Textdaten
Autor: Unbekannt
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Titel: Der Wilde Mann
Untertitel:
aus: Geschichte der Dresdner Heide und ihrer Bewohnerschaft. S. 249–252
Herausgeber: Heinrich Meschwitz
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1911
Verlag: C. Heinrich
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Erscheinungsort: Dresden
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Princeton-USA* und Commons
Kurzbeschreibung: Die Sage handelt von dem Begründer des Gasthofes Wilder Mann im gleichnamigen Stadtviertel von Dresden.
Eintrag in der GND: [1]
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[249]
III.
Der Wilde Mann.

Über dem Tor des heutigen Gasthofes zum Wilden Mann bei den Trachenbergen befindet sich als Überrest des abgebrochenen älteren Gebäudes eine alte 70 cm hohe Figur, einen unbekleideten Mann mit wildem bärtigen Gesicht und einer Holzkeule darstellend. Es ist dies [250] das Wappenbild des Gasthofes und stellt der Sage nach dessen Begründer dar. Die Sage lautet:

Der Friede war endlich zurückgekehrt
Nach 30 jährigem Kampfe,
Die Stadt, das Dorf, vom Feuer verheert –
Das Feld vom Pferdegestampfe,
Frei war’n sie von Horden, die rings zerstreut
Übers Land, dem Volke als Herren gebeut,
Und Glockengeläut’ trug die Kunde
Ringsum in des Landes Runde.

Gebrochen lag aber die Kraft der Tat,
Kein Wandel und Handel blühte,
Die Äcker zertreten, vernichtet die Saat,
So war man des Schaffens müde,
Das Räuberwesen nahm überhand,
Unsicherheit herrschte in Stadt und Land,
So folgten dem Frieden Gefahren,
Die sich aus dem Kriege gebaren.

Bei Dresden, versteckt in der Heide Wald,
Da hauste ein armer Geselle,
Im Dickicht, wo sonst der Jagdruf erschallt
Stand die Hütte an plätschernder Quelle,
Hier wohnt’ er, seitdem ihn die schreckliche Zeit
Der Schweden vertrieb in die Einsamkeit,
Durchzog die grünenden Fluren
Und folgte dem Wild auf den Spuren.

Als Waffe diente ihm Bogen und Speer
Und die Keule in nervigen Händen,
Wild wogte das Haar um die Schultern her,
Nur Felle bedeckten die Lenden;
So war er im ganzen Heideland
Ringsum als der „wilde Mann“ bekannt,
Zu dem – umwoben von Sagen –
Sich niemand versuchte zu wagen.

Einst tönte das Hifthorn im Waldesgrün
und ein munteres, fröhliches Jagen

[251]

Ließ auf die einsamen Wege hin
Des Landes Kurfürsten wagen,
Begleitet von einem Reisigen nur
Verfolgte er blindlings des Wildes Spur,
Nicht achtend der mahnenden Bitten
Und war weiter und weiter geritten.

Da raschelt es plötzlich vom Dickicht her
Und in raschem eiligen Laufe
Stürtzt, wohl bewaffnet mit fester Wehr,
Heran ein räubernder Haufe,
Fällt rasch in die Zügel und reißt vom Pferd
Den Fürsten, der sich verzweifelt wehrt,
Und hätt’ ihm das Leben genommen,
Wär’ plötzlich nicht Hilfe gekommen.

Gelockt vom Lärme, war aus dem Grün
Der „wilde Mann“ gekommen,
Rasch stürzend zu den Räubern hin
Hatt’ er die Keule genommen,
Und mit der Keule schlug er aufs Haupt
Den einen, der den Fürsten beraubt,
Die andern entflohen mit Schrecken
Zu ihren entlegnen Verstecken.

So hatte mit rascher, mutiger Tat
Der „Wilde“ das fürstliche Leben
Vor schändlicher Räuberhand bewahrt
Und dem Lande wiedergegeben.
Der Kurfürst aber, er drückte die Hand
Des seltsamen Mannes, der vor ihm stand
Und versprach ihm das zu gedenken,
Und Hilfe und Beistand zu schenken.

So gab er ihm denn ein Landstück zu Lehn
Im Wald, an dem nämlichen Orte,
Wo kurz vorher der Angriff gescheh’n
Durch die feige, räubernde Horde.
Eine Lichtung ließ ferner der Kurfürst hau’n,
Ein Gasthaus auf dem Platze erbau’n
Und gab es dem „Wilden“ zu eigen –
Sich dankbar dem Braven zu zeigen.

[252]

Zwar brach das Haus in der Zeiten Lauf
Gebrechlich in sich zusammen,
Ein stolzes Gebäude erhebt sich darauf,
Kein Stein scheint dem „Einst“ zu entstammen,
Doch ein kurzer Satz „der wilde Mann“,
Den man am Gasthaus lesen kann,
Gemahnt noch der einstigen Sage,
Vom „wilden Mann“ in dem Hage.

(Nach einer Handschrift. – Verfasser unbekannt.)