Der Stein auf dem Markte in Budissin (Ziehnert)
Der Stein auf dem Markte in Budissin.
[242] Bei dem Röhrtroge auf dem Markte zu Budissin, nahe bei der Waage, lag noch vor wenig Jahren ein Stein, einer Bank ähnlich, und erinnerte an folgende, nach Angabe der Chroniken, geschichtlich wahre Begebenheit, welche ins Jahr 1407 fällt. Dazumal war König Wenzel oder Wenzlaw von Böhmen Herr der ganzen Lausitz.
zieht ein in Budissin,
und reitet mit dem Trosse
flugs vor das Rathhaus hin,
„Kam ich sonst mal hieher,
da kam man, mich zu grüßen;
jetzt sind die Gassen leer!“
Er schickt ein Fähnlein Knechte,
und steigt herab vom Rosse,
und zieht sein langes Schwert,
und läßt stracks vor sich fordern
die Innungen der Stadt
und auch den alten Rath.
Drauf schreitet er in’s Rathhaus,
die Ritter hinterdrein,
und nimmt an langer Tafel
die Ritter allzumal;
der König spiegelt sinnend
sich in des Schwertes Stahl.
aufs breite Beil gestemmt,
und fordern streng die Waffen
von Jedem, der da kömmt.
Scheu kommen die Rebellen
der alte Rath naht grüßend
mit freud’gem Angesicht.
Die Gildenmeister 1) legen
mit todesbangem Sinn
stumm vor den König hin,
und harren mit Entsetzen,
furchtbarer Ahnung voll,
was hier mit ihnen allen
Der König spricht: „Wohl kenn’ ich
die Meuterei der Stadt!
Ihr legtet vor zwei Jahren
Hand an den alten Rath,
der ihr es Rechtens seyd,
eu’r Wort war stets in Ehren,
sagt an und gebt Bescheid!“
„Herr, laßt mir die Erzählung
der bösen Zeiten nach!
Es war am nächsten Morgen
nach Jesu Himmelfahrt, 2)
so arg vergolten ward.“
„Die Tucher 3) und noch Viele
aus andern Gilden mehr
verschworen sich zusammen,
und trieben uns von dannen
mit bösem Schimpf und Spott;
wir hatten’s nicht verschuldet,
das weiß der liebe Gott!“
den ihr so lieb geschätzt,
der ward im Lauenthurme
in Ketten festgesetzt.
Uns And’re ließ man ledig
mit unsern Aemtern haben
die Tucher sich belieh’n.“
„Drauf haben sie den Landvogt,
den Pflug von Rottenstein,
bis in den Herbst hinein. 5)
und Unfugs ausgeübt;
mag’s Gott der Stadt vergeben,
Der König spricht: „So ist es!
Ich weiß die Meuterei,
und nur die Fleischergilde
blieb von dem Frevel frei.
was sie am Rath gethan!
Ihr murrt? Ich will euch zeigen,
was König Wenzel kann!“
Aufspringt er von dem Sessel,
die Freiheitsbrief’ in Stücken:
„Schau her, verworf’ne Brut!
Dein Recht tret’ ich mit Füßen!
Sprecht, was mich hindern will,
und Alle – schweigen still.
Die Wuth zwängt seine Stimme,
er schlägt mit starker Faust
so grimmig auf die Tafel,
Sein Auge rollt und funkelt,
sein Antlitz wird so bleich,
die Lippe schäumt, – die Bürger,
sie zittern allzugleich.
besänftigend ihn an:
„Herr, laßt’s die Stadt nicht büßen,
was sie an uns gethan!
Die meisten der Verklagten,
und nur der Meute Häupter
sind solcher Strenge werth.“
„Wohlan! – hub drauf der König
mit heiser Stimme an –
daß ich sie richten kann.“
Der Burgemeister nennet
die Namen ängstlich her,
die Herrn des neuen Rathes
Er nannte hundert Namen,
ein Ritter schrieb sie auf,
der König rief vom Markte
die Reisigen herauf,
„Schafft diese Männer fort!“
und zu den beiden Schergen:
„Gleich auf dem Markte dort!“
Da stürzt vor seinem König
„Ach, Herr, um Gottes willen,
erweicht den strengen Sinn!
sie werden’s schwer bereu’n,
und wack’re Bürger seyn!“
„Nein nimmermehr!, – erwiedert
der König düster drauf –
das Wort, so ich gesprochen,
Doch, daß man nimmer sage,
daß ich zu strenge sey,
wohlan, so wählet funfzig,
die will ich lassen frei!“ 6)
die Funfzig jammernd aus,
die andern Funfzig führen
die Schergen stracks hinaus.
Drauf spricht der König warnend:
merkt euch, wie König Wenzel
jetzt hier gerichtet hat!“
Der alte Rath war bieder,
drum bleibt ihm unterthan,
stets zu euch kommen kann.“
Er drückt dem alten Schefer
die Hand, und winkt dem Troß,
und eilt hinaus zum Saale,
und durch der Knechte Schaar
hin zu dem Wassertroge,
allwo der Richtplatz war.
auf einer Bank von Stein;
der Erst’ im Aufruhr, muß er
der Erst’ im Tod auch seyn.
Die beiden Schergen wechseln
und Ströme Blutes triefen
herab am Beilesheft.
Die Köpfe rollen dröhnend
aufs nackte Pflaster hin,
das Volk von Budissin.
Der König, hoch zu Rosse,
blickt stumm und finster drein,
als wünscht’ er doch, er könnte
Und als das Paar der Schergen
sein Werk vollendet hat,
da wendet er den Rappen,
und reitet aus der Stadt.
im blutigen Ornat
rings um die Peterskirche
der meuterische Rath.
Sie schreiten so gespenstig
und ihr Erscheinen deutet
Unglück in Budissin.
1) Gildenmeister hieß sonst der Vorgesetzte einer Gilde oder Innung und Zunft.
2) Nach Jesu Himmelfahrt, nemlich am 29. Mai 1405.
3) Tucher, ehemals so viel als Tuchmacher.
4) Schardwitz war einer der abgesetzten Rathsherrn.
5) Drauf – hinein. Die Chronik lautet: „1405 um vincula Petri (Petri Kettenfeierfest) hat der neue Rath mit der Gemeine das Schloß Ortenburg belagert, und das Geschütz der Stadt mit Gewalt genommen, sind dafür gelegen bis Michaelis, ist damals Heinrich Pflug von Rottenstein Landvogt gewesen, der machte Frieden mit ihnen, daß sie abzogen.“
6) Doch wurden die begnadigten Funfzig mit Weib und Kind für immer Landes verwiesen.
7) Fritzsche Flücker. Die Chronik: „Der König hat die Personen aus dem neuen Rathe, so die Tuchmacher gesetzt, enthaupten lassen, als: Fritzsche Flücker, George Mayfort, Hanß Müller, Nicol Oehern, Hanß Hacke, Mathes Prielisch, Groß Nicol, Peter Stusse, Conrad Raschid, Martin Schreiber, Heinrich Heuerbach, Michel Prietzel, Peter Preschwitz, (war Bürgermeister) und 12 Rathsherrn, dazu der Stadtschreiber ward geviertelt, u. s. w.“ – Von dem bankähnlichen Steine am Wassertroge spricht Böhland (Geschichte der Stadt Budissin, S. 82): „Diese Hinrichtung geschah jedoch nicht auf der am Wassertroge befindlichen langen Platte, die erst später als Fischbank hingelegt wurde, wie man deren auch in andern Städten sieht.“ Der Sage nach aber war dieser Stein die Hinrichtungsstätte jener Funfzig.