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Titel: Der Vorwirth
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aus: Deutscher Liederhort,
S. 158–160
Herausgeber: Ludwig Erk
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Th. Chr. Fr. Enslin
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Erscheinungsort: Berlin
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Quelle: Google und Wikimedia Commons
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[158]
46. Der Vorwirth.


Sehr mäßig. Mündlich, aus Schlesien. (Walldorf bei Reiße.)
Noten
Noten


1.
Es wollt ein Herr ausreiten,

er ritt wol in die Weite.

2.
Er ritt wol übern geweihten Kirchhof,

da schrieen ihm die Todten nach.

3.
„Reit sachte, o lieber Herre mein,

du reitest mir über mein Gräbelein.

4.
„s ist heutigen Tags ein Jahr gewest

und daß du mich erschlagen hast.“

5.
‚‚‚Hab ich dich gleich erschlagen,

die Sünde muß ich tragen.

6.
‚‚‚Ich hab mir genommen dein Wittfräulein,

ich erzieh dir deine Waiselein.‘‘‘

7.
„Mit was ziehst du meine Kindlein groß?

mit Beten, Schlägen und scharfer Noth!

8.
„Hättst du mich lieber am Leben gelän,

ich hätt mir sie wollen schon selber schlän.

9.
„Ich laß meiner Frau mittesagen,

sie soll nicht so weinen und wehklagen;

10.
„Sie soll nicht so weinen und traurig thun,

sie stört mir meine ganze Ruh.

11.
„Sie soll auf den Abend kommen zu mir,

wenn alle die Leute werdn schlafen gehn,

12.
„Wenn alle die Thüren verschlossen sein

und alle die Gräber weit offen sein.

[159]
13.
„Sie soll mir mittebringen

von weißer Leinwand ein Hemde;

14.
„Das erst ist mir geworden so naß:

was weint sie immer? was thut sie das?“

15.
Und wie der Herr zu Hofe einritt,

die Frau ihm schon entgegen schritt:

16.
„„Bis mir willkommen, o Herre mein!

warum thust du denn so lange sein?““

17.
‚‚‚Warum soll ich denn nicht lange sein,

wenn mich die Todten aus den Gräbern anschrein?

18.
‚‚‚Dein vorger Mann läßt dir mittesagen,

du sollst nicht so weinen und wehklagen;

19.
‚‚‚Du sollst nicht so weinen und traurig thun,

du verstörst ihm seine ganze Ruh.

20.
‚‚‚Du sollst auf den Abend kommen zu ihm,

wenn alle die Leute werdn schlafen gehn,

21.
‚‚‚Wenn alle die Thüren verschlossen sein

und alle Gräber weit offen sein.

22.
‚‚‚Du sollst ihm mittebringen

von weißer Leinwand ein Hemde:

23.
‚‚‚Warum hast du gemacht ihm den Kittel so naß?

ach lieber Gott, warum thust du das?“ –

24.
„„Ich will ihm ein Hemde lassen schneiden

von lauter Sammet und von Seiden;

25.
„„Von Sammet und Seiden und rothem Gold,

weil ich an seinem Tod bin schuld.““ –

26.
Der Herr der war nicht faule,

er schlug die Frau ins Maule;

27.
Er schlug die Frau ins Angesicht:

‚‚‚Ist dir dein vorger Mann lieber als ich?‘‘‘ –

[160]
28.
Die Frau die nahm ihr ein Stecken,

sie gieng auf den Kirchhof wecken:

29.
„„Thu dich auf, thu dich auf, du Erdenkloß!

und nimm mich hinunter in seinen Schooß!““

30.
„Was willst du denn hier unten thun?

hier unten hast du keine Ruh.

31.
„Hier unten hörst du kein Glockenklang,

hier unten hörst du kein Priestersang;

32.
„Hier unten hörst du kein Hahn nicht krähn,

hier unten hörst du kein Wind nicht wehn.

33.
„So geh nur wieder heime

und erzieh dir deine Waislein kleine!

34.
„Erzieh sie dir alle groß und klein,

daß sie ein wenig erzogen sein!

35.
„Es reuet mich nichts so sehre,

als wie nur des gar Klein in der Wiege,

36.
„Was da weder reden noch sprechen kann:

wenn ich dran denk, geht michs Jammern an.“ –

37.
„„Schließt euch, ihr Gräbelein, feste!

die erste Treue die beste.

38.
„„Schließt euch, ihr Gräbelein, feste zu!

auf dieser Welt hab ich keine Ruh.““

(Mitgetheilt durch Herrn Prof. Hoffmann v. F.)

Vorwirth, der erste Mann der Hauswirthin. – 16. Bis, sei. – 29. in seine Schooß. – Die Strophen 21 u. 32 werden nach dem zweiten Theile der Melodie gesungen.