Der Tanzteich bei Niedersachswerfen

Textdaten
Autor: Johann Georg Theodor Grässe
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Titel: Der Tanzteich bei Niedersachswerfen
Untertitel:
aus: Sagenbuch des Preußischen Staats, Band 1. S. 364-366
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1868
Verlag: Flemming
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Erscheinungsort: Glogau
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google und Commons
Kurzbeschreibung:
Siehe auch Die Mordgrube zu Freiberg
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Bearbeitungsstand
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[364]
426) Der Tanzteich bei Niedersachswerfen.[1]

Nicht weit von Nordhausen lehnt sich das Dorf Niedersachswerfen an eine Felswand von blendendweißem Gyps, welche der Mühlberg heißt. Das Dorf selbst soll seinen Namen daher haben, daß sich in ihm die Einwohner von sechs Dörfern, welche in der Gegend lagen, aber zerstört wurden und die Bischoferode, Bahlrode, Wahlrode, Espe und Johannisberg geheißen haben sollen, angesiedelt hätten, so daß 6 Dorfschaften zusammengeworfen worden wären, woher der Name Sechswerfen (woraus später Sachswerfen geworden) entstanden sei.

An der Morgenseite des Mühlberges befindet sich die sogenannte Ziegenhöhle, die ihren Namen davon haben soll, daß bei Sturm und Ungewitter die Ziegenhirten ihre Heerden hineintrieben. Nicht weit davon und vom [365] Mühlberge nördlich befindet sich der sogenannte Tanzteich, ein stehendes Gewässer ohne (sichtbaren) Ab- und Zufluß. Er war früher gegen fünf Acker groß und wurde für grundlos gehalten. Er soll seinen Namen der Sage nach folgender Begebenheit verdanken. Auf der Stelle, wo sich später die Wasser des Tanzteiches ausbreiteten, stand in früherer Zeit ein herrliches Ritterschloß. Hier hauste ein reicher, aber schwelgerischer Ritter und ein Fest jagte bei ihm das andere. Einst ward auch eine derartige Orgie gefeiert und während rings um das Schloß Sturm und Unwetter brauste, Blitze vom Himmel schossen und der Regen an die hellglänzenden Fenster schlug, rauschte in den Sälen lustige Musik, und Becherklang und wüster Gesang übertönte das Rollen des Donners. Da schlich am morschen Stabe ein von der Last der Jahre gebeugter Greis daher, das Unwetter trieb ihn ein Unterkommen zu suchen, und da Thor und Thüren im Schlosse offen standen und die Diener sich alle nach dem Saale begeben hatten, um dem Tanzen zuzuschauen, so hielt ihn Niemand auf; er kam also unangefochten bis an die Thüre des Saales, wo er stehen blieb in der Hoffnung, daß ihn Jemand sehen und sich seiner annehmen werde. Leider aber erblickte ihn hier der Burgherr; voller Ingrimm, daß ein Bettler es wagen könne, hier mitten unter die geputzten Gäste zu treten, stürzte er auf ihn los, packte ihn mit starker Hand, schleppte ihn an ein offenstehendes Fenster und stürzte ihn von da unter dem Gelächter seiner Genossen in die Tiefe hinab, indem er ihm in die Ohren schrie: „Langsam bist Du hereingekommen, schneller sollst Du hinauskommen!“ Aber siehe, plötzlich stand der Bettler von wunderbarem Lichtglanz umflossen vor der Burg und rief mit furchtbarer Stimme, vor welcher jeder Jubel erstarb und allen Anwesenden das heiße Blut in den Adern gerann: „Verflucht seid Ihr, die Ihr den Armen gehöhnt und dem Tode geweiht, verflucht sei diese Stätte mit all ihrer Lust und Ueppigkeit, und Ihr sollt versinken zur Stunde in Nacht und Finsterniß.“ Und siehe, kaum waren die Worte gesprochen, so fuhr ein zischender Blitzstrahl wie eine feurige Schlange herab, ein furchtbarer Donnerschlag folgte, die Erde borst, ein Wasserstrom quoll heraus und das Schloß versank in die Tiefe und ward nicht mehr gesehen. Nur der einsame Wanderer, der in nächtlicher Stille an dem Wasserspiegel vorübergeht, vernimmt ein unheimliches Geräusch wie fernes Jubeln und Jauchzen, vermischt mit dumpfem Stöhnen und schaurigem Grabgesang. Der Platz aber ward, weil die Bewohner des Schlosses mitten in der Lust des Tanzes versunken waren, der Tanzteich genannt und heißt so bis auf den heutigen Tag. Früher hatte dieser Teich die Eigenschaft, daß wenn ein Kahn auf eine gewisse Stelle kam, derselbe sich zu drehen und gleichsam zu tanzen anfing, woran ein Strudel oder Wasserwirbel Schuld gewesen sein mag, der durch ein Loch unter dem hohlen Berge hinabfiel und den Kahn mit sich in die Tiefe hinabzuziehen drohte. Später scheint jedoch dieser unterirdische Abfluß durch die oft von dem benachbarten Berge herabstürzenden Felsmassen verstopft worden zu sein, denn man nahm zu Anfang dieses Jahrhunderts schon diesen Strudel nicht mehr wahr. Indessen hat sich im Jahre 1815 etwas Anderes daselbst ereignet. Gegen das Ende des Frühjahrs erzählten nämlich einige Leute aus der Umgegend, sie hätten auf der Oberfläche des Tanzteiches sich etwas bewegen sehen, was Aehnlichkeit mit einem großen Wasserungeheuer habe. Es war etwas Inselartiges, Bewachsenes und dennoch [366] Lebendiges, das sich deutlich bewegte und bei hellem Wetter langsam auf der Oberfläche des Teiches herumschwamm, aber Niemand nahe an sich herankommen ließ. Täglich zogen nun ganze Schaaren von Gaffern nach dem Tanzteiche, um das Ungeheuer zu sehen, aber es gelang keinem, selbst erfahrenen und bedächtigen Naturforschern nicht, herauszubekommen, was dies eigentlich sei. Es wurden mehrere Versuche gemacht, auf einer Flöße dorthin zu steuern, besonders einmal von einem Halloren in Gegenwart von wenigstens 10,000 Menschen, allein es ward nichts entdeckt und bald darauf war das fabelhafte Geschöpf verschwunden und ließ sich nicht mehr sehen. Nach der allerdings unbewiesenen Meinung eines Gelehrten wäre es eine Parthie um des Laichgeschäfts Willen zusammengeschlungener Fische gewesen, die auf einem losgerissenen fischähnlichen und mit Gras bewachsenen Stück Erde herumschwammen.


  1. S. Thüringen Bd. IV. S. 137.