Der Theebau in China und Ostindien

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Autor: C. Forst
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Titel: Der Theebau in China und Ostindien
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aus: Die Gartenlaube, Heft 39, S. 656–659
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1894
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Anbau von Tee in der langen chinesischen Tradition und der relativ neuen indischen
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Der Theebau in China und Ostindien.

Von C. Forst.
Mit Zeichnungen von H. Haase.

Tausende von kühnen Seefahrern waren im Zeitalter der Entdeckungen ausgezogen in ferne unbekannte Meere nach den Gewürzen Indiens; sie kehrten heim mit vollen Schiffsladungen kostbarer Pfeffernelken und Muskatnüsse, sie brachten aber noch mehr: Proben neuer Genußmittel, die in Europa bis dahin unbekannt gewesen waren. Der Tabak, der Kakao, der Kaffee und der Thee traten damals ihre Eroberungszüge in Europa an.

Am langsamsten von den vier Gewaltigen schritt der Thee vorwärts. Im Anfang des 17. Jahrhunderts tauchte er fast gleichzeitig auf zwei Wegen in Europa auf. Die holländisch-indische Handelsgesellschaft brachte übers Meer die ersten Päckchen und eine russische Gesandtschaft in der Mongolei erhielt einige Pfund als Gegengeschenk auf Zobelfelle. 1635 erschien der Thee zum erstenmal in Paris und 1638 in Moskau. Er hätte schwerlich Liebhaber gefunden, wenn man ihn sogleich als ein tägliches Getränk empfohlen hätte, zu seiner Einführung bedurfte er einer kräftigeren Reklame. Die Chinesen von denen man ihn kaufte, sagten: „Der Thee entfernt das Fett und macht den Menschen beweglich; er spült Unreinigkeiten fort, vertreibt die Schläfrigkeit, heilt Kopfweh und verhütet es.“ Das war ein Wink für die ersten Theehändler in Europa; sie legten die dürren Blätter Aerzten vor und siehe da, manche von den Jüngern Aeskulaps begeisterten sich für den neuen Aufguß, rühmten seine Heilkräfte und nannten ihn sogar ein untrügliches Mittel, um das Leben zu verlängern. So tranken ihn die Europäer zuerst als Medizin, bis sie sich an ihn gewöhnten und er in weiten Gebieten, in England, Holland und Rußland, zum täglichen Getränk wurde.

Während aber die Europäer in kurzer Zeit sich der Gewürze und neuen Genußmittel ganz und gar bemächtigten, sie nicht nur verbrauchten sondern auch in ihren Kolonien erzeugten, konnte man den Thee nur kaufen. Die einzigen Länder, welche damals den Thee erzeugten, China und Japan, waren für die Fremden verschlossen und so ruhte ein geheimnisvoller Schleier über der Herkunft des erfrischenden und anregenden Trankes. Der berühmte Botaniker Linné (1707 bis 1778) teilte noch die Gattung Thea sinensis in die beiden Arten Thea viridis und Thea bohea, von denen die erstere angeblich den grünen, die letztere den schwarzen Thee liefern sollte. So wenig kannte man im vorigen Jahrhundert die Bereitung der verschiedenen Theesorten. Erst allmählich drang man in das Innere Chinas vor und erfuhr nun, daß es dort nur eine Art des Theestrauchs gab, aus der im Laufe einer mehr als tausendjährigen Kultur verschiedene Varietäten hervorgegangen waren, wie dies auch bei unserem Weinstock der Fall ist. Die Mitteilungen der Reisenden reichten jedoch nicht hin, um darauf den Anbau des Theestrauchs in europäischen Kolonien zu begründen.

Indierin bei der Ernte.

Da wurde zu Anfang dieses Jahrhunderts die Heimat der chinesischen Kulturpflanze entdeckt. In der Landschaft Assam, die im Thal des Brahmaputra gelegen ist, wächst der Theestrauch wild, und von hier haben ihn die Chinesen in ihre Heimat eingeführt. Nun bildet Assam einen Teil des indo-britischen Reiches, man konnte also daran denken, den Chinesen das Monopol des Theehandels streitig zu machen. In dem theetrinkenden England wurde der Gedanke mit Begeisterung aufgegriffen und im Jahre 1839 bildete sich dort eine Aktiengesellschaft, welche die assamesischen „Theewälder“ unter Kultur bringen wollte. Wohl kostete die Sache erst ein erkleckliches Lehrgeld, die Gesellschaft löste sich auf mit einem Verlust von 4 Millionen Mark; aus den Mißgriffen der Pioniere der indischen Theekultur wußten indessen andere zu lernen. Neue Theepflanzungen wurden gegründet; auch sie lieferten anfangs nur einen schlechten Thee, doch nach und nach besserte sich das Erzeugnis und fand einen immer größeren Abnehmerkreis. „Theegärten“ entstanden auch in anderen Teilen Indiens, Assam blieb aber der Mittelpunkt des neuen Unternehmens. Im Jahre 1861 waren hier 48½ qkm mit Thee bepflanzt und im Jahre 1890 war die unter Kultur genommene Fläche bereits auf 920 qkm gestiegen. Der indische Thee begann den chinesischen zuerst in England und Nordamerika zu verdrängen, bald hielten sich die Ausfuhr Indiens und Chinas die Wage und es wird sogar behauptet, daß in kurzer Frist der indische Thee dem chinesischen vollständig den Rang abgelaufen haben werde. In der That haben sich die englischen Theepflanzer Indiens zu einer großen kapitalkräftigen Vereinigung zusammengeschlossen, welche nunmehr auch auf dem europäischen Festlande ihrer Ware gegenüber der chinesischen Geltung verschaffen will. Immer mehr sieht sich der Theetrinker vor die Entscheidung gestellt, welchem von den beiden Nebenbuhlern er den Vorzug geben soll. Die Wahl ist nicht so leicht, denn die Beurteilung des Thees ist nicht jedermanns Sache; es gehören dazu Erfahrung und besondere Kenntnisse. Die Belehrungen, die von den Händlern unter das Volk gebracht werden, sind in der Regel sehr parteiisch gehalten, sie decken die Mängel des Gegners auf und verschweigen dessen Vorzüge. Es dürfte darum wohl angebracht sein, in diesem Streite zum Nutzen der deutschen Theetrinker ein unparteiisches Wort zu reden.

Warum trinkt man den Thee? Was macht ihn einem großen Teil der Menschen so besonders wertvoll? Er ist, wie der Kaffee, ein erregendes Genußmittel. In den Blättern des Theestrauches ist dasselbe Alkaloid enthalten, das wir in der Kaffeebohne finden, das bald „Koffeïn“, bald „Theïn“ genannt wird. Die Chemiker können es rein in Form kleiner farbloser Krystalle darstellen, und wenn wir es in kleinen Mengen einnehmen, so spüren wir, daß es anregend auf die Herzthätigkeit oder das Nervensystem einwirkt. Aber wenn wir ein Koffeïnpulver einnehmen, so ist seine Wirkung durchaus nicht der einer Tasse starken Kaffees oder Thees gleich. Diese Getränke wirken nachdrücklicher und beeinflussen auch unsere [657] Geistesthätigkeit, und zwar jedes in verschiedener Art. Der Kaffee soll mehr die Phantasie, der Thee mehr den Verstand beeinflussen. „Der Kaffee macht feurige Araber, der Thee ceremonielle Chinesen,“ kennzeichnet Jean Paul dies Verhältnis. Die Wissenschaft bestätigt die verschiedene Wirkung der beiden Genußmittel, aber sie ist bis jetzt nicht in der Lage, sie genauer zu beschreiben und zu bestimmen, nur so viel weiß man sicher, daß jene eigenartige Wirkung der beiden Getränke neben dem Koffeïn flüchtigen Oelen zukommt, die sowohl im Thee, wie im Kaffee enthalten sind. Diese aromatischen Stoffe werden wohl von der Pflanze während ihres Lebens vorgebildet, aber erst durch den Röstungs- und Gährungsprozeß, den die Kaffeebohnen und die Theeblätter vor dem Gebrauch durchmachen, ihrer ursprünglichen Schärfe beraubt und in angenehm erregende Mittel verwandelt. Daraus erfahren wir, daß der Wert des Thees nicht allein von der Beschaffenheit des Strauches, sondern auch von der Behandlung der Blätterernte abhängt.

Theelager eines russischen Kaufmanns in der Mongolei.

In dieser Hinsicht sind nun die Chinesen bis auf den heutigen Tag Meister geblieben; selbst die Japaner, die schon im 8. Jahrhundert n. Chr. den Theestrauch aus China einführten, verstehen nicht, so edle Theesorten zu erzeugen. Die Söhne des Reiches der Mitte wissen durch Kultur des Strauches und durch die Art der Röstung den Gehalt an Theïn in den Theeblättern zu vermindern und deren Aroma zu erhöhen, und das ist sicher ein Vorteil, da das Theïn, in größeren Mengen genossen, schließlich wie ein Gift zerrüttend auf den Körper wirkt. Wer guten Thee gewinnen will, der muß noch heute bei den Chinesen in die Schule gehen.

Der chinesische Schmutz ist sprichwörtlich, allein bei der Bereitung der erste Theesorten geht es in China äußerst reinlich zu. Der Theestrauch wird drei bis viermal im Jahre abgeerntet. Die besten Blätter liefert die erste Ernte im Frühjahr. Just wenn die jungen Blätter sich aufwickeln wollen, müssen sie gepflückt werden, und zwar mit der peinlichsten Sorgfalt. Heinrich Semler erzählt in seiner „Tropischen Agrikultur“, die Sorge um die jungen Blätter gehe so weit, daß den von Jugend auf für diese Beschäftigung geschulten Arbeiterinnen verboten werde, Fische oder andere starkriechende Speisen zu genießen, damit ihr Atem nicht das Aroma der Blätter verderbe. Sie müssen auch täglich mindestens ein Bad nehmen und dürfen die Blätter nicht mit den nackten Händen pflücken, sondern müssen Handschuhe tragen. Ein Körbchen hängt ihnen an einer Schnur um den Hals, damit beide Hände frei bleiben, und sie vollziehen das Pflücken in der Weise, daß sie mit der Linken einen Zweig zu sich heran ziehen und mit der Rechten die Blätter am Stiel abbrechen; der letztere muß bei dieser wertvollsten Ernte, aus welcher die Theesorten feinster Güte bereitet werden, vollständig zurückbleiben. Die Indierin ist in der Art des Pflückens ganz dem chinesischen Brauche gefolgt, wie unser Bildchen auf Seite 656 veranschaulicht.

Die nachfolgenden Ernten werden nicht mehr so hochgeschätzt und bei ihnen wird das Pflücken allerdings sorgloser und oft sogar in roher Weise betrieben.

Aus einem und demselben Blatte kann man je nach Belieben grünen oder schwarzen Thee machen. Unsere Pflanzensammler wissen wohl, daß die Blätter verschiedener Pflanzen, z. B. der Orchideen, unvermeidlich schwarz werden, wenn man sie kurzer Hand trocknet, daß sie aber ihre grüne Farbe behalten, wenn man sie der Einwirkung heißer Dämpfe aussetzt, bevor man sie zwischen die Löschblätter legt. Ebenso ist es beim Thee. Dämpft man die frischgepflückten Blätter, bevor sie geröstet werden, so liefern sie den grünen Thee. Diejenigen Blätter aber, welche zur Bereitung des schwarzen Thees bestimmt sind, werden zunächst an der Luft getrocknet, bis sie welk werden. Dabei geht die erste chemische Umwandlung des Blattinhalts vor sich. Das Gras auf unseren Wiesen duftet nicht, mähen wir es ab und lassen es trocknen, so beginnt der Heugeruch auszuströmen; es giebt eine große Zahl von Pflanzen, die erst beim Welken Wohlgerüche erzeugen, und auch die Theeblätter werden im Welken aromatisch. Hat der Duft einen bestimmten Grad erreicht, dann sind die Blätter zum Rösten reif, welches in Pfannen aus sehr dünnem Eisen über Holzkohlenfeuern geschieht. Die gerösteten Blätter, die noch eine Menge Saft enthalten, werden alsdann auf Tischen gerollt und diese beiden Verfahren je nach Bedarf zwei- bis fünfmal wiederholt. Sind die Blätter so spröde geworden, daß sie durch einen leichten Druck zwische den Fingern zerbrechen, so gelten sie als fertig für die Verpackung.

Die gedämpften Blätter des grünen Thees werden nicht getrocknet, sondern sofort geröstet und gerollt, aber in rascherer Reihenfolge, als dies bei dem schwarzen Thee der Fall ist. Die Folge davon ist, daß der grüne Thee mehr Theïn enthält, daß seine erregenden Bestandteile durch die Gährung und Röstung nicht besonders gemildert werden, weshalb er die Nerven mehr reizt als der schwarze.

Die Verarbeitung der Theeblätter ist eine Kunst, die man nur durch Erfahrung und Uebung lernen kann; jede Aenderung in der Reihe der verschiedenen Prozesse ist auf die Beschaffenheit des Thees von Einfluß, und so entstehen je nach der Art der Blätter, der Erntezeit, der Dauer des Welkens und der Häufigkeit des Röstens verschiedene Theesorten.

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Theekähne auf dem Brahmaputra.

Einen Uebergang von dem grünen zu dem schwarzen Thee Chinas bildet z. B. der Oulong; diese Theesorte ist mit so vielen gelblich-grünen Blättern durchsetzt, daß ihre Farbe nicht mehr schwarz genannt werden kann; die Chinesen nennen sie darum „Oulong“, d. h. „grüner Drache“. Die wirklichen schwarzen Theesorten Chinas werden unter dem Namen der „Boheas“ zusammengefaßt; das Wort ist eine Verstümmelung des chinesischen „Bow-ui“, eines Gebirges, in welchem der schwarze Thee vornehmlich erzeugt wird. Obenan unter den schwarzen Theesorten steht der „Kaper“, ein Thee, der wegen seiner Aehnlichkeit mit den Früchten des Kapernstrauches so genannt wurde. Die Chinesen nennen ihn „schwarzen Perlenthee“, weil die Blätter so rund und fest gerollt sind, daß sie wie Perlen aussehen. Eine andere Sorte heißt „Pekko“; der Name ist aus dem chinesischen „Pak-ho“, d. h. „weiße Daunen“, entstanden. Die Spitzen der Blätter dieser Sorte sind nämlich mit weißen Härchen besetzt, welche den Daunen etwas ähnlich sehen. Die dritte Sorte nennt man „Souchong“, was „kleine oder seltene Sorte“ bedeutet, weil zu ihr nur kleine Blätter der zweiten Ernte verwendet werden. Die vierte Sorte heißl „Pouchong“, d. i. „gefaltete Sorte“, ihre Blätter sind spitz, rauh und platt. Als fünfte Sorte lernen wir endlich „Kongu“ kennen, die „mühevolle Sorte“, weil auf ihre Zubereitung mehr Kraft und Zeit verwandt wird als auf irgend eine andere des schwarzen Thees. Jede dieser Hauptsorten zerfällt noch in eine Reihe Untersorten, und wer Theekenner sein will, muß einen feinen Geschmack haben, ebenso wie bei uns der Weinkenner. Das Amt des jungen Chinesen, der auf unserem Bildchen S. 659 eine Theeprobe kostet, ist äußerst verantwortungsvoll. Der Käufer in Europa bekommt übrigens nur in den seltensten Ausnahmefällen eine dieser Sorten in reinem Zustande. Jede von ihnen zeichnet sich durch einen besonderen Geschmack aus: die eine ist herb, die andere mild, die eine hat viel, die andere wenig Aroma. Man sucht nun diese verschiedenen Vorzüge dem Theetrinker dadurch sozusagen in einer Tasse zu bieten, daß man die verschiedenen Sorten mischt und die Mischung dem Geschmacke des betreffenden Landes anpaßt. Diese Mischungen werden von den Zwischenhändlern, zumeist von den Einfuhrhäusern, besorgt und sie sind wieder eine Kunst, welche die europäischen Theehandlungen ausüben. Eine gute Mischung, die ein Kaufmann nach vielen Proben gefunden hat und die dem Geschmacke seiner Kunden zusagt, wird als das tiefste Geschäftsgeheimnis nicht einmal den Angestellten des Hauses verraten. Daran denken die wenigsten, die ihren Theebedarf viertelpfundweise kaufen und auf die Marken „Souchong“ oder „Pekko“ schwören.

Ostindisches Trockenhaus.

Man hat aber noch eine andere Unterscheidung des chinesischen Thees, was seine Güte anbelangt, eingeführt. Von dem auf überseeischem Wege eingeführten „Schiffsthee“ unterschied man als den bei weitem besseren den „Karawanenthee“, der auf dem Rücken der Kamele quer über Asien nach Rußland gebracht wird. Unser Bild S. 657 zeigt uns den Theelagerplatz eines russischen Kaufmanns in der Mongolei, wo die Theeballen in großen Haufen, mit Häuten bedeckt, für den Landtransport aufgestapelt sind. Soweit es sich um den echten Thee handelt, hat jener Unterschied bis heute Geltung; denn die Feuchtigkeit, die auf der See herrscht, beeinträchtigt den Thee während der Ueberfahrt, und dann ist die Beförderung auf dem Karawanenwege so teuer, daß man sie nur für die besten Sorten des chinesischen Thees in Anspruch nimmt.

Zweihundert Jahre lang besaß China das Monopol des Theehandels. Die Theetrinker Europas hingen sozusagen von seiner Gnade ab, und der bezopfte Mongole wußte diesen Umstand sich zu nutze zu machen, er steigerte die Preise und fälschte die Ware. Die Verfälschungen konnten in China um so leichter ausgeführt werden, als in diesem Lande die Theekultur nicht im großen von einzelnen Pflanzern, sondern von Tausenden kleiner [659] Landbesitzer betrieben wird; man begegnet hier nicht ausgedehnten Theeplantagen, sondern nur kleinen Gärtchen, in denen stets eine geringe Anzahl von Sträuchern vorhanden ist. So geht der chinesische Thee durch viele Hände, bevor er zum europäischen Kaufmann oder zum Verbraucher gelangt, und er wird dadurch sicher nicht reiner und besser.

Ein ganz anderes Bild gewährt uns die indische Theekultur. Hier wird der Theestrauch auf großen zusammenhängenden Flächen in einer Weise angepflanzt, die aus der Ferne an die Rebengelände des Rheins erinnert. Zwischen den weit sich hinziehenden Plantagen steht da und dort auf anmutigem Hügel das schmucke Pflanzerhaus, mit Rosen und Blumen aller Art umrankt, als Mittelpunkt gestaltender Kraft und verbessernden Strebens; denn man muß zugeben, die indische Theekultur wandelt bereits ihren eigenen Weg. Man hat zwar Theesträucher aus China eingeführt, aber zuletzt doch gefunden, daß man bessere Erfolge erzielt, wenn man die einheimischen assamesischen Spielarten veredelt. Wohl schreibt sich die Güte des indischen Thees erst von der Zeit her, da man chinesische Arbeiter zum Ernten und Rösten der Blätter beigezogen hat, aber die indischen Pflanzer lernten nicht blind von ihren Meistern, sondern suchten und suchen noch diese zu überflügeln. Sie lassen zwar die Kuli keine Handschuhe anziehen, aber sie sorgen für Reinlichkeit nicht nur bei der besten, sondern bei jeder Ernte. Sie haben auch gefunden, daß der Chinese zu konservativ ist, daß er oft ohne überzeugenden Grund an umständlichen Röstungsverfahren hängt, sie wiesen nach, daß man die Bearbeitung der geernteten Blätter wesentlich vereinfachen kann; vor allem aber verleugneten sie nicht, daß sie Kinder des neunzehnten Jahrhunderts sind. Bei den Chinesen ist all und jedes Handarbeit, die indischen Pflanzer verwenden auch beim Theebau Maschinen und die Folge davon ist, daß die dabei waltende Sauberkeit noch größer ist als in China. Ueberall macht sich der Einfluß des Großbetriebs geltend. Man werfe einmal einen Blick auf solch ein ostindisches „Trockenhaus“, in welchem die frischgepflückten Blätter auf Horden den ersten Welkungs- und Gährungsprozeß durchmachen; China kann solche Hallen nicht aufweisen[.] Die fertige Ware wird in die üblichen Kisten aus Teakholz verpackt und tritt auf dem Brahmaputra die Reise nach den Ausfuhrhäfen an.

Das Kosten des Thees.

Die indischen Theepflanzer haben aber auch ein Interesse daran, daß ihr Thee als solcher zur Geltung kommt und nicht gefälscht wird. Zu diesem Behufe haben die indischen Gesellschaften eine große Vereinigung gebildet, welche unter einheitlicher Leitung den fertigen Thee auf den Pflanzungen in Empfang nimmt, seemäßig verpackt und für Europa zunächst nach London schickt. Dort befindet sich eine Anzahl von Theemaklern, die seit langen Jahren das Theegeschäft nach einem bestimmten Lande – sagen wir z. B. nach Deutschland – als Specialität betreiben. Dazu gehört vor allem die genaueste Kenntnis des beliebtesten Theegeschmacks in dem betreffenden Lande. Diesen besonders gewünschten Geschmack muß, bei dem wechselnden Ausfall der Ernten, der Makler regelmäßig erst durch richtige Mischung schaffen. Diese Mischung wird aber nicht, wie dies bei dem chinesischen Thee der Fall ist, jedem beliebigen Händler überlassen, sondern durch eine Vertrauensperson der „Indian Tea Association of Calcutta“ besorgt. Dann geht sie unter Originalverpackung an die Hauptniederlage des betreffenden Landes, die für Deutschland in Hamburg errichtet ist, um von hier aus durch die verschiedenen Groß- und Kleinhandlungen endlich in die Hand des Theetrinkers zu gelangen. Durch diese Maßnahmen sind die Abnehmer des indischen Thees im großen und ganzen vor Fälschungen ziemlich geschützt.

Aber – ja, wenn man unparteiisch sein will, so muß man auch in diesem Falle auf das „Ja“ ein „Aber“ folgen lassen. Wie verhält sich der echte Indier zu dem echten Chinesen? Auf diese Frage muß man erwidern, daß die Chinesen augenblicklich den indischen Theeerzeugern noch über sind. Ihr Thee, soweit gute Sorten in Betracht kommen, ist milder, er enthält weniger Theïn und hat mehr Aroma als der indische. Dieser ist noch immer stärker, erregt die Nerven mehr als der chinesische, und noch vor kurzer Zeit pflegte man die besten indischen Sorten dadurch zu verbessern, daß man sie mit guten chinesischen vermengte. Die Stärke des indischen Thees kommt auch darin zum Ausdruck, daß man aus den assamesischen Blättern für Europa keinen grünen Thee bereitet; er würde hier entschieden als zu aufregend zurückgewiesen. Bedenkt man aber, welche Fortschritte die indische Theekultur in den letzten Jahren gemacht hat, so kann man wohl der Meinung beipflichten, daß die indischen Pflanzer in nicht langer Zeit auch in Bezug auf die Güte des Thees den Chinesen gleichkommen werden.

Allerdings trinkt man heute in Deutschland verhältnismäßig wenig Thee, und das ist zu bedauern, denn der Thee ist, wenn man ihn richtig zubereitet und namentlich nicht zu stark trinkt, durchaus nicht so aufregend, wie vielfach behauptet wird. Man hat den Hausfrauen schon viele Rezepte zum Theeaufbrühen gegeben. Wir sind nicht in der Lage, ihnen mit einem allgemein gültigen zu dienen. Verschiedene Theesorten erfordern verschiedene Zubereitung. Es ist richtig, daß das Wasser zum Theeaufguß stets weich sein und daß hartes Wasser durch Zusatz von doppeltkohlensaurem Natron (eine Messerspitze voll auf 1 Liter) verbessert werden sollte; es empfiehlt sich auch, vorher erwärmte Thon- oder Porzellangefäße zum Aufguß zu nehmen. Streitig ist aber die Frage, wie lange man den Thee ziehen lassen soll, bevor man ihn abgießt. Hier muß man sich nach der Theesorte richten. Die meisten indischen Sorten dürfen nicht länger als 5 Minuten ziehen, sonst bekommen sie einen schlechten bitteren Geschmack. Der chinesische Thee kann seiner Milde wegen ein längeres Ziehen vertragen, jedenfalls aber sollte man auch bei ihm die Dauer von 10 Minuten nicht überschreiten. Häufig entscheidet einfach der Geschmack; es giebt Theekenner, die den Aufguß nur 3 Minuten ziehen lassen, andere nennen einen solchen Thee „roh“.

Zur Wohlthat für den Menschen wird der Thee nur dann, wenn man sich gewöhnt hat, ihn leicht zu trinken; dann ist er ein durstlöschendes und angenehm erregendes, keineswegs aber aufregendes Getränk. Das ist unsere langjährige persönliche Erfahrung und darum zollen wir den Fortschritten der indischen Theekultur zwar alle Anerkennung, möchten uns aber nicht so ohne weiteres von dem echten unverfälschten, durch tausendjährige Kultur gemilderten Blatte Chinas trennen.