Der Schatz auf dem Hutberge (Gräve)

Textdaten
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Autor: Heinrich Gottlob Gräve
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Titel: Der Schatz auf dem Hutberge
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aus: Volkssagen und volksthümliche Denkmale der Lausitz, S. 134–137
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Erscheinungsdatum: 1839
Verlag: F. A. Reichel
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Erscheinungsort: Bautzen
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Quelle: MDZ München, Commons
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LVI. Der Schatz auf dem Hutberge.

Abermals eine Braupfanne voll Gold! –

In der Nacht des Tages aller Seelen – denn in der Walpurgisnacht halten bekanntlich Geister und Gespenster Hauptquartal auf dem Brocken – zeigen sich auf dem bei Schönau in den, dem Stifte Marienstern zugehörigen eigenschen Dorfschaften, gelegenen Hutberge, große Feuergestalten von hoher konischer Form, in nicht unbedeutender Menge, welche sich verschiedendlich gruppiren, in geschlossenen [135] Reihen unter seltsamen Hüpfen und Sprüngen einen Ringeltanz halten, wunderbare Töne, gleich dem Pfeifen des Windes, in abwechselnden Akkorden hören lassen, mit Gedankenschnelle über die Kirchhofmauer schlüpfen und daselbst plötzlich verschwinden.

Dieses ist der alleinig günstige Zeitpunkt, in welchem derjenige, welcher ihn benutzt und die gehörigen Kenntnisse und Hilfsmittel besitzt, die Geister zähmen und sich dieses, eine Braupfanne füllenden Schatzes, bemächtigen kann. Die Mühe wird sich belohnen, indem man schon mehreremale in unbedeutender Tiefe der Erdfläche Ringe, römische und griechische Münzen, Brakteaten und andere Goldstücke von unbekanntem Gepräge, welche die Höllengeister bei etwaiger guten Laune verstreut, gefunden hat.

Das Hilfsmittelchen besteht nach der Sage in Folgendem: Man schlachtet ein in der Walpurgisnacht gefallenes Böckchen, füllt sodann eine Schaale mit Rabenblut, in welchem man ein Wiedehopfherz und eine Wolfsleber bratet, läßt dieses mit dem Böckchen, nachdem man letzteres mit den Eingeweiden eines Fuchses vorsichtig umwunden, in Haifischthran schmoren und setzt es in der siebenten Abendstunde gedachten Tages den Geistern der Unterwelt auf den daselbst befindlichen Kreuzweg, mit einem aus Eibischholz, von einem zum Tode Verurtheilten, gedrehten Becher voll Tigerblut zum Mahle vor; so versichert die Sage, daß man sich alsdann dieses so lange unter der Erde verborgenen Schatzes bemächtigen könne. In der eilften bis zur zwölften Stunde der Nacht wird sich nämlich der Berg erschließen und die Braupfanne menschlichen Augen sichtbar [136] werden. Die feindlichen Geister sind versöhnt und werden mit Vergnügen den Schatz dahin tragen, wohin es dem, der ihn hob, beliebt; nur lasse man sich nicht von den Erscheinungen – von welcher Art sie auch immer seyn – stören, man säume ja nicht, denn sobald der letzte Seigerschlag der zwölften Stunde verhallt, verschwindet der Schatz, der Berg verschließt sich und öffnet sich erst nach einem Jahrhundert bei Anwendung des obenerwähnten Mittels.

Lebte – so fährt die Sage fort – im Alterthume da, wo man jetzt noch die verfallenen Mauertrümmer – indem die meisten Steine zur Kirchmauer sind angewendet worden – Dornhecken und andere Sträucher erblickt, auf seiner vesten Burg der Raubritter Ulrich Ruprecht,[1] welcher Klöster plünderte, Reisende beraubte, andere Ritter glücklich befehdete und dadurch jene unermeßlichen Reichthümer, die er in seinem Felsenkeller verschloß, anhäufte. Aus diesem Keller nun führte ein unterirdischer Gang da, wo jetzt Bernstadt steht, in die Wohnung seines Helfershelfers: Bernhard Dietrich,[2] welche ihm im [137] Fall der Noth eine sichere Zuflucht gewähren sollte und wohin er auch bereits einen bedeutenden Theil seiner Schätze geschafft, sich aber natürlich das Beste selbst behalten hatte. Der Abhang des Berges führte zum Eingang des Kellers. Hier nun wühlte der Ritter oft in den Gold- und Silberhaufen seines unrechtmäßig erworbenen Guthes. Als er sich auch einst damit beschäftigte, vermauerte in einem Anfalle von muthwilliger Laune der Lügenfürst den Zugang. Niemand wußte, wo der Ritter, den man vergeblich suchte, geblieben sey, und der Geizhals, dem der Ausweg versperrt war, mußte bei seinen Schätzen elendiglich verhungern.


  1. Wahrscheinlich kommt von ihm der zur Weihnachtszeit von Kindern so gefürchtete Knecht Ruprecht her. Der Name ist ächt teutsch – Robert – Ruprecht – denn das Experto crede Ruperto, ist neuer. Den Ruprecht, gestützt auf die Stelle des Juvenal S. III, 174,

    – „Cum personae pallentis hiatu
    In gremio matris formidat rusticus infans“ –

    aus der Römerzeit herzuleiten, möchte wohl – obschon manche Masken derselben gräulich genug waren – irrig seyn.

  2. Bernhard Dietrich mag wohl mit dem ihm anvertrauten Gute nicht so gewissenhaft umgegangen seyn; indem er sich eine Stadt, welcher er seinen Namen: Bernhards Stadt, gegeben, davon erbaut hat; daher Bernstadt – Berndietrich, – Pandietrich, dessen in diesen Sagen schon mehrere Male ist gedacht worden und den man – so wie den Roland, Siegfried und Weißkönig – bei den Teutschen in dem Sagenkreise so häufig als Scherwenzel (Wenzel, der oft herhalten muß, oft geschoren wird,) gebraucht.