Der Hexenhammer (1923)/Dritter Teil, Elfte Frage

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Elfte Frage. Was der Advokat tun soll, wenn ihm die Namen der Zeugen nicht bekanntgegeben werden. Sechster Akt.

Wenn gefragt wird, was also der Advokat, auch im Namen des Prokurators, für den Angezeigten tun soll, wenn weder ihm noch seinem Klienten die Namen der Zeugen bekanntgegeben werden, welche Bekanntmachung der Angezeigte jedoch im höchsten Maße wünscht, so lautet die Antwort: Er empfange vom Richter eine Belehrung über die einzelnen im Prozesse enthaltenen (Punkte), und wenn er eine Kopie haben will, werde sie ihm mit Unterdrückung der Namen der Zeugen übergeben. So unterrichtet gehe er zu dem Angezeigten und lege ihm das Einzelne vor, und wenn es der Stoff erfordert, weil er ja dem Angeklagten recht lästig (sein kann), so ermahne er ihn zur Geduld, soweit er kann. Wenn der Angezeigte immer wieder darauf dringt, daß ihm die Zeugen bekanntgegeben werden, kann er antworten: „Aus den Tatsachen, die gegen dich ausgesagt worden sind, wirst du die Zeugen erraten können. Nämlich[WS 1] so und so ist ein Kind oder ein Stück Vieh behext worden; oder der und der Frau oder dem und dem Manne hast du deshalb, weil sie dir die und die Sache, um die du batest, nicht gewähren wollten, gesagt: ‚Du wirst fühlen, daß es besser gewesen wäre, du hättest mir zu der Sache verholfen‘, nach welchen Worten der und der plötzlich krank geworden ist. Deine Taten schreien wie Zeugnisse; sie werden höher bewertet als Zeugnisse mit Worten“. Oder auch (er sage): „Du weißt, daß du übel beleumundet und seit langer Zeit wegen der Antuung vieler derartiger Behexungen und Schädigungen verdächtig bist.“ Mit solchen Erwiderungen komme er schließlich dahin, daß sie selbst entweder Feindschaften anführt und behauptet, (die Anklagen) seien ihr aus Feindschaft entgegengeschleudert worden, oder sagt: „Ich gestehe, diese Worte gesagt zu haben, aber nicht in der Absicht zu schaden.“ Daher hat dann der Advokat dem Richter und den Beisitzern bezüglich des ersten, nämlich der Feindschaft, vorzutragen, und der Richter hat zu untersuchen; und wenn jene (Feindschaft) als Todfeindschaft erfunden würde, nämlich, daß zwischen Gatten oder Blutsverwandten der Tod beabsichtigt worden oder erfolgt sei, oder die Verschuldung eines Verbrechens, um dessentwillen jemand durch die öffentliche Gerichtsbarkeit zu ahnden wäre, oder schwere Wunden infolge der Zwistigkeiten und Zänkereien zugefügt wären, dann möge ein vorsichtiger Richter mit seinen Beisitzern erörtern, ob auf Seite der Angezeigten die Feindschaft schwerer ins Gewicht falle oder auf Seite des Angebers, z. B. weil der Gatte oder die Freunde der Angezeigten andere auf Seite des Angebers ungerechterweise unterdrückt haben. Dann freilich, wenn keine Indizien der Tat in (Gestalt von) behexten Kindern, Vieh oder (erwachsenen) Menschen vorhanden sind, noch auch andere Zeugen vorhanden sind oder auch an öffentlicher Bescholtenheit sie nicht leidet, dann wird angenommen, daß (der betreffende Zeuge) vom Standpunkt der Rache aus gegen sie ausgesagt hat; die Angezeigte ist gänzlich loszusprechen und freizulassen unter der gebührenden Kautel, sich nicht rächen zu wollen etc., wie es Sitte bei Gericht ist.

Aber es wird gefragt: Katharine hat ein behextes Kind oder sie selber ist für sich behext oder sie hat am Vieh sehr viel Schaden erlitten; sie hat Verdacht auf jene, deren Gatte oder Blutsverwandte früher ungerechterweise ihren Gatten oder Blutsverwandten in öffentlicher Gerichtsverhandlung unterdrückt haben. Da hier auf Seiten des Angebers eine doppelte Feindschaft besteht, weil (Zeugin) Feindschaft hegt hinsichtlich der angetanen Behexung und hinsichtlich der ihrem Gatten oder Blutsverwandten ungerechterweise zugefügten Beschimpfung, ist da ihre Aussage zurückzuweisen oder nicht? Auf der einen Seite scheint es allerdings, ja, weil Feindschaft dabei ist; auf der anderen, nein, weil (die Zeugin) Indizien der Tat vorbringt. Es wird geantwortet: In dem Falle, da keine anderen Angeber vorhanden sind, noch auch öffentliche Bescholtenheit gegen die Angezeigte wirkt, dann tritt man nicht ihrer Aussage allein bei, sondern weist sie zurück; die Angezeigte jedoch wird dadurch verdächtig gemacht, wenn außerdem, was die Krankheit betrifft, diese angehext ist und nicht aus einem natürlichen Mangel (herrührt) – wie man das erkennt, wird sich weiter unten ergeben – daß sie sich kanonisch (von diesem Verdachte) zu reinigen hat.

Aber wenn wiederum gefragt wird, ob andere Angeber auch über Indizien der Tat zuerst auszusagen haben, die ihnen oder anderen zugestoßen sind, oder allein über die Bescholtenheit, so wird geantwortet, daß, wenn sie über irgend welche Indizien der Tat aussagen, es freilich gut ist; wenn aber nur über die Bescholtenheit, und diese tatsächlich vorliegt, dann wird der Richter, mag er den Angeber um der Feindschaft willen zurückgewiesen haben, doch das Indizium der Tat, welches er vorgebracht und gezeigt hat, von den anderen Zeugen nach dem, was sie über die Bescholtenheit ausgesagt haben, als Anzeichen für heftigen Verdacht nehmen, auf grund dessen die Angezeigte in Haft behalten vom Richter zu einer dreifachen Strafe wird verurteilt werden können, nämlich der der kanonischen Reinigung, wegen der Bescholtenheit, gemäß dem c. inter sollicitudines, extra de pur. can.; desgleichen zur Abschwörung wegen des Verdachtes, gemäß dem c. accusatus am Anfang; und entsprechend den verschiedenen Verdachtsgründen zu den verschiedenen Abschwörungen, wie sich in der zweiten Art, das Urteil zu fällen, ergeben wird. Wegen der Indizien der Tat wird sie, wenn sie das Verbrechen gesteht und bußfertig ist, nicht dem weltlichen Arme zur Strafe des Blutes überlassen, sondern durch den geistlichen Richter zu lebenslänglichem Kerker verurteilt. Durch den weltlichen Richter jedoch kann sie, unbeschadet, daß sie zu lebenslänglichem Kerker durch den geistlichen Richter verurteilt worden ist, trotzdem wegen der zeitlichen Schädigungen dem Feuer überliefert werden, gemäß c. ad. abolendam, § praesenti und gemäß c. excommunicamus II de haeret., was sich alles weiter unten bei der sechsten Art, das Urteil zu fällen, ergeben wird.

Als Nachwort ist zu sagen: Der Richter beachte erstens, daß er nicht schnell bereit sei, dem Advokaten zu glauben, wenn er für die Angezeigte eine Todfeindschaft namhaft macht, deshalb, weil sehr selten bei einem solchen Verbrechen jemand ohne Feindschaft aussagt, da die Hexen immer allen verhaßt sind. Zweitens beachte er, daß, da eine Hexe auf vier Arten überführt werden kann, nämlich durch Zeugen, durch die Evidenz der Tat, durch Indizien der Tat und durch das eigene Geständnis, und zwar entweder auf die bloße Bescholtenheit hin, daß es dann durch Zeugen geschehe, oder auf den Verdacht hin, es dann durch Evidenz der Tat oder Indizien der Tat geschehe, wonach der Verdacht als leicht, heftig oder schwer beurteilt werden kann; und dies alles ohne eigenes Geständnis: wenn das noch dazukommt, würde vorgegangen werden, wie gesagt ist.

Drittens wende er das Vorausgeschickte auf seine Sache bezüglich der in Haft gehaltenen Angezeigten an, um dem Advokaten zu begegnen; aber natürlich sei sie nur auf grund der Bescholtenheit angezeigt, oder es mögen dabei irgend welche Indizien mitwirken, wodurch sie schwer oder leicht verdächtig wird; und dann wird er dem Advokaten betreffs der namhaft gemachten Feindschaft antworten können; und zwar soweit es den Teil anlangt, wo der Advokat zu gunsten des Angezeigten Feindschaft seitens der Angeber namhaft gemacht hat. Wenn er aber das zweite namhaft macht, nämlich, daß jene Worte, die sie gegen den Angeber ausgestoßen hat, (z. B.): „Du wirst in kurzem fühlen, was dir passieren wird“; oder: „Du wirst keine gesunden Tage mehr haben“; oder: „Es wird in kurzem dahin kommen, daß du wünschtest, du hättest mir zu der und der Sache verholfen oder sie mir verkauft haben“ und ähnliches (nicht in böser Absicht gesprochen sind), und der Advokat hinzufügt: „Mag auch irgend ein Übel für den Angeber an seinem Besitz oder seinem Leibe erfolgt sein, so folgt deshalb doch nicht, daß jene Angezeigte als Hexe die Ursache dieses Übels ist, darum weil Krankheiten einem auf verschiedene Weisen zustoßen können“; und wenn er ferner hinzufügt, daß es den Weibern gemeinsam ist, mit derlei Worten untereinander zu streiten etc., so hat der Richter bezüglich dieser Behauptungen auf folgende Weise zu entgegnen: Wenn freilich die Krankheit infolge eines natürlichen Mangels eingetreten ist, dann wird die Entschuldigung einen Platz haben können. Aber wenn auf Grund von Anzeichen und Erfahrungen das Gegenteil feststeht, insofern als nämlich (die Krankheit) durch kein natürliches Mittel hat geheilt werden können; desgleichen weil sie nach dem Urteil der Ärzte als angehexte Krankheit, im Volksmunde „Nachtschaden“, beurteilt wird; desgleichen vielleicht nach dem Urteil anderer Besprecherinnen, die versichern oder versichert haben, die Krankheit sei angehext; desgleichen weil sie plötzlich aufgetreten ist, ohne vorhergehenden Schwächezustand, während doch natürliche Krankheiten allmählich zu schwächen pflegen; desgleichen weil sie vielleicht dadurch kuriert worden ist, weil man bestimmte Werkzeuge unter dem Bett oder in den Kleidern oder an anderen Orten gefunden hat, nach deren Entfernung (die Kranke) plötzlich der Gesundheit wiedergegeben worden ist, wie es sich sehr häufig ereignet, wie es sich oben im zweiten Teile des Werkes ergeben hat, wo von den Heilmitteln gehandelt wird, so kann der Richter mit diesen oder ähnlichen (Einwänden) sehr leicht entgegnen, daß eine solche Krankheit eher infolge von Behexung als infolge eines natürlichen Mangels eingetreten ist.

Auch aus entgegengeschleuderten Drohungen hat man Verdacht auf Behexung, so wie es in ähnlicher Weise, wenn jemand sagen sollte: „Ich will dir die Scheune verbrennen“ und die Wirkung auf dem Fuße folgt, den Verdacht erregt, daß der, welcher die Drohungen ausgestoßen hat, die Scheune angezündet hat; mag sie auch vielleicht ein anderer und nicht er selbst verbrannt haben.




Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Näm-