Der Kranz (Die Gartenlaube 1897)
[52] Der Kranz. (Zu dem Bilde S. 49.) Einer der letzten sonnigen Herbsttage war’s, der sie noch einmal in den Garten gelockt hatte, um die Rosen zu pflücken, die noch da und dort, halb schon zerflatternd, an den Sträuchern hingen. Schmerzlich süße Erinnerungen sind es wohl, denen sie jetzt nachhängt, während ihre Hände die Blumen sachte aneinanderreihen. Gedenkt sie der so rasch dahingeschwundenen Frühlings- und Sommerzeit, da es in ihrem jungen Herzen mit den Rosen um die Wette knospte und blühte, da Einer im Garten an ihrer Seite ging, der nun fortzog in die weite, weite Welt? … Wann wird er ihr wiederkehren? Und wie? Die Blumen können’s ihr ja nicht sagen, und doch – auch sie reden ihre stille Sprache, mag der Winter noch so lange währen, es muß ja doch wieder Frühling werden, dann wird die schöne Rosenzeit wieder folgen und aus frischen, leuchtenden Blüten windet dann vielleicht „Er“ für sie den Kranz, den er der glücklichen Braut in die blonden Locken drückt!