Textdaten
<<< >>>
Autor: Paul von Schönthan
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Der Segen des Telephons
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 19, S. 319
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1887
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite

[319] Der Segen des Telephons kommt Niemand so sehr zu Statten, wie der Frau Regierungsräthin Müller in Berlin. Die ältliche Dame ist Wittwe, sie besaß drei Töchter, die sich nach einander verheirathet haben. Leider fügte es der Zufall, daß die drei jungen Paare in die Provinz verschlagen wurden. Mariechen hat einen Hauptmann geheirathet, der ein Jahr nach der Hochzeit nach Spandau versetzt wurde; Mathildens Mann hat nach dem plötzlichen Tod seines Bruders dessen Geschäft in Magdeburg übernehmen müssen, und Grete heirathete nach Stettin; sie hatte einem Schiffsbau-Ingenieur die Hand gereicht. Nun ist die alte Dame ganz allein, und das ist oft gar traurig, zumal an den langen Winterabenden. Ja wenn das Telephon nicht wäre, o, das ist eine prächtige Einrichtung! Die Frau Regierungsräthin war eine der ersten, die sich anschließen ließ, seit die Verbindung mit den drei genannten Städten hergestellt worden ist, und obwohl sie den Anblick ihrer geliebten Kinder entbehren muß, steht sie doch, dank dieser wunderbaren Erfindung, in fortdauerndem lebhaften Verkehr mit ihnen. Schon am frühen Morgen bimmelt die Signalglocke. Mathilde in Magdeburg spricht: „Guten Morgen, Mamachen, bitte, sag ’mal, wie viel Eier nahmen wir doch immer zur Mayonnaise?“ – und der zwischen Berlin und Magdeburg gespannte Draht vermittelt das Mayonnaisenrecept. Nach einer Weile meldet sich Grete: „Ich habe die Schneiderin im Haus, räthst Du mir, daß ich mein weißes Cachemirkleid zertrennen lassen soll?“ – Und nun entspinnt sich zwischen der deutschen Kapitale und Stettin ein angelegentliches Gespräch über das Geschick des weißen Cachemirkleides. Die Frau Regierungsräthin kann sich’s nicht versagen, Grete der Verschwendungssucht zu zeihen; die Unterredung wird mit steigender Leidenschaftlichkeit geführt; zuletzt mischt auch noch die Stettiner Schneiderin ihre Stimme hinein, indem sie der Frau Regierungsräthin ihre Ansichten über das weiße Cachemirkleid unumwunden darlegt.

Mariechen in Spandau legt weniger Gewicht auf so praktische Dinge, und wenn sie ihre zärtlich geliebte Mama an den Apparat ruft, sind es nur Spandauer Weltbetrachtungen, die sie von sich giebt, z. B.: „In Spandau regnet es seit gestern, bei Euch auch? Man wird hier ganz schwermüthig“ etc. Der unbezahlbare Nutzen des Telephons erweist sich aber erst am Abend, wenn die Tagesfragen schweigen und die Stunden der geselligen Unterhaltung anbrechen. Da wird der Frau Regierungsräthin die Zeit nicht lang; sie rückt ihren behaglichen Lehnstuhl an den Kamin, in dessen Nähe sich der Apparat befindet, und unterhält sich bei ihrem einsamen Thee, als säße sie im plaudernden Kreise ihrer Kinder. Besonders wenn Grete, Mariechen oder Mathilde oder gar alle drei melden, daß die Männer ausgegangen sind, dann setzen sich die vier Damen im Geiste zusammen, und durch die mütterliche Vermittelung spricht die Schwester in Magdeburg zur Schwester in Stettin, und Spandau ist auch dabei; ja, oft giebt’s zwischen den entfernten Schwestern einen ganz erregten Disput, und der Mama kommt es zu, telephonisch das Vermittleramt zu übernehmen. Daß bei dieser Gelegenheit auch der abwesenden Männer gedacht wird, ist selbstverständlich, und da die Frau Regierungsräthin von den jungen Ehemännern, wenn auch nicht gefürchtet, so doch als strenge und gerechte Schwiegermutter respektirt wird, genügt oft die verkappte Drohung: „Ich werde, während Du ins Kasino gehst, mit Mama in Berlin sprechen,“ um die Pflichtvergessenen an das Haus zu fesseln, und das ist ein Nutzen des Telephons, an den kaum noch Jemand gedacht hat. Paul v. Schönthan.