Textdaten
Autor: Hans auf der Wallfahrt d.i. August von Arnswaldt
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Der Lindenzweig
Untertitel:
aus: Eichendorff-Kalender auf das Jahr 1919 Ein romantisches Jahrbuch im Aufsatz Eduard Arens: Wer ist „Hans auf der Wallfahrt“? S. 72-75
Herausgeber: Wilhelm Rosch
Auflage:
Entstehungsdatum: ca. 1818
Erscheinungsdatum: Vorlage:none
Verlag: Parcus
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: München
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
Das Gedicht entstammt einem Protokoll des literarischen Kreises, dem auch die Herausgeber der Wünschelruthe angehörten. Siehe Eduard Arens: Wer ist „Hans auf der Wallfahrt“?
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[72]
5. Der Phönix.

Phönix, Liebling aller Götter,
Dem Apoll mit eigner Hand
Kränze heil’ger Lorbeerblätter
Um die würd’ge Stirne wand,

5
Lebte einstens, himmlisch singend,

Allen Wilden Bildung bringend,
In der Künste Vaterland.

Wie der Aar dem Horst entschwebet,
Brach sein mächtig Lied hervor;

10
Wie die Flamm’ sich lodernd hebet,

Stieg es wirbelnd hoch empor.
Wogend senkt es sich dann nieder,
Und in sanften Tönen wieder
Rührt es das erstaunte Ohr.

[73]
15
Äschylos – denn so auf Erden

Kannten alle Völker ihn –
Durft’ er uns entrissen werden?
Mußt’ er uns auf ewig fliehn?
Wird er uns nie wieder singen?

20
Konnte solcher Ton verklingen?

Solches Feuer auch verglühn?

Horch! wie alle weinend klagen!
Weh! Des Schicksals hartes Wort
Hat auf ewig ihn getragen

25
Zu der Schatten finsterm Ort!

Aber matter Trostes-Schimmer
Malt in ihrem Blick sich immer:
Seine Lieder leben fort!

Ha! sie können ihn nicht sehen,

30
Wie er selber wirkt und lebt

Und zu der Vollendung Höhen,
Seinem großen Ziele, strebt;
Wie er freudig und entschlossen,
Von Ambrosia-Duft umflossen,

35
In dem ew’gen Raume schwebt.


Phönix, Phönix sollte sterben,
Stürzen in des Orkus Nacht?
Er, der Göttliche, verderben
Durch der Parzen finstre Macht? –

40
Da sie selber ihn erheben,

Und die Musen ihm nur leben,
Und Apollo für ihn wacht?

Schon umleuchten ihn die Sterne –
Da ertönt dem Göttersohn

45
Heil’ges Rauschen, leis’ und ferne,

Vom erhab’nen Albion.

[74]

Und er folgt dem hohen Rufe,
Und betritt die letzte Stufe
Zu des ew’gen Ruhmes Thron.

50
Was der Sänger lang vergebens

Sucht’, und hier nun endlich fand,
Und worin das Glück des Lebens
Großer Seelen stets bestand:
Freiheit ist’s, – um die zu retten,

55
Läge auch die Welt in Ketten,

Duldet alles dieses Land.[1]

Freiheit heilt ihm alle Wunden;
Freiheit nur ist seine Welt.
Sie, mit Tugend fest verbunden,

60
Ist’s, die ewig es erhält.

Freiheit ist sein einz’ges Sehnen;
Freiheit, Freiheit wird es krönen,
Bis der Bau des Himmels fällt!

Dahin senkt sich Phönix nieder –

65
Und vollendet ist sein Lauf.

Horch! ihn ruft Apollo wieder,
Regt die Urkraft in ihm auf –
Schon hat, da er tätig waltet,
Schon ein Holzstoß ihm gestaltet,

70
Und die Flamme lodert auf.


Und er stürzt sich in das Feuer;
Wonnig schwelgt sein Geist darin;
Schön ist seines Todes Feier,
Freudig, fessellos sein Sinn.

75
Ohne Klage, ohne Kummer

Sinkt er in den kurzen Schlummer,
Schwindet er in Asche hin.

[75]

Aber noch ein Funken glühet
Durch der Asche düstern Flor;

80
Klein, doch göttlich; – dieser sprühet

Aus des Todes Nacht hervor.
Alles Sterbliche vermodert;
Aus der schwachen Hülle lodert
Heil’ge Flamme hoch empor!

85
Und ein neuer Phönix schwebet

Auf zum freien Himmelszelt.
Wie die Kraft, die in ihm lebet,
Ihm den Mut der Seele schwellt!
Kühnes, freudiges Entzücken

90
Glüht in seinen Flammenblicken

Und sein Geist umfaßt die Welt.

Ha! jetzt singet er begeistert –
Wie in ihm ein Gott sich regt!
Wie der Neid nur an ihm meistert!

95
Wie er den daniederschlägt!

Wie ihn kühner, fesselfreier
Als den Vater, mächt’ges Feuer
Auf zum hohen Himmel trägt.

Siehst du wohl den Wandrer dorten,

100
Der voll Staunen nach ihm weist?

Fremd ist der an diesen Orten,
Der nicht weiß, wie jener heißt.
Wird er forschend nach ihm fragen,
Kannst du ihm mit Freude sagen:

105
Das ist Shakespeares Flammengeist.

  1. Man vergesse nicht, daß man damals 1818 schrieb!