Der Vogelfang
Auf den Vogelfang bin ich nur zweimal mitgegangen.
Es war Herbst. Leichter Nebel lag
auf den Wiesen und Halden. Ein Tannenbäumchen
wurde in die Erde gesteckt. Die Zweige waren
mit Leimruten besetzt, dazu Vogelbeeren. Ein
paar Käfige mit Lockvögeln standen unter der
Fichte. Wir lagen eine Ecke davon regungslos auf
der Lauer.
Unsere Roller schlugen tapfer in die frische Herbstluft hinein. Da kam ein Schwarm, horchte und setzte sich auf die Leimruten, die mit ihnen auf den Boden fielen.
Wie die armen Finken da zappelten! Wie sie mit der Rute an den Zehen aufflatterten und immer wieder zurückfielen!
Meine Kameraden hatten sie aber schon gefaßt, und da saßen die Wildlinge in den engen Käfigen und stießen mit den Köpfchen gegen die Sprossen. Ich bin nie wieder mitgegangen.
Einmal hat mich mein Onkel, ein Revierförster in Lautenthal mit in den Dohnenstieg genommen. Wenn ich an den Herbstmorgen denke, klingt mir immer der Anfang von Freiligraths schönstem politischen Gedicht in den Ohren:
O stille graue frühe!
Die Blätter flüstern sacht.
Der Hirsch hat seine Kühe.
Zum Waldbrand schon gebracht.
Solch ein Morgen im Harz! Und nun der Donnerstieg mitten in dem jungen Wald. Ein langer, schmaler Gang den sanften Abhang hinauf. Und überall hängen die krummgebogenen Sprengel, darin die Schleifchen von Pferdehaar und rote Vogelbeeren zum Locken.
Die ersten Sonnenstrahlen fielen in die Spalte zwischen den Fichten. Und da baumelten nun die Krammetsvögel und die anderen, die ich so gern singen hörte. Ja, wenn das Köpfchen in der Schleife steckte, dann war das Tierchen still, aber wie manches zappelte mit gebrochenem Beinchen oder verrenktem Flügel! Mein Onkel machte auch sie mit schnellem Griff still und steckte sie in die Jagdtasche. Es konnte ja kein Unrecht sein, da es mein Onkel tat, aber der Abschen ist mir seit dem Tage gegen den Dohnenstieg im Herzen geblieben.
Tage der Kindheit, wie fern und doch wie nah.