Der Knabenmord in Xanten vor dem Schwurgericht zu Cleve vom 4. bis 14. Juli 1892/Tag 5
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Der Präsident, Landgerichts-Direktor Kluth, eröffnet gegen 9¼ Uhr Vormittags die Sitzung mit folgenden Worten: Ehe wir in die Verhandlung eintreten, habe ich auf einen wesentlichen Irrthum in einem Zeitungsbericht aufmerksam zu machen.
Herrn Hugo Friedländer, der den Bericht für das „Clever Kreisblatt“ und viele andere Zeitungen schreibt, dessen Berichte sonst sehr genau, sorgfältig und korrekt sind, ist ein wesentlicher Irrthum unterlaufen. Herr Friedländer läßt die Zeugin Hegmann auf meine Frage: Ob sie Blut an den Händen des Buschhoff gesehen habe, mit Ja antworten. Es ist das selbstverständlich ein arger Irrthum.
Ich fühle mich umsomehr verpflichtet, diesen Irrthum zu berichtigen, da derselbe einmal geeignet ist, die Herren Geschworenen zu beeinflussen, und anderentheils ein falsches Bild in der weiteren Oeffentlichkeit hervorzurufen. Es ist selbstverständlich, daß die Herren Geschworenen nicht Alles im Kopfe behalten können, und es liegt die Möglichkeit vor, daß die Herren Geschworenen zur Auffrischung ihres Gedächtnisses sich die Berichte noch einmal durchlesen. Aber auch mit Rücksicht auf das große Aufsehen, den der Prozeß in der ganzen Welt erregt, ist dieser Irrthum bedauerlich, und ich ersuche den Herrn Friedländer daher, einmal vorzutreten (Dies geschieht).
Präs.: Herr Friedländer, Ihre Berichte sind mit großer Sorgfalt geschrieben, ich muß Sie aber fragen, wie dieser offenbare Irrthum in Ihren Bericht kommen konnte?
Journalist Hugo Friedländer (Berlin): Ich erlaube mir zu bemerken, Herr Präsident, daß ich Zeugin Hegmann Ihre Frage, ob Buschhoff beblutete Hände gehabt, habe verneinen lassen, der Setzer hat aber leider aus dem „Nein“ ein „Ja“ gemacht und meine Korrektur, aus Anlaß der großen Eile, mit der die Berichte hergestellt werden müssen, wohl nicht berücksichtigt. Ich werde selbstverständlich sofort die erforderliche Berichtigung vornehmen.
Präs.: Herr Gerichtsschreiber, haben Sie die Güte, die betreffende Stelle aus dem Protokoll festzustellen.
Der Gerichtsschreiber verliest die betreffende Stelle aus dem amtlichen Protokoll, wonach die Zeugin Hegmann die Frage des Präsidenten, ob Sie gesehen habe, daß Buschhoff beblutete Hände gehabt, verneint habe.
Ein Geschworener bemerkt, daß ihm der erwähnte Irrthum in dem Friedländer’schen Bericht ebenfalls aufgefallen ist.
Präsident: Ich ersuche Sie also, Herr Friedländer, die erforderliche Berichtigung vorzunehmen.
Friedländer: Gewiß, Herr Präsident, ich bin sogar sehr dankbar, daß Sie mich auf diesen Druckfehler, den ich nachträglich gar nicht mehr bemerkt habe, aufmerksam gemacht haben.
Verth. Rechtsanwalt Fleischhauer: Im Anschluß hieran erlaube ich mir, darauf aufmerksam zu machen, daß verschiedene andere Zeitungsberichte von Unwahrheiten und tendenziösen Entstellungen strotzen. Ich hoffe, daß diese Berichte ebenfalls keinerlei Einfluß üben werden.
Präs.: Ich muß die anderen Herren Berichterstatter ersuchen, ebenfalls möglichst sachlich und sorgfältig zu berichten, wie es die Wichtigkeit des Falles erfordert. Außerdem wird mir der Wunsch ausgesprochen, die Herren Berichterstatter zu ersuchen, dem Gericht wenn möglich ihre Berichte, behufs Einverleibung in die Gerichtsbibliothek, zu übersenden. Wir treten nunmehr in die Verhandlung ein.
Der erste Zeuge ist Kaplan Bresser (Xanten). – Präs.: Herr Kaplan, Sie sind Redakteur des „Xantener Bote“? – Zeuge: Redakteur nicht, blos Mitarbeiter, ich habe aber einen großen Einfluß auf das Blatt. – Präs.: In dem „Xantener Bote“ sind einige Gutachten über die Ermordung des Knaben Hegmann veröffentlicht worden. Es würde sich empfehlen, dieselben hier zu verlesen. – Der Vertheidiger Rechts-Anwalt Fleischhauer verliest die im „Xantener Bote“ enthaltenen Gutachten, wonach der Heilgehilfe Rennings, der ehemalige Metzgermeister Junkermann und der Stadtverordnete Küppers erklärt hatten, daß der Leichnam blutleer war, daß sehr wenig Blut in der Scheune vorhanden gewesen sei und der sogenannte Schächtschnitt zu konstatiren war. – Präs.: Es handelt sich lediglich um das Gutachten des Junkermann, wer hat dieses Gutachten geschrieben?
Zeuge: Ich habe auf Grund von persönlichen Mittheilungen des Junkermann in einem Leitartikel geschrieben, daß der Halsschnitt ein sogen. Schächtschnitt war, zumal Junkermann mir sagte: er habe sich den Schnitt genau angesehen. Ich wurde aus Anlaß dieses Artikels im „Clever Kreisblatt“ angegriffen, in Folge dessen forderte ich den Junkermann auf, zu mir zu kommen, und nun erzählte mir dieser, er habe den Halsschnitt wohl nicht persönlich gesehen, aber nach der mir von Küppers und Rennings gemachten Beschreibung kann ich nur sagen, daß der Schnitt ein Schächtschnitt ist, ich kenne den Schächtschnitt ganz genau. Ich habe in Folge dessen ein Gutachten entworfen, habe es dem Junkermann vorgelesen, dieser hat dasselbe alsdann abgeschrieben und danach ist das Gutachten im „Xantener Bote“ veröffentlicht worden.
Verth. Rechts-Anwalt Fleischhauer: Kannten Sie den Charakter des Junkermann?
Kaplan Bresser: Ich habe den Junkermann nur oberflächlich gekannt, aber da er in der Mordsache eine sehr rege Thätigkeit entfaltete, sich mehrfach gutachtlich über den Fall äußerte u. s. w., so nahm ich an, er habe sich den Halsschnitt angesehen.
Verth. Rechtsanwalt Fleischhauer: Sie haben den Küppers, Rennings und Junkermann aufgefordert, Gutachten abzugeben?
Zeuge: Allerdings, aus Anlaß des „Clever Kreisblatt“ hielt ich es im Interesse der Wahrheit für nothwendig, die Gutachten einzufordern.
Verth. Rechtsanwalt Fleischhauer: Hat denn in dem „Clever Kreisblatt“ etwas von einem Schächtschnitt gestanden? Zeuge: Das weiß ich nicht mehr, jedenfalls bin ich persönlich im „Clever Kreisblatt“ angegriffen worden.
Rechtsanwalt Fleischhauer: Ich konstatire ausdrücklich, daß in dem „Clever Kreisblatt“ nicht ein Wort von dem Schächtschnitt gestanden hat.
Kaplan Bresser: Ich wiederhole, daß mich hauptsächlich die persönlichen Angriffe des „Clever Kreisblatt“ veranlaßt haben, festzustellen, daß der Halsschnitt ein Schächtschnitt war. Ich bemerke dabei ausdrücklich, daß ich stets vor den Exzessen gegen die Juden gewarnt und aus diesem Anlaß der „Judenkaplan“ genannt wurde. Ich tröstete mich aber mit dem heiligen Werner, der mir gewissermaßen als Vorbild dient.
Präs.: Es ist ja bekannt, daß der heilige Werner gegen die Judenverfolgung aufgetreten ist, diesen ließen Sie sich als Vorbild dienen?
Zeuge: Jawohl.
Verth.: Was bezweckten Sie aber mit den Gutachten? Die persönlichen Angriffe des „Clever Kreisblatt“, in denen, ich wiederhole es, von einem Schächtschnitt nichts gestanden, konnten Ihnen doch keine Veranlassung dazu geben?
Präs.: Herr Vertheidiger, ich weiß nicht, ob diese Frage noch zur Sache gehört.
Oberstaatsanwalt Hamm: Der Herr Kaplan Bresser ist als Zeuge geladen worden, da Junkermann bestritt, das Gutachten verfaßt und überhaupt vor der Veröffentlichung von demselben etwas gewußt zu haben. Die Beweisaufnahme hat ergeben, daß Junkermann ein sehr unzuverlässiger Zeuge, ein großer Schwätzer ist, der mehr spricht als er verantworten kann und das, was er heute bekundet, morgen widerlegt, mithin, sei es wissentlich, sei es unwissentlich, vielfach die Unwahrheit sagt. Damit ist aber die Vernehmung des Zeugen Kaplan Bresser erschöpft. – Auf weiteres Befragen bekundet noch Kaplan Bresser, daß er keineswegs Kinder, die über die Sache etwas wußten, vernommen, sondern Sie nur aufgefordert habe, die volle Wahrheit zu sagen.
Tagelöhner Schmeltzer: Seine Fenster führen nach dem sogenannten Porteweg. Er habe am Peter-Paulstage von 4 bis gegen 6 Uhr am Fenster gesessen, zum Fenster hinausgesehen und nichts Auffälliges wahrgenommen.
Frau Schmeltzer: Sie sei am Peter-Paulstage den ganzen Tag über zu Hause gewesen, habe oftmals zum Fenster hinausgesehen, aber nichts Auffallendes wahrgenommen. Am folgenden Tage habe Frau Buschhoff nichts gegessen, sie habe gehört, daß dieselbe an Magenschmerzen gelitten habe. Sie habe am Tage nach Peter und Paul auch gewaschen, habe in Folge dessen viel auf dem Hofe zu thun gehabt. Sie habe gesehen, daß das Buschhoff’sche Schlachthaus fest zu war; ob dasselbe vernagelt gewesen, wisse sie nicht. – Präs.: Haben Sie im vorigen Jahre den Keller des Buschhoff gereinigt? – Zeugin: Nein, ich weiß aber, daß der Keller Ostern gereinigt und mit Sand bestreut worden ist. – Präs.: Woher wissen Sie das? – Zeugin: Ich kann von dem Hofe aus in den Keller hineinsehen. – Präs.: Ich will hierbei bemerken, daß der Herr Staatsanwalt den Keller sauber vorgefunden hat.
Erster Staatsanwalt Baumgard bestätigt das.
Präs.: Buschhoff, wozu benützen Sie den Keller? – Buschhoff: Zur Aufbewahrung von Gemüse, Kartoffeln u. s. w. – Präs.: Wann wurde der Keller das letzte Mal gereinigt? – Buschhoff: Der Keller wird stets zu unserem Osterfest gründlich gereinigt. – Kaufmann Oster bekundet, daß im Jahre 1891 das jüdische Osterfest Ende April gewesen ist und derartige gründliche Reinigungen stets vor diesem Feste geschehen müssen.
Frau Schmitz: Sie sei am Peter-Paulstage gegen halb 12 Uhr Vormittags über den Porteweg zu Mallmann gegangen, habe aber nichts Auffälliges wahrgenommen.
Der folgende Zeuge ist der Kaufmann Siegmund Isaak. Dieser bekundet: Er habe früher in Xanten gewohnt, sei aber aus Anlaß der vielen Krawalle gegen die Juden aus Xanten fortgezogen. Er sei am Peter-Paulstage, Nachmittags gegen 2 Uhr, mit Fräulein Bertha Kahn zu Buschhoff gekommen und habe dort Buschhoff, die Hermine Buschhoff und den Siegmund Buschhoff angetroffen. Frau Buschhoff sei krank gewesen und habe im oberen Zimmer auf dem Sopha gelegen. Bis 4 Uhr Nachmittags, so fuhr Zeuge Isaak wörtlich fort, blieb ich bei Buschhoff. Während dieser Zeit, also von 2 bis gegen 4 Uhr, hat Hermine Buschhoff nur zwei Mal auf höchstens je eine Minute das Zimmer verlassen. Das eine Mal geschah es, weil das Mädchen uns Kaffee kochen wollte. Da wir aber den Kaffee nicht haben wollten und deshalb das Mädchen zurückriefen, so kehrte es auch sogleich zurück. Das zweite Mal verließ Hermine Buschhoff das Zimmer, um ihrer Mutter, die, wie erwähnt, im oberen Zimmer auf dem Sopha lag, eine Photographie zu zeigen, kehrte aber auch diesmal nach Verlauf von etwa einer Minute zurück. – Präs.: Ist es möglich, daß die Hermine aus dem Hause hinaus auf den Hof gegangen ist? – Zeuge: Nein, ich weiß mit voller Bestimmtheit, daß Hermine nur zwei Mal das Zimmer verlassen, nicht aber aus dem Hause gegangen ist. – Präs.: Mallmann, treten Sie einmal vor. Dieser Zeuge bekundet nun mit vollster Bestimmtheit, daß Hermine Buschhoff zwischen 2 und 4 Uhr Nachmittags das Zimmer nicht verlassen hat, während Sie behauptet haben, Sie hätten die Hermine entweder viertel vor oder viertel nach drei Uhr mit einem sackartigen Gegenstande unter der Schürze in die Küppers’sche Scheune gehen sehen? – Mallmann: Ich bleibe bei meiner Aussage und habe noch zu sagen: am Sonntag vor acht Tagen, den 26. Juni sprach ich in Gegenwart eines Carl Alst mit Fräulein Huiskens. Letztere bemerkte: Sie wundere sich, daß Frau Windthuis zu der Verhandlung keine Einladung erhalten habe. Sie (die Windthuis) habe gesehen, wie am Nachmittage ein Jude, Namens Isaak, auf dem Küppers’schen Hofe auf- und abging und mit der Hand nach der Buschhoff’schen Wohnung zu gewinkt habe. Die Windthuis hatte den Eindruck, als gebe der Jude der Hermine das Zeichen, daß die Luft rein sei und sie jetzt unbemerkt zur Küppers’schen Scheune gehen könne. Ich ging in Folge dessen sofort mit Carl Alst zu der Frau Windthuis und fragte diese: ob die Erzählung der Frau Huiskens auf Wahrheit beruhe. Frau Windthuis hat mir in Gegenwart des Carl Alst die Erzählung der Huiskens bestätigt und hinzugefügt: ich wundere mich, daß ich keine Vorladung erhalten habe. Wenn ich vor Gericht erscheinen würde, so könnte ich diese meine Wahrnehmung mit gutem Gewissen beschwören. – Staatsanwalt: Ich warne Sie, Mallmann, etwas Unwahres auszusagen, Sie haben vor Ihrer Vernehmung einen Eid geleistet, daß Sie die reine Wahrheit sagen werden. Nun kann ich Ihnen mittheilen, daß die Windthuis vernommen worden ist und bekundet hat: sie sei am Peter-Paulstage krank gewesen, habe den ganzen Tag über zu Bett gelegen und habe in Folge dessen nicht sehen können, was sich auf dem Hofe zugetragen hat. – Mallmann: Ich kann nur sagen, was mir Frau Windthuis in Gegenwart des Carl Alst mitgetheilt hat. – Präsident: Wer ist dieser Carl Alst? – Zeuge: Es ist ein junger Mann von achtzehn Jahren. Der Zeuge giebt die genau Adresse des Carl Alst an und bemerkt noch, daß Fräulein Marie Küppers, Tochter des Stadtverordneten Küppers, ihm erzählt habe, sie habe den Juden, der am Peter-Paulstage Nachmittags in ihrem Garten auf- und abgegangen sei, gefragt: was er hier wolle. Der Jude habe geantwortet: Ich will mir blos den Tabak ansehen. – Stadtv. Küppers, hierüber befragt, bekundet: Mallmann müsse sich irren. Seine Tochter habe an diesem Tage keinen Juden im Gart auf- und abgehen sehen, auch eine solche Frage nicht gestellt, sondern diesen Vorgang von einem Fräulein Lina Bräuer gehört. – Präs.: Mallmann, wie ist das? – Mallmann: Dann habe ich das Fräulein Küppers mißverstanden. Ich habe es aber vom Fräulein Küppers. – Präs.: Haben Sie denn auch den Ihnen hier gegenüberstehenden Zeugen Isaak in dem Küppers’schen Garten auf- und abgehen sehen? – Mallmann: Nein, das konnte ich von meinem Fenster aus nicht sehen. – Präsident: Aber Sie bleiben dabei, daß Sie gesehen haben, wie die Hermine Buschhoff entweder viertel vor oder viertel nach drei Uhr etwas Sackartiges in die Küppers’sche Scheune getragen hat?
Zeuge: Jawohl, das weiß ich ganz genau.
Präs.: Haben Sie das Gesicht der Hermine gesehen? – Mallmann: Nein, aber ich habe sie trotzdem genau erkannt. – Präs.: Sollten Sie sich nicht in der Person geirrt haben? – Zeuge: Nein. – Präs.: Sahen Sie die Hermine in die Küppers’sche Scheune hineingehen? – Zeuge: Das habe ich nicht gesehen, ich sah aber, daß sie zur Scheune ging.
Präs.: Die Hermine Buschhoff hat, wie zeugeneidlich bestätigt ist, am Vormittag Schnaps geholt und bei dieser Gelegenheit die Flasche unter ihrer Schürze getragen, sollen Sie vielleicht den Vormittag mit dem Nachmittag verwechselt haben? – Zeuge: Nein, Herr Präsident, ich weiß ganz genau, daß es am Nachmittag gewesen ist.
Präs.: Herr Isaak, sind Sie an jenem Nachmittag in dem Küppers’schen Garten gewesen? – Zeuge: Nein. – Präs.: Sie wissen das ganz bestimmt? – Zeuge: Jawohl, ganz bestimmt. – Präs.: Sie bleiben auch bei Ihrer bereits gemachten Aussage, daß Hermine Buschhoff zwischen 2 bis 4 Uhr Nachmittags das Haus nicht verlassen hat? – Zeuge: Jawohl.
Auf Antrag des Staatsanwalts werden die Aussagen beider Zeugen protokollirt. Nachdem dies geschehen, fordert der Präsident die Zeugen wiederholt auf, ehe sie das Protokoll unterschreiben, sich genau zu überlegen, ob Alles genau mit der Wahrheit übereinstimme, da der Herr Staatsanwalt zweifellos bezüglich dieser Aussagen weitere Schritte thun werde. Es sei jetzt noch Zeit, Aenderungen vorzunehmen. Isaak erklärt, daß er bei seiner Aussage beharre. – Mallmann berichtigt noch einige unwesentliche Stellen in dem Protokoll, hält aber im Allgemeinen ebenfalls seine Aussagen aufrecht. Beide Zeugen unterschreiben alsdann das Protokoll.
Auf Antrag des Staatsanwalts beschließt der Gerichtshof: Frau Windthuis, Fräulein Huiskens, den Carl Alst, Fräulein Marie Küppers und Fräulein Lina Bräuer als Zeugen zu laden.
Es wird hierauf der Zeitungs-Berichterstatter Gustav Meyer (Berlin) vorgerufen.
Präs.: Herr Meyer, Sie haben sich einem Mitgliede des hiesigen Landgerichts gegenüber ungebührlich benommen. Es ist selbstverständlich, daß Sie bei dem beschränkten Raume nur einen Stuhl beanspruchen können. Als gestern nun der Untersuchungsrichter am hiesigen Landgericht, Herr Gerichts-Assessor Sieberger den von Ihnen beschlagnahmten zweiten Stuhl einnehmen wollte, haben Sie dem Herrn das Besetzen des Stuhles mit groben Worten verweigert. Herr Assessor Sieberger hat sich Ihnen vorgestellt und Ihnen gesagt, daß er als Untersuchungsrichter wohl ein Anrecht habe, den Verhandlungen beizuwohnen. Darauf haben Sie erwidert: Es ist mir sehr gleichgültig, wer Sie sind. Der Gerichtshof hat aus Anlaß dieses Ihres ungebührlichen Benehmens beschlossen: Ihnen die Eintrittskarte zu entziehen.
Berichterstatter Gustav Meyer: Ich muß bemerken, Herr Präsident, daß ich den Herrn Untersuchungsrichter nicht gekannt habe.
Präs.: Ich habe Ihnen ja bereits bemerkt, daß Herr Assessor Sieberger sich Ihnen vorgestellt hat. Ich fordere Sie also auf, Ihre Eintrittskarte herauszugeben.
Meyer: Ich habe eine Eintrittskarte gar nicht erhalten; ich wiederhole aber, daß ich den Herrn Assessor nicht gekannt habe.
Präs.: Ein Mitglied des Landgerichts wird dem Gerichtshof nicht die Unwahrheit sagen. Gerichtsdiener, dieser Herr hat nicht mehr das Recht, im Innenraum zu verweilen, sondern muß sich in den Zuhörerraum begeben.
Es wird alsdann nochmals die Dienstmagd Dora Moll vernommen, die zuerst die Leiche bemerkt hat. Die Zeugin bemerkt, daß sie am Peter-Paulstage Morgens und Mittags die Scheune gereinigt, aber keinerlei Blutspuren wahrgenommen habe.
Danach tritt eine längere Pause ein.
Gegen einviertel 5 Uhr Nachmittags eröffnet der Präsident, Landgerichts-Direktor Kluth, die Sitzung mit folgenden Worten:
Ehe wir in die Verhandlung eintreten, habe ich zu bemerken, daß ich, wie immer, wenn ich nach Hause komme, so auch heute Mittag, einen ganzen Stoß von Briefen vorgefunden habe.
So schreibt mir unter Anderen eine „Frau aus dem Volke“ aus Cöln einen drei Seiten langen Brief, in dem mir allerlei Rathschläge bezüglich der Prozeßverhandlung gegeben werden. Dieser Brief veranlaßt mich aber nicht, von den anonymen Briefen Mittheilung zu machen. Allein in einem anderen Schreiben wird gesagt: Man möge doch etwas schneller verhandeln und den Buschhoff nicht so liebevoll behandeln. Wenn ein Vorwurf gegen die Leitung der Verhandlung erhoben wird, so trifft derselbe zunächst den Vorsitzenden, ich habe deshalb einige Worte zu bemerken, die an alle im Saale Anwesenden, auch an das Publikum, gerichtet sind.
Ich bemerke nun, daß ich, so lange ich die Ehre habe, Vorsitzender zu sein, jeden Angeklagten genau ebenso behandelt habe, wie den Buschhoff. Es dürfte mir dies von Allen, die mich kennen, bestätigt werden. Ich sehe eben in jedem Angeklagten den Menschen, der Anspruch darauf hat, als Mensch behandelt zu werden. Ich fühle mich nicht veranlaßt, dem Buschhoff gegenüber eine Ausnahme zu machen. Was das Verlangen anlangt, schneller zu verhandeln, so mag es ja sein, daß ein eingehendes langsames Verhandeln die Neugierde nicht befriedigt. Allein wir sind nicht dazu da, um die Neugierde zu befriedigen, sondern es ist unsere Aufgabe, zumal in einer so hochwichtigen Sache wie der vorliegenden, durch eingehendste sorgfältige Verhandlung die Wahrheit zu ermitteln zu suchen.
Wir können nach dem Grundsatz, der in Lessing’s Nathan zum Ausdruck gelangt: „Thut nichts, der Jude wird verbrannt“, nicht verfahren. Ich wiederhole also, wir werden streng sachlich und sorgfältig verhandeln, wie es unser Aller Pflicht ist, das ist mein erstes und letztes Wort in dieser Beziehung. (Lautes Bravo im Zuhörerraum.)
Präs.: Ich muß dem Publikum bemerken, daß Beifalls- oder Mißfallsbezeugungen im Gerichtssaale nicht gestattet sind.
Geschworener Graf von Loë: Im Namen der Geschworenen bemerke ich, daß auch die Geschworenen es als ihre Aufgabe betrachten, daß die Sache in eingehendster und sorgfältigster Weise verhandelt wird, es kommt uns daher auch nicht darauf an, event. einen Tag länger zu verhandeln.
Ein anderer Geschworener wünscht zu wissen, ob die Mittheilung des Herrn Rechtsanwalt Fleischhauer, ob Herr Dr. Steiner sich dem Gutachten des Medizinal-Kollegiums angeschlossen habe, amtlich festgestellt sei.
Präs.: Amtlich ist dies nicht festgestellt.
Verth. Rechtsanwalt Fleischhauer: Ich stelle anheim, Herrn Dr. Steiner und Herrn Geh. Regierungs- und Medizinal-Rath Dr. Kirchgäßer und Professor Dr. Köster noch einmal vorzuladen, ich meinerseits werde den Mühlenbesitzer Steuwele aus Straelen vorladen.
Der Gerichtshof beschließt: den Geh. Regierungs- und Medizinal-Rath Dr. Kirchgäßer, Professor Dr. Köster und den Dr. Steiner nochmals vorzuladen.
Es wird alsdann Drechsler Knippenberg in den Saal gerufen. Aus den Antworten, die dieser Zeuge dem Präsidenten giebt, ist zu entnehmen, daß der Mann nicht bei vollem Verstande ist. – Geh. Medizinal-Rath Doktor Pellmann begutachtet, daß die Geisteskrankheit bei Knippenberg schon bedeutende Fortschritte gemacht habe. Der Mann leide an einer Wahnvorstellung, sei aber nicht gefährlich und auch nicht bösartig. Es sei in höchstem Maße unwahrscheinlich, daß Knippenberg der Thäter sei.
Der folgende Zeuge ist der Brauereibesitzer Stamms (Wesel). Dieser bekundet: Er glaube, von einer Kinderfrau einmal folgende Erzählung gehört zu haben: Die Schwester der Kinderfrau habe bei einer jüdischen Familie gedient. Dem Mädchen habe einmal bei der Zubereitung von Speisen der Finger geblutet. Als sie sich das Blut abgewaschen wollten, habe der Hausherr gesagt: „Laß nur, es schadet nichts, wenn etwas Blut in die Speisen kommt.“
Staatsanwalt: Sie sagen heute: Sie glauben es gehört zu haben, früher haben Sie bestimmt gesagt, daß Sie es gehört haben? – Der Zeuge schweigt.
Rittergutsbesitzer Busch: Vor 30 Jahren habe ihm eine Magd erzählt, daß sie bei einem Juden gedient habe. Dieser habe ihr an jedem jüdischen Festtage gegen Entgelt etwas Blut abgezapft. – Präs.: Lebt die Magd noch? – Zeuge: Nein, diese Magd hat sich am 20. Februar 1863 ertränkt. – Staatsanwalt: Die eingehendsten Erhebungen haben keinen Anhalt für diese Erzählung gegeben. Ich will noch bemerken, daß der Zeuge Busch vor 30 Jahren 12 Jahre alt war.
Es erscheint alsdann als Zeugin die Kinderfrau van Rienen: Sie habe vielfach bei Juden gedient und sei von diesen stets gut und liebevoll behandelt worden. – Präsident: Hat Ihnen ein Jude einmal Blut abzapfen wollen? – Zeugin: Nein. – Präsident: Haben Sie eine solche Erzählung einmal Herrn Stamms gemacht? – Zeugin: Nein.
Staatsanw.: Der Zeuge Stamms wollte auch einmal gehört haben, daß ein Artillerist, ein Einjährig-Freiwilliger in Wesel, gebürtig in Essen, eine ähnliche Geschichte erzählt habe. Eingehende Erhebungen haben ergeben, daß zur Zeit überhaupt kein einjährig-freiwilliger Artillerist in Wesel gewesen ist.
Nun meldet sich wiederum Fuhrherr Mallmann und bemerkt, daß eine Wittwe Schmelzer in Xanten seine heute Vormittag von ihm gemachte Bekundung bestätigen könne.
Auf Antrag des Staatsanwalts beschließt der Gerichtshof, die Wittwe Schmelzer als Zeugin zu laden.
Der folgende Zeuge ist Zimmermeister Rothers. Dieser bekundet: Er habe, nachdem er von dem Morde gehört, dies zuerst dem Knippenberg, der der Onkel des kleinen Johann war, mitgetheilt. Knippenberg habe sich lachend auf seinem Stiefelabsatz umgedreht und gesagt: „Was geht mich die ganze Mordgeschichte an?“ Sehr bald darauf habe sich die Nachricht von dem Morde in der Stadt verbreitet. Es bildeten sich Gruppen auf den Straßen, unter diesen befand sich auch Buschhoff. Er habe nicht genau hören können, was Buschhoff gesagt, er habe blos das Wort: „Hegmann“ von demselben gehört. – Knippenberg habe bei seiner Schwester Katharina gewohnt, sich oftmals mit dieser gezankt und ihr oftmals gedroht, er werde ihr den Hals abschneiden. Ende August oder Anfang September 1890 sei in dem Hause Knippenberg’s großer Spektakel gewesen. Er habe einen Augenblick auf der Straße gewartet, und da sei sehr bald die Katharina mit bebluteter Hand aus dem Hause gekommen und habe alsdann 8 Tage lang die Hand in der Binde getragen.
Der Zeuge bekundet im Weiteren auf Befragen des Präsidenten: Er kenne den Buschhoff schon seit vielen Jahren. Er habe denselben als einen sehr gutmüthigen, braven Mann kennen gelernt, der nicht im Stande sei, Jemandem auch nur eine Ohrfeige zu geben. Endlich bemerkt noch der Zeuge: Der frühere jüdische Lehrer in Xanten habe ihm einmal gesagt: Buschhoff mache ihm viel zu schaffen.
Präs.: Was mag der Mann damit gemeint haben?
Zeuge: Das weiß ich nicht.
Präs.: War er vielleicht der Meinung, Buschhoff erfülle nicht alle den Israeliten vorgeschriebenen Zeremonien?
Zeuge: Das ist möglich.
Geh. Medizinal-Rath Dr. Pellmann bemerkt zu der Bekundung dieses Zeugen: Er halte an seinem Gutachten fest. – Präs.: Halten Sie für ausgeschlossen, daß Knippenberg den Mord begangen hat? – Sachverst.: Ich halte es nicht für wahrscheinlich, für ausgeschlossen halte ich es nicht.
Lehrer Gottschalk[WS 1]: Er habe kurz vor dem letzten Weihnachtsfest einen Streit zwischen Knippenberg und seiner Schwester Katharina beobachtet. Letztere sei aus dem Hause hinausgelaufen und gerufen: „Du Mörder, Du Halsabschneider.“ – Präs.: Herr Geh. Rath Pellmann: Glauben Sie, daß Knippenberg, um an seinem Schwager Hegmann Rache zu üben, die That begehen könnte? – Sachverständiger: Nein, ich bin der Meinung, wenn er die die That begangen hätte, würde er sie eingestehen. – Oberstaatsanwalt Hamm: Sie haben gesagt, Herr Geheimrath, daß Knippenberg seit einem Jahre bedeutend schwachsinniger geworden ist. Kann der Herr Geheimrath uns sagen, ob er vor einem Jahre der That fähig gewesen wäre? – Sachverständiger: Das läßt sich sehr schwer sagen.
Verth. Rechtsanwalt Gammersbach: Ist der Zerfall der Geisteskräfte des Knippenberg von Einfluß auf sein Gedächtniß gewesen? – Sachverständiger: Er erinnert sich gewisser Dinge noch, es ist mithin wohl anzunehmen, daß er sich auch noch der That erinnern würde. – Verth. Rechtsanwalt Gammersbach: Er hat aber soeben auch den Herrn Bürgermeister nicht erkannt. – Sachverständiger: Er hat ihn nur hier nicht erkannt, in Xanten würde er ihn erkennen. Ich will nicht sagen, daß er der That nicht fähig ist, ich bin aber der Meinung, daß er, wenn er es gethan, eingestehen würde.
Wittwe Bernsmann: Am Peter-Paulstage, Mittags gegen 12 Uhr, habe sie einen häßlichen Juden an ihrem Fenster vorübergehen sehen, der Jude sei nach der Cleverstraße gegangen, sie wisse aber nicht, ob er zu Buschhoff gegangen sei.
Viehhändler Portmann: Etwa 8–9 Tage nach dem Morde sei er mit dem Kaufmann Adolf Acker nach seiner Behausung gegangen. Da habe er lautes Sprechen auf der Straße gehört. Er habe sich umgedreht und zwei Betrunkene gesehen. Er sei der bestimmten Meinung, daß dies Wesendrup und Mölders gewesen seien. Er habe Beide an der Stimme erkannt, genau habe er die Männer nicht erkennen können, da es bereits dunkel war.
Eine weitere Zeugin, Fräulein Bertha Kahn, bestätigt vollinhaltlich die Bekundung des am Vormittag vernommenen Zeugen Isaak.
Die folgende Zeugin ist Frau Jansen: Sie sei am Peter-Paulstage, Nachmittags gegen 5 Uhr, zu Buschhoff gekommen. Sehr bald sei Buschhoff, den sie augenblicklich in seiner Behausung nicht angetroffen habe, nach Hause gekommen und etwa ¼ Stunde zu Hause geblieben. Buschhoff bat seine Frau, ihm etwas Kleingeld zu geben, da er Kegelschieben gehen wolle. Sie habe den Buschhoff, mit dem sie viel Geschäfte gemacht, als einen reellen Mann kennen gelernt.
Konditor Wilhelm Küppers: Er sei am Peter-Paulstage gegen halb 3 Uhr Nachmittags zum Hochamt gegangen. Als er bei dem Schlachthause des Buschhoff vorüberging, habe er Klopfen und ein lautes Gespräch gehört. – Präs.: Haben Sie Schreien oder Klagetöne gehört? – Zeuge: Nein, es kam mir vor, als wäre so durcheinander gesprochen worden.
Forsteleve Karl Küppers schließt sich der Aussage seines Bruders, des Vorzeugen, vollständig an. Der Zeuge bekundet im Weiteren, daß, als er des Abends vom Schützenfeste kam, Buschhoff ihn gefragt habe: ob in seines Vaters Scheune scharfe Messer seien; es sei doch möglich, daß der kleine Hegmann auf diese Messer gefallen sein könnte.
Frau Lohmann: Sie sei am Peter-Paulstage gegen 11 Uhr Vormittags zu Buschhoff gekommen und habe dort die Hermine und die Frau Buschhoff angetroffen. Frau Buschhoff habe zu Bett gelegen. Buschhoff kenne sie als ehrlichen guten Mann.
Metzger Everts: Er schlachte seit 10 Jahren mit Buschhoff zusammen. Buschhoff habe ihn niemals übervortheilt. Am Peter-Paulstage, Vormittags gegen 11 Uhr, sei Buschhoff bei ihm gewesen. Sie haben sich lediglich über Geschäfte unterhalten; er habe nichts Auffallendes an Buschhoff bemerkt.
Handelsmann Salders: Am Peter-Paulstage, Vormittags zwischen 9–10 oder zwischen 10–11 Uhr, habe er mit einem Bekannten auf dem Markt gesessen und sich dort unterhalten. Buschhoff sei hinzugekommen und habe an der Unterhaltung theilgenommen.
Postbote Meyering: Er habe am Peter-Paulstage, Vormittags zwischen 10–10 einhalb Uhr, den Buschhoff auf dem Markt getroffen, Buschhoff sei in der Richtung der Klug’schen Wirthschaft zu gegangen.
Briefträger Segers: Er habe am Peter-Paulstag zwischen 10 einviertel bis 11 Uhr den Buschhoff getroffen.
Zimmermann Esser: Am Peter-Paulstage, Vormittags gegen halb 10 Uhr, sei er dem Buschhoff auf dem Marktplatz begegnet. Buschhoff sei auf ihn zugekommen, habe mit ihm gesprochen und sei alsdann in die Klug’sche Wirthschaft gegangen.
Sattler Hermann: Am Peter-Paulstage habe er den Buschhoff, Kock und Dranks in Buschhoff’s Parterre-Wohnung am offenen Fenster im Mittelzimmer sitzen sehen. Nach 3 Uhr Nachmittags sei er zur Pumpen-Kirmes gegangen und habe den Buschhoff dort getroffen. Buschhoff sei bis 5 Uhr bei der Pumpen-Kirmes gewesen und alsdann in die Gastwirthschaft zu Schaut gegangen. Er hatte von Ullenboom gehört, daß dieser am Freitag vor dem Peter-Paulstage das Schlachthaus vernagelt habe.
Schmied Dockers: Er sei der Leiter der Pumpen-Kirmes. Er hatte gegen 3 Uhr Nachmittags den Buschhoff eingeladen, zur Pumpen-Kirmes zu kommen. Buschhoff sei dieser Einladung sogleich gefolgt und sei bis 5 Uhr bei der Kirmes gewesen. Alsdann sei er mit Buschhoff zu Schaut gegangen.
Gastwirth Schaut: Er sei einer der Ersten auf der Pumpen-Kirmes gewesen. Als er zur Kirmes kam, sei Buschhoff schon dort gewesen. Er habe nichts Auffälliges an Buschhoff wahrgenommen. Nach Beendigung der Kirmes, gegen 5 Uhr Nachmittags, sei Buschhoff in seine Gastwirthschaft gekommen und habe gekegelt. Es sei ihm aufgefallen, daß Buschhoff, der sonst sehr schwer Geld herausgebe, an diesem Nachmittag ohne Weiteres bezahlt habe. Als die Nachricht von dem Morde in seiner Gastwirthschaft eintraf, sei gerade Siegmund Buschhoff dort gewesen. Dieser sei nach dem Eintreffen der Nachricht fortgelaufen, sei aber bald wiedergekommen und habe seinem Vater etwas in’s Ohr gesagt. Letzterer habe darauf bemerkt: „Er wird wohl gefallen sein.“ – Präs.: Buschhoff, was hat Ihnen wohl Ihr Sohn in’s Ohr gesagt? – Zeuge: Ich kann mich absolut nicht erinnern, ich bin doch taub; wenn mir mein Sohn etwas in‘s Ohr gesagt hätte, dann würden es doch die anderen Anwesenden gehört haben.
Kaufmannslehrling Paul Richter: Am Tage nach dem Morde habe er gehört, wie in dem Buschhoff’schen Schlachthause Wesendrup mit Buschhoff über den Mord gesprochen habe. Wesendrup habe gesagt: Ich habe meine Vermuthung über den Mörder, ich kann dieselbe aber hier nicht aussprechen. Buschhoff habe mit den Achseln gezuckt.
Dasselbe bekundete Rektoratsschüler Straaten.
Dienstmagd Lensing: Am Peter-Paulstage habe sie gegen halb 9 Uhr Vormittags den Buschhoff mit einem fremden Juden gehen sehen. – Gärtner Doerenberg will ebenfalls den Buschhoff am Peter-Paulstage mit einem fremden Juden haben gehen sehen. – Wittwe van Grambusch: Sie sei am Peter-Paulstage Nachmittags zu der Frau Buschhoff gegangen. Vor dem Hause habe sie Kinder weinen sehen, welche klagten, daß ihr Brüderchen schon seit 10 Uhr Vormittags fort sei und nicht gefunden werden könne. Als sie dies der Frau Buschhoff erzählt, habe diese gesagt, „das Kind wird wohl nach den Kirschen gegangen sein“. – Präs.: Haben Sie in dem Buschhoff’schen Hause irgend etwas Auffälliges bemerkt? – Zeugin: Keineswegs. – Präs.: Es ist behauptet worden, Sie hätten in dem Buschhoff’schen Hause Schreien und Wimmern gehört? – Zeugin: Das ist unwahr, ich habe weder Schreien noch Wimmern gehört. – Präs.: Frau Buschhoff soll Ihnen erzählt haben, daß ihr Vater einmal wegen Kindesmordes in Untersuchungshaft gewesen ist? – Zeugin: Jawohl, lange vor dem Hegmann’schen Morde erzählte mir Frau Buschhoff, daß dies vor länger denn 30 Jahren geschehen sei. –
Erster Staatsanwalt Baumgard: Ich habe, da bezüglich dieses Falles die verschiedensten Gerüchte umherliefen, eingehende Ermittlungen angestellt und habe festgestellt, daß im Jahre 1834 zu Altenhof bei Neuß ein derartiger Fall einmal geschwebt hat. Der Name Cohn, so heißt der Vater der Frau Buschhoff, kommt aber dort in den Akten nicht vor. Ich habe alsdann Ermittlungen bei dem Landgericht in Düsseldorf angestellt, von dort aber die Mittheilung erhalten, daß die Akten aus dem Jahre 1834 nicht mehr vorhanden seien. Später sollte ein Gendarm auf dem Sterbebette gestanden haben, der Mörder des Kindes gewesen zu sein, auch hierüber habe ich trotz eingehender Ermittlungen nichts mehr feststellen können.
Frau Rosen: Am Tage von Peter-Paul sei ein fremder Jude in der Gastwirthschaft von Ullenboom in Beek bei Xanten, woselbst sie zur Zeit gedient habe, eingekehrt, habe etwa eine halbe Stunde dort verweilt und sei alsdann nach Xanten zu gegangen. Es sei ihr und auch dem Wirth Ullenboom aufgefallen, daß der Jude nicht wieder zurückgekehrt war, was er sonst stets zu thun pflegte.
Metzger Brockmann: Er sei der Judenverfolgungen wegen aus Xanten weggezogen. Am Peter-Paulstage, Vormittags gegen halb 9 Uhr, habe er den Buschhoff mit zwei Leuten auf dem Marktplatz auf einer Bank sitzen sehen.
Die Verhandlung wird alsdann gegen halb 9 Uhr Abends auf Sonnabend Vormittags 9 Uhr vertagt. Man hofft, morgen mit der Beweisaufnahme fertig zu werden.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Gotschalk