Der Kürlesgarten bei Bischofsheim

Textdaten
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Autor: unbekannt
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Titel: Der Kürlesgarten bei Bischofsheim
Untertitel:
aus: Badisches Sagen-Buch II, S. 642–647
Herausgeber: August Schnezler
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1846
Verlag: Creuzbauer und Kasper
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Erscheinungsort: Karlsruhe
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Quelle: Commons und Google
Kurzbeschreibung:
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[642]
Der Kürlesgarten bei Bischofsheim.

Hoch ging es her an Bischofs Gerhard Tische,
In langen Reihen saß der Gäste Schaar,
Auf Silberschüsseln prangten Riesenfische
Und Wildbrät, so des Forstes Zierde war;

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5
Reich sprudelte dazu der Wein, der frische,

Im Keller aufbewahrt schon manches Jahr,
Der Beste nur floß heut aus grüner Tonne
Und stimmte jedes Herz zu lauter Wonne.

Unter den Gästen hob sich wie ein Riese

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Der wilde Kunz von Rosenberg empor;

Zwei Männer trugen schwer an seinem Spieße,
Und fünf Schuh maß das Schwert, das er erkor;
Schon Manchen streckte todt er auf die Wiese,
Vor seiner Kraft erlag der Ritter Flor,

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Er achtete nicht Zucht, noch zarter Sitte,

Und lebt’ als Unthier in der Menschen Mitte.

Auch heut, bei Würzburg’s Bischof, als der Reben
Flüssiges Feuer ihm zu Kopfe stieg,
Prahlt er von Weibern, die sich ihm ergeben

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Und scherzte laut von manchem Minnesieg,

Verspottete das traute Eheleben,
Und pries dagegen, was ihm bot der Krieg. –
Doch als er Wertheim’s Weib verleumdet hatte,
Erhob sich zornerfüllt der Graf, ihr Gatte,

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Und warf den Fehdehandschuh hin dem Frechen,

Rief ihn zum Kampf auf Leben und auf Tod.
Voll Gift sprach Rosenberg: „Du willst dich rächen,
Du kleiner Schäfer weiß und rosenroth?
Doch gut, auch dich kann noch mein Schwert durchstechen,

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Das Manchem schon ein schnelles Ende bot,

Hielt mich nicht Schüssel und Pokal gebunden,
So lägst du jetzt schon da im Blut und Wunden.

„Doch in drei Tagen werd’ ich zu dir kommen,
Bis dahin mach’ zum Tode dich bereit! –“

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Der Bischof und die Gäste, schwer beklommen,

Vermitteln wollen sie den schlimmen Streit.

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„Blut heischt die Rede, so ihr habt vernommen!“
Spricht der gekränkte Mann voll Heftigkeit, –
„Und Asmus Graf von Wertheim, wird nie zagen,

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Das Leben für sein edles Weib zu wagen!“


Von Vater, Weib und Kindern, treuen Schaaren
Der Diener froh begrüßt, kehrt er nach Haus,
Doch als vom nahen Zweikampf sie erfahren,
Da brachen Schreck und laute Klagen aus.

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Sein Vater spricht, ein Greis in Silberhaaren:

„Du bist ein Wertheim, kennst nicht Todesgraus!“
Die Gräfin aber ruft mit bitterm Weinen:
„So raubt das Schicksal dich so früh den Deinen!“

Ernst spricht der Graf: „Gott kann den Sieg auch geben

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Dem schwächern Arm, er wehrt der bösen That,

In Seine Hand befehl’ ich treu mein Leben;
Der David siegen ließ ob Goliath,
Der wird auch mich in diesem Kampf umschweben! –“
Und solcher gottvertrauten Worte Saat

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Entkeimet Trost und Hoffnung in den Seinen –

Doch noch ein schönrer Trost soll ihm erscheinen.

Unruhig schlummernd, sieht er durch drei Nächte
Den heiligen Georg vor sich im Traum,
Die Kreuzesfahne schwinget seine Rechte,

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Und seine Füße trägt ein Wolkensaum.

„Ich schwebe schützend um dich im Gefechte,
Und bring’ dir Sieg, drum gib nicht Sorgen Raum,
Geschlagen hat des rohen Sünders Stunde!“
So tönt es lieblich von des Heiligen Munde.

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Asmus erwacht und fühlt das süße Laben

Der Trostesworte von dem Wolkenthron;
Dem Himmel bringt er seines Dankes Gaben,
Und als der dreien Tage Frist entflohn,

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Gibt er den Segen seinen holden Knaben,

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Küßt seinen Vater als getreuer Sohn,

Umarmt die fromme Gattin fest und lange
Und läßt sich wappnen zu dem ernsten Gange.

Die Gräfin aber läßt den Bürgern künden,
Welch schwerer Kampf dem edlen Manne droht,

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Und fleht: sich zum Gebete zu verbünden,

Von ihm dadurch zu wenden sichern Tod,
Von ihm, dem Biedern, der ein Feind der Sünden,
Den Armen Retter war aus mancher Noth.
Sie spricht: „Hört ihr vom Schloß das Glöckchen läuten,

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So wißt ihr seine Mahnung wohl zu deuten!“


Als von dem Thurm, aus dunkeln Epheuranken
Drei Uhr verkündete der Glocke Mund,
Stehn Rosenberg und Wertheim in den Schranken
Im Kürlesgarten dort im Taubergrund.

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Der Helmsturz fällt und rasch wie die Gedanken

Flammt auf das Schwert, blitzt auf des Schildes Rand,
Beflügelt sind die stahlumschanzten Glieder
Und im Gebirg halt es von Hieben wieder.

Da tönt Geläute von des Schlosses Zinnen,

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Und Vater, Weib und Kinder knieen hin,

Den Sieg durch brünstig Beten zu gewinnen,
Und jede Lippe bebt: „Gott, schütze ihn!“
Durch Seufzer tönt’s in heißer Thränen Rinnen:
„O laß’ ihn dem gewissen Tod entfliehn!“

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Und wie vom Schloß die Glockenklänge schallen,

In Wertheim Alle auf die Kniee fallen.

Doch in dem Thale kreuzen sich die Klingen,
Jetzt fängt sie auf der Schilde breiter Rand,
Hier gleiten sie von glatten Eisenringen,

100
Dort stürzt ein Hieb den Helmbusch in den Sand.
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Das Panzerhemd zerreißt, die Spangen springen,
Hier rauscht ein Blutquell von des Helmes Band,
Und wüthend zischen hoch herab die Streiche,
Denn jeder Kämpfer fodert eine Leiche.

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Jetzt Rosenberg! jetzt naht sich Deine Stunde! –

Des Grafen Flamberg blitzt und Funken fliehn,
Dem Gegner schlägt er eine tiefe Wunde,
Und rasselnd stürzt der Ries’ zu Boden hin.
Asmus löst ihm den Helm, beugt sich zum Munde

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Des Ueberwundenen und fraget ihn:

„Fühlst du ob deiner frechen Rede Reue? –“
„Nein!“ – knirschet Kunz – „ein Narr nur glaubt an Treue!“

Da strömt erneute Kraft durch Asmus’ Glieder,
Er faßt den Sträubenden, spricht: „Ich erbarm’

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Mich Deiner!“ – trägt ihn zu der Tauber nieder –

Da drängt sich froh herbei der Bürger Schwarm,
Und Jubelruf schallt aus der Stadt, tönt wieder
Vom hohen Schloß, als sie des Grafen Arm
Dreimal den Feind sehn tauchen in die Wellen,

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Und hoch dann an das Gegenufer schnellen.


Die Wunde brachte nicht den Tod dem Riesen,
Allein gebrochen war sein frecher Muth;
Nicht sann er mehr auf Schimpf und Blutvergießen
Und zehrte hin in selbstverbißner Wuth.

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Graf Asmus aber und die Seinen ließen

Nicht ab, dem Herrn zu danken mild und gut,
Und täglich, um des Kampfes wilde Stunde,
Erklang das Glöcklein mahnend in die Runde.


Noch jetzt, wo über Wertheims Paradiese

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Die Mittagsonne Segenstrahlen webt,

Und über Waldung, Weingebirg und Wiese
Der Vöglein Chor mit Jubelliedern schwebt;

[647]

Manch Schifflein auf dem Mainstrom bald auf diese
Und bald auf jene Seite segelnd strebt:

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Da tönet, bei der dritten Stunde Schlage,

Vom Thurm der Schall des Glöckleins alle Tage.

(Aus der in der Didaskalia mitgetheilten Serie „Mainsagen.“ Siehe Jahrg. 1844. Nr. 54. Vergl. auch Mone’s „Anzeiger“ Jahrg. 1835. S. 163.)