Der Räderberg
Räderberg.
Mündlich. |
Ein Metzger von Nassau ging aus, zu kaufen. Auf der Landstraße stößt er bald auf eine dahin fahrende Kutsche und geht ihr nach, den Gleisen in Gedanken folgend. Mit einmal hält sie an und vor einem schönen großen Landhaus, mitten auf der Heerstraße, das er aber sonst noch niemals erblickt, so oft er auch dieses Wegs gekommen. Drei Mönche steigen aus dem Wagen und der erstaunte Metzger folgt ihnen unbemerkt in das hellerleuchtete Haus. Erst gehen sie in ein Zimmer, einem die Communion zu reichen, [367] und nachher in einen Saal, wo große Gesellschaft um einen Tisch sitzt, in lautem Lärmen und Schreien ein Mahl verzehrend. Plötzlich bemerkt der Obensitzende den fremden Metzger und sogleich ist alles still und verstummt. Da steht der Oberste auf und bringt dem Metzger einen Weinbecher mit den Worten: „noch einen Tag!“ Der Metzger erschauert und will nicht trinken. Bald hernach erhebt sich ein Zweiter, tritt den Metzger mit einem Becher an und spricht wieder: „noch einen Tag!“ Er schlägt ihn wieder aus. Nachdem kommt ein Dritter mit dem Becher und denselben Worten: „noch ein Tag!“ Nunmehr trinkt der Metzger. Aber kurz darauf nähert sich demselben ein Vierter aus der Gesellschaft, den Wein nochmals darbietend. Der Metzger erschrickt heftiglich, und als er ein Kreuz vor sich gemacht, verschwindet auf einmal die ganze Erscheinung und er befindet sich in dichter Dunkelheit. Wie endlich der Morgen anbricht, sieht sich der Metzger auf dem Räderberg, weit weg von der Landstraße, geht einen steinigten, mühsamen Weg zurück in seine Vaterstadt, entdeckt dem Pfarrer die Begebenheit und stirbt genau in drei Tagen.
Die Sage war schon lang verbreitet, daß auf jenem Berg ein Kloster gestanden, dessen Trümmer noch jetzt zu sehen sind, dessen Orden aber ausgestorben wäre.