Der Schäferssohn und die zauberische Königstochter

Textdaten
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Autor: Johann Wilhelm Wolf
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Titel: Der Schäferssohn und die zauberische Königstochter
Untertitel:
aus: Deutsche Hausmärchen, S. 390–396
Herausgeber: Johann Wilhelm Wolf
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1851
Verlag: Dietrich'sche Buchhandlung, Fr. Chr. Wilh. Vogel
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Erscheinungsort: Göttingen und Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Google und Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
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Der Schäferssohn und die zauberische Königstochter.

Es war einmal ein Schäfer, der hütete seine Schafe Tag für Tag auf einer Wiese vor einem verhexten Walde, in den er sich nie zu gehen getraute. Eines Tags war ihm seine Pfeife ausgegangen, und da er Feuer schlagen wollte, merkte er, daß er seinen Stahl verloren hatte. Zugleich sah er, daß vor ihm der ganze Wald in Flammen stand. Nach Hause laufen konnte er nicht und Feuer mußte er haben, also faßte er sich ein Herz und ging auf den Brand zu, um sich seine Pfeife anzustecken. Er war aber kaum daran, so hörte er sich ganz aus der Nähe bei Namen rufen. Er blieb stehen und sah sich um, da rief es noch einmal, es war aber Niemand da. Endlich, als es zum dritten Male rief, sah er vor sich auf der Erde eine große Schlange, die kam aus dem Feuer hergekrochen und sagte, sie wolle ihn glücklich machen auf sein Lebtag, wenn er mit ihr in den Wald gehen wolle. Der Schäfer war ein armer Kerl und sagte ja. Nun kroch das Gewürm vor ihm her, gerade in den Wald hinein; das Feuer war fort, denn es war nur ein Blendwerk gewesen, um ihn anzulocken. Sie kamen immer tiefer in den Forst hinein, endlich hielt die Schlange bei einem Haselbusch und hieß ihn eine Gerte brechen. [391] Als er es gethan hatte, kroch sie wieder vorwärts, und der Wald ward immer dichter und dunkler. Sie kamen noch an zwei andere Haselbüsche: bei jedem hieß ihn die Schlange still halten und eine Gerte brechen, und an jede Gerte mußte er sich ein besonderes Zeichen machen, um sie nicht mit den andern zu verwechslen. Endlich, als der Wald so dicht war, daß man fast nicht mehr hindurch konnte, und der Schäfer so müd, daß ihn die Beine nicht mehr tragen wollten, standen sie vor einem hohen Schloß mit einem großen starken Thor. Da hieß ihn die Schlange mit der ersten Gerte dawiderschlagen, und alsbald sprang es auf. Sie kamen durch einen langen dunklen Gang in einen Hof, darin stand ein anderes Schloß mit einem noch stärkeren Thor. Er mußte mit der zweiten Gerte dawiderschlagen, und es ging wieder durch einen dunklen Gang in einen schönen Hof, worin ein Schloß mit einem noch viel stärkeren Thor stand. Das mußte er mit der dritten Gerte aufmachen. Jetzt führte ihn die Schlange treppauf, treppab, bis in ein wunderschönes Zimmer. „Dein Glück ist halb vollbracht,“ sprach sie, „um es ganz zu vollbringen, mußt du sieben Jahr lang hier in dieser Kammer bleiben und nicht vor die Thür gehen. Auf deinem Tisch wirst du immer Alles finden, was du nur brauchen und wünschen kannst. Das Geschirr von deinem Essen und Alles, was du nicht bei dir behalten willst, mußt du zum Fenster hinauswerfen, nie aber darfst du nachsehn, wo es hinfällt.“ Als sie das gesagt hatte, machte sie sich fort zur Thür hinaus und der Schäfer wünschte sich gleich einen ganzen Tisch voll Essen und Trinken. Er aß und trank [392] sich satt und warf dann das Geschirr zum Fenster hinaus, kümmerte sich auch sehr wenig darum, wo es hinfiel.

So lebte er fort bei drei Jahre, da war die Langeweile so groß geworden, daß er gar nicht mehr wußte, was er nur thun sollte. Er fing an sich Gedanken darüber zu machen, was für ein großer Haufen von zerbrochnem Geschirr wohl jetzt unter seinem Fenster liegen müsse. Zuletzt konnte er sich nicht mehr enthalten, und als er wieder einen Pack Teller hinunter geworfen hatte, legte er sich hinaus und schaute hinab. Da sah er freilich keinen Geschirrhaufen, wohl aber einen ganzen Hof voll großer Thiere, eines immer seltsamer und erschrecklicher anzusehn als das andere, welche die Teller und Schüsseln mit den Mäulern auffingen und fortschleppten. Er machte schnell das Fenster zu, doch da klopfte es schon an der Thür und ob er gleich nicht „herein“ sagte, so kam die Schlange doch und war sehr bös und sagte, jetzt hätte er die Wahl, ob er gleich auf der Stelle sterben oder die sieben Jahre noch einmal von Born anfangen wolle. In seiner Angst versprach er's gern und war nur froh, daß er das Leben behalten sollte. Da er jetzt wußte, wo das Geschirr hinkam, kam er in keine Versuchung mehr, zum Fenster hinaus zu sehn, und so hielt er denn die sieben Jahre richtig aus.

Als die Zeit um war, klopfte es wieder. Dießmal rief er herzhaft: „Herein!“ die Thür ging auf und herein kam ein König mit einer goldnen Krone und hinter ihm sein ganzer Hofstaat. Das waren alle die häßlichen Thiere, die seine Teller fortgetragen hatten und jetzt erlöst waren. Sie bedankten sich [393] gar sehr bei ihm, der König aber sprach: „Nun kannst du unter drei Stücken dir eines wählen, das du willst. Willst du ein goldnes Hemd, oder ein eisernes Schwert oder eine goldne Krone?“ „Das eiserne Schwert!“ rief der Schäfer, und der König sagte: „Du hast zu meinem und zu deinem Vortheil gewählt. Hättest du die Krone verlangt, so wärst du statt meiner König geworden; hättest du das Hemd verlangt, so hätte es mir und dir nichts genützt. So aber bist du durch das Schwert unüberwindlich gemacht, und ich ernenne dich zu meinem obersten General.“

Der König konnte auch einen guten General brauchen, denn sein Nachbarkönig sah kaum, daß er wieder erlöst war, so fing er auch schon Krieg mit ihm an. Das war aber sein eigner Schaden, denn er durfte so viel Soldaten hinausschicken, als er nur wollte, der Schäfer mit seinem Zauberschwert schlug sie alle todt. Der fremde König hatte aber eine gar kluge Tochter, der klagte er seine Noth, und das Mägdlein sagte, er solle sie nur gehn lassen, sie wolle es schon machen. Als es dunkel wurde, lief sie hinüber in das feindliche Lager und ließ sich fangen, und als sie vor den obersten General gebracht wurde, verliebte sich der gleich so in sie, daß er sie nicht mehr von sich ließ und sie mit sich in sein Zelt nahm. Die Nacht aber, als er schlief, stand die falsche Prinzessin auf, nahm sein Schwert das an der Zeltwand hing und lief damit hinüber zu ihrem Vater. Des andern Tages wurde das ganze Heer des Schäfers todtgeschlagen und er selber gefangen vor den feindlichen König gebracht. Der ließ ihn [394] mit dem Beil zerhacken und packte die Stücke in eine Schachtel; die schickte er seinem Nachbar und ließ ihm einen schönen Gruß sagen da hätte er seinen General!

Da gab es großes Wehklagen im ganzen Lande, der König aber gab die Hoffnung nicht auf, er ließ die ganze Zaubererzunft zusammenkommen und befahl ihnen, den General wieder zusammen zu setzen. Da legten die Zaubergesellen die Stücke auf einem Tisch zurecht, setzten sie aneinander und bestrichen sie mit Wundersalbe, daß sie wieder zusammenwuchsen. Nun war der General fertig bis auf das Leben, und das gab ihm der Zaubermeister. Zugleich schenkte er ihm die Gabe, sich zu verwandeln in was er wollte. Das war dem Schäfer recht. Er verwandelte sich in ein wunderschönes Pferd und ließ sich von einem Juden in das feindliche Land führen. Bald sprach Alles von dem schönen Pferde; der König sagte, das dürfe Niemand haben, als er, und kaufte es dem Juden für schweres Geld ab.

Als aber das Thier im Stalle stand und des Königs kluge Tochter es besehen hatte, sprach sie zu ihrem Vater: „Das Pferd kann ich nicht dulden, der Schinder muß ihm den Kopf abhacken!“ Das hörte des Königs Köchin, die war dem schönen Thiere gut und ging zu ihm in den Stall und streichelte es und sprach dabei: „Wie dauerst du mich, daß du sterben mußt, der Schinder wird kommen und dir den Kopf abhacken.“ Da hob das Pferd seinen Kopf in die Höhe und sprach: „Wenn mir der Schinder den Kopf abhackt, so sollen drei Tropfen Blut an deine Schürze [395] springen, die mußt du mir zu liebe unter die Dachtraufe vergraben, es soll dir nicht vergessen sein.“

Wie das Pferd gesprochen, so geschah es; die Köchin begrub die Schürze mit den drei Blutstropfen unter der Dachtraufe, und des andern Morgens war ein wunderschöner Weißkirschbaum voll der schönsten Kirschen daraus hervorgewachsen. Als die Prinzessin aus ihrem Schlafgemach herunter kam, sah sie den Baum. Da ging sie zu ihrem Vater und sprach: „Den Baum im Hofe leid ich nicht, der Zimmermann muß kommen und ihn mit dem Beil umhauen.“ Die Köchin hatte es aber wieder gehört und ging hinab und sprach: „Ach armer Baum, du thust mir leid, der Zimmermann soll kommen und dich mit dem Beil umhauen.“ Da sprach der Baum: „Und wenn der Zimmermann kommt und mich mit dem Beil umhaut, so mußt du mir zu lieb drei Späne von mir nehmen und sie in den Teich der Prinzessin werfen.“ Wie der Baum gesprochen, so geschah es; die Köchin warf die drei Späne in den Teich der Prinzessin und des andern Morgens schwammen drei goldene Enten darauf. Als die kluge Königstochter in den Garten kam und die Enten sah, so sprach sie: „Die Enten leid ich nicht.“ Sie nahm ihren Bogen und schoß zweie davon todt, die dritte aber gefiel ihr so gut, daß sie sich in einen Kahn setzte und ihr nachruderte, bis sie sie gefangen hatte. Des Abends nahm sie die Ente mit in ihre Schlafkammer, wo auch das gestohlne Schwert an der Wand hing. Das that gut bis um Mitternacht, da packte die Ente das Schwert auf und flog damit fort bis in das Nachbarland. Hier wurde sie wieder zum [396] General, der ging zu seinem König und zeigte ihm das wiedergefundene Schwert. Da gab es große Freude im Schloß und des andern Tags zog der Schäfer wieder gegen den Feind. Als die feindlichen Soldaten todt waren, eroberte er die Hauptstadt und machte den König mit seiner ganzen Familie nieder, die gute Köchin aber nahm er zur Frau und sie waren König und Königin und hielten gute Nachbarschaft mit dem andern König und wenn sie nicht gestorben sind, leben sie heute noch.