauerndem Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte. –

Der Angeklagte wurde zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe begnadigt. – Er befindet sich schon seit mehreren Jahren in Neu-Ruppin im Irrenhause. – - Rechtsanwalt Dr. Puppe (Berlin) hat die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt, da der Angeklagte auf Grund des § 51 des Straf-Gesetzbuches freizusprechen sei. Bei der Drucklegung dieses Bandes war über den Antrag des Rechtsanwalts Dr. Puppe noch nicht entschieden.