Der Todwunde
[116]
34g. Der Todwunde.
(Um 1533.)
1.
Es sollt ein Meidlein früh aufstān,es sollt in Wald nach Röslein gān.
2.
Do sie in den grünen Wald kam,do fand sie ein verwundten Mann.
3.
„Ei feines Lieb, erschrick du nicht!ich bin verwundt, es schadt mir nicht.
4.
„Ich bin in einem Finger wund:bind mich, feins Lieb, ich wird gesund!“
[117]
5.
‚‚‚Womit soll ich dich binden?ich geh mit einem Kinde.‘‘‘
6.
„Gehstu mit einem Kindelein,wollt Gott, ich sollt der Vater sein!“
7.
Er greif wol in sein Täschelein,er gab ihr rother Gülden drei.
8.
Die Gülden waren von Gold so roth –eh sie ihn geband do war er todt.
9.
‚‚‚Wollt Gott, ich hätt zween Hauersknabn,die mir mein Lieb zu Grab hülfen tragn!‘‘‘
10.
Eh sie das Wort recht ausgesprach,beschert ihr Gott zween Hauersknabn.
11.
Ei die Hauersknaben sind hübsch und fein,sie hauen das Silber aus hartem Stein.
12.
Sie hauen das Silber, das rothe Gold –wollt Gott, daß sie mein eigen sein sollt!
13.
Es wuchsen drei Liljen auf seinem Grab;es kam ein Baur und brach sie ab.
14.
Er nahms und steckts auf seinen Hut,er trägt ein frischen freien Muth.
(„Bergkreyen. Etliche schöne gesenge, newlich zuosamen gebracht, gemehret vnd gebessert.“ 39 Blätter in kl. 8. 58 Lieder. Das. Nr. 10. – Wahrscheinlich ein Druck der Kunegund Herzogin zu Nürnberg, welche von 1528–1537 druckte.)
7. Greif, griff. – 11. u. 12. Vgl. L. Erk’s „Neue Sammlung deutscher Volkslieder“ etc. Bd. II, H. 4 u. 5. Nr. 72. – 13. u. 14. Vgl. „Liederhort,“ S. 23 u. 25.