Textdaten
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Autor: Jodocus Donatus Hubertus Temme
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Titel: Der Teufel in Greifenberg
Untertitel:
aus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. S. 284–287
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1840
Verlag: Nicolaische Buchhandlung
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Erscheinungsort: Berlin
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Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google und Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
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243. Der Teufel in Greifenberg.

Es ist schon länger als zweihundert Jahre her, als in der Stadt Greifenberg ein armer Knabe lebte, eines Kammerherrn Sohn, dem schon in seinem sechsten Jahre seine beiden Eltern gestorben waren. Es hatte ihn nach deren Tode seines Vaters Schwester-Mann zu sich genommen; der war aber sehr hart gegen den Knaben, weil er ihn ernähren, kleiden und zur Schule halten mußte, ohne dafür Kostgeld zu bekommen; und wie das Kind kaum eilf [285] Jahre alt war, da jagte er es unbarmherziger Weise von sich und hieß es gehen, wohin es wolle. Der arme Knabe verließ darauf die Stadt und nahm sich vor, gen Danzig zu gehen, wo noch Freundschaft seiner Mutter wohnte. Er versprach sich aber auch davon wenig, da er so sehr hart von den Menschen bis jetzt war behandelt worden. In solchen traurigen Gedanken ging er weiter, und beachtete es nicht, daß er in die Irre gerathen war. Wie er nun einmal in der Freitag-Nacht ganz verlassen da lag, so trat auf einmal der böse Feind in der Gestalt eines schwarzen Mannes zu ihm, und beredete ihn, daß er nach zwölf Jahren sein eigen seyn und ihm darüber eine Handschrift mit seinem Blute geben wolle, wogegen er ihm versprach, daß er ihm in dieser Zeit allenthalben, wo er es nur begehrte, die Schlösser eröffnen, ihm auch sonst Geld genug verschaffen werde. Der Knabe erschrak zwar Anfangs und konnte sich nicht entschließen, aber der Teufel ließ ihm keine Ruhe, brachte auch gleich Papier und Feder hervor, und hieß ihm, sich in den Mittelfinger der rechten Hand zu schneiden, das Blut in die Feder laufen zu lassen und also zu schreiben. Das that der Knabe, und das Blut, sobald er die Feder voll hatte, fing von selbst an, sich zu stillen, daß es ihn am Schreiben nicht hinderte. Also schrieb er die Handschrift, acht Zeilen groß, mit solchen Worten, daß er seinen Gott verschwor, dagegen Alles bekomme, was er begehre; daß er davon nicht zurückkehren könne, sondern nach zwölf Jahren dem Teufel eigen sey mit Leib und Seele. Darauf stellte ihm der Teufel ein Buch zu, worin allerlei gehörnte Thiere roth abgemalt und hebräische Buchstaben geschrieben waren, und sagte ihm dabei, wenn er dieses Buch bei sich habe, so sey es eben so viel, als wenn er, der Teufel selber, bei ihm wäre. Der Satan verschwand hierauf, der Knabe aber wurde noch dieselbe [286] Nacht bis nach Oliva und Danzig geführt. Von nun an zog er viel in der Welt umher und lebte gut, da ihm der Teufel immer Geld, wenn auch nur in lauter halben Groschen, verschaffte. Nur mußte er auf Befehl seines Meisters stets in zerrissenen Kleidern umhergehen, sich auch der Schule, Kirche und des Gebets enthalten; und wenn er ja vor der Mahlzeit einmal ein Gebet hatte sprechen müssen, so mußte er alle Speise, so durch dieses Gebet gesegnet war, wieder von sich brechen.

Solches Leben trieb er an fünftehalb Jahre; da kam er eines Tages nach Greifenberg zurück, und der Teufel sagte ihm, er solle die Nacht in ein Haus gehen, und sich allda Geld holen. Das that der Knabe, und jener öffnete ihm die verschlossenen Spinde und Comtore und übergab ihm vieles Geld, so darin lag. Darüber wurde das verführte Kind aber ergriffen und von der Obrigkeit eingezogen.

Nachdem er nun hier Alles ausgesagt, was der Teufel für Händel mit ihm betrieben, hat man ihn dem Geistlichen der Stadt, Magister Dionysius Friedeborn, einem überaus gelehrten Theologen, und dessen Collegen Magister Balthasar Simon, übergeben; die haben ihn täglich besucht und ermahnt, auf den Kanzeln für ihn gebetet, und sich viele Mühe gegeben, ihn aus des Teufels Stricken und Banden zu erretten. Dem widersetzte sich der Teufel mit aller seiner Macht, also daß er das Kind jetzt leibhaftig besaß und schreckliche Worte aus ihm redete. Der arme Knabe verzweifelte darüber an Gottes Gnade; doch nahmen die geistlichen Herren sich seiner so gewissenhaft an, und leisteten dem Teufel so tapferen Widerstand, daß er zuletzt begehrte, er wolle in die Kirche gehen, darin öffentlich beichten und sich das heilige Sacrament reichen lassen. Das hat er denn gethan an einem Sonnabend Morgen, im [287] Beiseyn vieler Zeugen, wiewohl mit großer Angst, und mit Zittern und Schweiß.

Allein dies konnte ihm noch nicht helfen; denn nun erschien in der darauf folgenden Nacht der Teufel vor ihm und schalt ihn entsetzlich, und forderte das Buch von ihm zurück, so er ihm vor fünf Jahren gegeben. Das hatte der Knabe nicht, denn er hatte es weit weg vergraben, und deshalb drohete er ihm, er solle seine Handschrift nicht eher zurück haben, als bis das Buch wieder herbeischaffte. Dabei quälte und ängstigte er den Armen entsetzlich, also daß alle Gebete der Geistlichen ihn nicht aufrichten konnten. Endlich brachte man ihn in die Kirche; allda mußte er eifrig beten, die Predigt anhören, und alsdann, nach vorhergehendem öffentlichen Gebet, knieend vor dem Altare, seine Handschrift widerrufen, aufs Neue dem Teufel mit allen seinen Werken und Wesen entsagen, den christlichen Glauben ganz nachsprechen, und darauf zum Tische des Herrn gehen. Sodann rief die ganze christliche Gemeine Gott an, daß der Teufel durch dessen Gnade und Allmacht gezwungen werde, die Handschrift dem Knaben wieder zu bringen, damit er öffentlich zu Schanden gemacht werde. Solches wirkte denn auch soviel, daß der Teufel in der nächsten Nacht, nach eilf Uhr, mit einem gräulichen Brausen zu dem Knaben kam, und ihm seine Handschrift vor den Kopf warf, mit diesen Worten: Ich bin deinethalben genugsam darum geschoren!

Von der Zeit an ist der Knabe von dem bösen Feinde befreiet geblieben; die Obrigkeit hat ihn auf freien Fuß gesetzt, und er hat sich so wohl gehalten, daß er unter der Kaiserlichen Armee mit Ruhm eine Corporalschaft bedient hat. Solches ist geschehen im Jahre 1624.

Micrälius, Altes Pommerland, II. S. 107-110.