Der Hexenhammer (1923)/Zweiter Teil, Zweite Frage, Kapitel IV

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Heilmittel für die, denen durch Gaukelkunst die männlichen Glieder genommen werden; auch wenn Menschen bisweilen in Tiergestalten verwandelt werden.

Kapitel IV.

Bezüglich derjenigen, welche durch Gaukelkunst gefoppt werden, so daß sie des männlichen Gliedes zu entbehren oder in Tiergestalten verwandelt zu sein glauben, wird aus dem Vorausgeschickten klar genug entnommen, durch welche Heilmittel sie Erleichterung finden können. Denn wenn solche von der göttlichen Gnade gänzlich verlassen werden, was das Hauptfundament bei den Behexten bildet, so ist es nicht möglich, ein heilendes Pflaster aufzulegen, während das Eisen in der Wunde bleibt. Es frommt also, daß sie vor allem durch wahre Buße mit Gott versöhnt werden. Endlich werden, wie oben im zweiten Teile des Werkes, im siebenten Kapitel berührt worden ist, solche Glieder niemals in Wirklichkeit aus dem Körper herausgerissen oder davon getrennt, sondern nur durch Gaukelkunst vor dem Gefühls- und Gesichtssinne verborgen. Es hat sich auch ergeben, daß solche Illusionen den in der Gnade Befindlichen nicht so leicht zustoßen, weder aktiv noch passiv, d. h., daß ihnen die Glieder genommen werden oder daß sie in ihrer Sehkraft getäuscht werden, daß es ihnen vorkommt, als wären sie anderen genommen. Daher wird auch in demselben Kapitel mit der Krankheit zugleich auch das Heilmittel zum Ausdruck gebracht, daß man sich nämlich soviel als möglich mit der Hexe selbst im Guten auseinandersetzt.

Bezüglich derer endlich, die in Tiergestalten verwandelt zu sein glauben, muß man wissen, daß diese Art Behexung in den westlichen Reichen nicht so (häufig) geübt wird als wie in den östlichen, wohlverstanden, was zweite Personen anlangt; mag man auch, was die eigene Person der Hexen angeht, bei uns das häufiger gesehen haben, daß sich nämlich die Hexen unter den Bildnissen von Tieren den Augen der Zuschauer dargeboten haben; wie oben im achten Kapitel hergeleitet worden ist; weshalb auch die Heilmittel, die im dritten Teile des Werkes hergeleitet werden, nämlich bezüglich der Ausrottung der Hexen durch den weltlichen Arm, anzuwenden wären. Und auf welche Weise die Orientalen solche Illusionen zu heilen pflegen, wird so hergeleitet – wir haben nämlich von den streitbaren Brüdern des Ordens des heiligen Johannes von Jerusalem nach wahrheitsgetreuer Erzählung mehreres erfahren, besonders aber, daß in der Stadt Salamis im Königreich Cypern sich folgender Fall ereignet hat –: Weil nämlich dort ein Seehafen ist, landete ein mit Waren beladenes Schiff, und da die Fremden ausstiegen, um sich ein jeder mit Lebensmitteln zu versehen, trat ein gewisser kräftiger Jüngling unter ihnen an das außerhalb der Stadt am Gestade des Meeres gelegene Haus einer Frau heran und fragte sie, ob sie Eier zu verkaufen hätte. Als aber die Frau den kräftigen, auswärtigen, vom Vaterlande fernen Jüngling erblickte, woher auch bezüglich seiner Verderbung weniger Verdacht bei den Einheimischen entstehen konnte, sagte sie: „Warte ein wenig, du sollst alles nach Wunsch bekommen!“ Und als sie säumte und auch der innere Teil des Hauses verschlossen war, fing der Jüngling von draußen zu rufen an, damit sie ihm um so schneller aushülfe, um nicht zu erleben, daß das Schiff ihn sitzen ließ. Da brachte die Frau einige Eier, gab sie dem Jüngling und stellte ihm anheim, zu ihr zurückzukehren, falls das Schiff ihn habe sitzenlassen. In schnellem Lauf eilte er also nach dem Schiffe, welches am Gestade des Meeres lag, und bevor er einstieg, beschloß er, da die anderen Gefährten noch nicht alle zusammen waren, die Eier zu verzehren und sich zu stärken. Und siehe, nach einer Stunde wurde er stumm und gleichsam des Verstandes beraubt; wie er später selbst zu erzählen pflegte, wunderte er sich über sich selbst und konnte nicht herausbekommen, was ihm zugestoßen war. Er wollte also das Schiff betreten, wurde aber von der Bemannung mit Stöcken geschlagen und zurückgetrieben, indem alle riefen: „Seht, seht! Was ist denn mit dem Esel los? Verflucht sollst du sein, Bestie; willst du etwa auch das Schiff betreten?“ Also zurückgetrieben überlegte der Jüngling, der ihre Worte, die ihn für einen Esel erklärten, verstand, bei sich und begann zu glauben, daß er durch eine Behexung seitens der Frau infiziert sei; besonders darin, daß er kein Wort bilden konnte, während er selbst doch alle verstand. Als er nochmals das Schiff zu besteigen versuchte, wurde er mit noch schlimmeren Schlägen verprügelt, so daß er mit bitterem Herzen zurückbleiben und die Abfahrt des Schiffes mitansehen mußte. Während er nun hierhin und dorthin lief[WS 1], und ihn alle für einen Esel hielten, wurde er notwendigerweise auch von allen wie ein Tier behandelt. Notgedrungen kehrte er also nach dem Hause der Frau zurück und diente ihr nach ihrem Gefallen um der Erhaltung seines Lebens willen über drei Jahre, wobei er keine Arbeit mit den Händen verrichtete, außer daß er die Bedürfnisse des Hauses an Holz und Getreide herbeitrug und auch das, was hinauszuschaffen war, wie ein Lasttier hinaustrug, wobei ihm nur der Trost blieb, daß, wenn er auch von allen anderen für ein Lasttier erachtet wurde, er von den Hexen selbst, die zusammen oder einzeln vorsprachen, als wahrer Mensch in Gang, Stand und Haltung anerkannt wurde, indem sie sich nach Menschenart mit ihm unterhielten.

Wenn gefragt wird, auf welche Weise ihm wie einem Lasttiere Lasten aufgeladen wurden, so ist zu sagen, daß, wie Augustinus, De civ. dei XVIII, 17 von den Stallmägden erzählt, die die Gäste in Lasten tragende Zugtiere verwandelten, und vom Vater des Praestantius, der erzählte, er sei ein Klepper oder Pferd gewesen und habe mit anderen Tieren Säcke getragen – daß wir durchaus auf Grund dieser Geschehnisse über das gegenwärtige urteilen: daß nämlich durch Gaukelkunst eine dreifache Täuschung geschah. Erstens bezüglich der Menschen, welche den Jüngling nicht als Menschen, sondern als Esel sahen. Wie die Dämonen das leicht bewirken können, hat sich oben im achten Kapitel ergeben. Zweitens, daß jene Lasten nicht illusorisch waren, sondern, wo sie die Kräfte des Jünglings überstiegen, der Dämon sie unsichtbar trug. Drittens, daß der Jüngling, während er mit anderen verkehrte, sich selbst auch als Lasttier erschien, wenigstens in der Vorstellung und in der Schätzungskraft, die körperlichen Organen angeheftet sind; nicht aber in der Vernunft, die nicht so sehr gebunden war, daß er sich nicht als Menschen gekannt hätte. Er wußte sich aber durch Zauberkraft getäuscht, daß er für ein Vieh gehalten wurde, wie auch ebendort das Beispiel von Nebukadnezar gegeben wird.

Nachdem also in dieser Weise drei Jahre verflossen waren, traf es sich im vierten, daß, als er eines Tages am Vormittag in die vorerwähnte Stadt gegangen war und die Frau von weitem folgte, der also behexte Jüngling an einer Kirche vorbeikam, in der Gottesdienst abgehalten wurde. Als er den Schall der Glocke zur Erhebung des Leibes des Herrn hörte – in jenem Lande wird nämlich der Gottesdienst nach Art der Lateiner und nicht der Griechen abgehalten –, wandte er sich zur Kirche, und weil er hineinzugehen aus Furcht, Schläge zu bekommen und hinausgetrieben zu werden, nicht wagte, kniete er draußen mit Knien und Hinterschenkeln nieder und blickte, indem er die gefalteten Vorderfüße, d. h. die Hände, zugleich in die Höhe hob, das Sakrament in der Erhebung, wie er meinte, aus einem Eselskopfe, an. Dieses Wunder sahen einige genuesische Kaufleute; voll Verwunderung folgten sie dem Esel, und während sie sich über das wunderbare Ereignis besprachen, siehe, da setzt die Hexe dem Esel mit dem Stocke nach. Weil nun, wie vorausgeschickt ist, derartige Behexungen in jenen Landen sehr viel ausgeführt werden, wird der Esel samt der Hexe auf Drängen der Kaufleute durch den Richter verhaftet, verhört und den Fragen ausgesetzt, gesteht sie das Verbrechen und verspricht, dem Jüngling seine frühere Gestalt wiederzugeben, damit er imstande sei, nach Hause zurückzukehren. Sie wird entlassen und kehrt nach Hause zurück; der Jüngling wird in seine alte Gestalt zurückversetzt. Sie selbst wurde von neuem verhaftet und empfing die gebührende Strafe für ihre Vergehungen; der Jüngling kehrte mit Freuden in seine Heimat zurück. (Wen erinnert dies nicht an die köstliche Erzählung des Apulejus „Der goldene Esel“!?, die im gleichen Verlage erschienen ist!)




Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: fiel