Der Kampf ums Dasein (Gartenlaube 1885)
[156] Der Kampf ums Dasein. (Mit Illustration S. 145.) Aus dem Scherz wird Ernst und aus dem Spiele Kampf. Wie oft haben wir Gelegenheit, dieser Wandlung der Dinge im kindlichen Leben zu begegnen! Auch die Helden des Miniaturkampfes, der sich hier neben dem Hökerstande abspielt, machen von diesem Privileg der Kindheit und Jugend den ausgiebigsten Gebrauch. Anfangs schnüffelten und zupften gar leise die vierbeinigen Witzbolde an den Zipfeln des Kinderbettchens und prallten wohl ein wenig zurück, als der Muntergewordene sich zu regen begann.
Bald aber gingen sie zum Angriffe über und stehen schon im Begriff, dem Säuglinge das Nothwendigste zu rauben. Das Bettchen ist aufgedeckt, und nun wird auch die Windel fortgezerrt und sogar der süße Zulp mit Gewalt annektirt. Was hilft da das unzweckmäßige Strampeln mit den Beinchen? Die Uebermacht ist zu groß, und selbst aus dem benachbarten Korbe droht eine Verstärkung den Angreifern zu erwachsen. Hilflos auf dem Straßenpflaster zu liegen, das ist für den Säugling das voraussichtliche Resultat des muthwilligen Treibens, welches in einen regelrechten Kampf ums Dasein ausartet. Aber die Natur hat auch dem hilflosen Menschenkinde eine Waffe verliehen, von der es nun rechtzeitig Gebrauch macht. Das Gesichtchen zieht sich in Fältchen zusammen, und ein jammernder Schrei tönt aus dem Kinderwagen. Das Herz der Mietzekatze, der gleichgültigen Zuschauerin dort oben auf der Tone, rührt er freilich nicht, aber die nicht weit entfernte Mutter vernimmt wohl den Nothruf. Bald regnet es Prügel auf die muthwillige Angreiferschar, und der Kampf hat ein Ende.