Der Philanthrop
Der Philanthrop.
Das waren zwei liebe Geschwister,
Die Schwester war arm, der Bruder war reich.
Zum Reichen sprach die Arme:
Gieb mir ein Stückchen Brod.
„Laß mich nur heut in Ruh.
Heut geb’ ich mein jährliches Gastmahl
Den Herren vom großen Rath.
Der Eine liebt Schildkrötensuppe,
Der Dritte ißt gern Fasanen
Mit Trüffeln von Perigord.
Der Vierte speist nur Seefisch,
Der Fünfte verzehrt auch Lachs,
Und trinkt noch mehr dazu.“
Die arme, arme Schwester
Ging hungrig wieder nach Haus;
Sie warf sich auf den Strohsack
Wir müssen alle sterben!
Des Todes Sense trifft
Am End’ den reichen Bruder,
Wie er die Schwester traf.
Sein Stündlein kommen sah,
Da schickt’ er zum Notare
Und macht sein Testament.
Beträchtliche Legate
Die Schulanstalten, das große
Museum für Zoologie.
Mit edlen Summen bedachte
Der große Testator zumal
Und das Taubstummen-Institut.
Er schenkte eine Glocke
Dem neuen Sanct-Stephansthurm;
Die wiegt fünfhundert Centner
Das ist eine große Glocke
Und läutet spat und früh;
Sie läutet zum Lob und Ruhme
Des unvergeßlichen Manns.
Wie viel er Gutes gethan
Der Stadt und seinen Mitbürgern
Von jeglicher Confession.
Du großer Wohlthäter der Menschheit
Jedwede deiner Wohlthaten
Verkünden die große Glock’!
Das Leichenbegängniß wurde
Gefeiert mit Prunk und Pracht;
Und staunte ehrfurchtsvoll.
Auf einem schwarzen Wagen,
Der gleich einem Baldachin
Mit schwarzen Straußfederbüscheln
Der strotzte von Silberblechen
Und Silberstickerein;
Es machte auf schwarzem Grunde
Das Silber den schönsten Effect.
In schwarzen Decken vermummt;
Die fielen gleich Trauermänteln
Bis zu den Hufen hinab.
Dicht hinter dem Sarge gingen
Schneeweiße Schnupftücher haltend
Vor dem kummerrothen Gesicht.
Sämmtliche Honoratioren
Der Stadt, ein langer Zug
Wackelte hinten nach.
In diesem Leichenzuge,
Versteht sich, befanden sich auch
Die Herren vom hohen Rathe,
Es fehlte Jener, der gerne
Fasanen mit Trüffeln aß;
War kurz vorher gestorben
An einer Indigestion.