Der Junggesell und der Mühlbach

Textdaten
Autor: Johann Wolfgang von Goethe
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Titel: Der Junggesell und der Mühlbach
Untertitel:
aus: Goethe’s Werke. Vollständige Ausgabe letzter Hand. Erster Band.
Seite 191
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Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1827
Verlag: J. G. Cotta’sche Buchhandlung
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Erscheinungsort: Stuttgart und Tübingen
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Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
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[191]

Der Junggesell und der Mühlbach.


               Gesell.

Wo willst du klares Bächlein hin,
So munter?
Du eilst mit frohem leichtem Sinn

5
Hinunter.

Was suchst du eilig in dem Thal?
So höre doch und sprich einmal!


               Bach.

Ich war ein Bächlein, Junggesell;

10
Sie haben

Mich so gefaßt, damit ich schnell,
Im Graben,
Zur Mühle dort hinunter soll,
Und immer bin ich rasch und voll.


15
               Gesell.


Du eilest mit gelass’nem Muth
Zur Mühle,
Und weißt nicht, was ich junges Blut
Hier fühle.

20
Es blickt die schöne Müllerin

Wohl freundlich manchmal nach dir hin?

[192]

               Bach.

Sie öffnet früh bei’m Morgenlicht
Den Laden,

25
Und kommt, ihr liebes Angesicht

Zu baden.
Ihr Busen ist so voll und weiß;
Es wird mir gleich zum Dampfen heiß.


               Gesell.

30
Kann sie im Wasser Liebesgluth

Entzünden;
Wie soll man Ruh mit Fleisch und Blut
Wohl finden?
Wenn man sie Einmal nur gesehn,

35
Ach! immer muß man nach ihr gehn.



               Bach.

Dann stürz’ ich auf die Räder mich
Mit Brausen,
Und alle Schaufeln drehen sich

40
Im Sausen.

Seitdem das schöne Mädchen schafft,
Hat auch das Wasser bess’re Kraft.


               Gesell.

Du Armer, fühlst du nicht den Schmerz,

45
Wie Andre?

Sie lacht dich an, und sagt im Scherz:
Nun wandre!
Sie hielte dich wohl selbst zurück
Mit einem süßen Liebesblick?

[193]

50
               Bach.


Mir wird so schwer, so schwer vom Ort
Zu fließen:
Ich krümme mich nur sachte fort
Durch Wiesen;

55
Und käm’ es erst auf mich nur an,

Der Weg wär’ bald zurückgethan.


               Gesell.

Geselle meiner Liebesqual,
Ich scheide;

60
Du murmelst mir vielleicht einmal

Zur Freude.
Geh’, sag’ ihr gleich, und sag’ ihr oft,
Was still der Knabe wünscht und hofft.