Textdaten
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Autor: Th. E.
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Titel: Der Hecht in Heilbronn
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aus: Die Gartenlaube, Heft 45, S. 756
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1897
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
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Der Hecht in Heilbronn.
Nach einer Aufnahme von Hofphotograph H. Schuler in Heilbronn.

Der Hecht in Heilbronn. (mit Abbildung.) Dem Besucher des in mancher Hinsicht interessanten Rathauses in Heilbronn fällt bei Besichtigung des ersten Stockes mit seinem altertümlichen Gebälk über dem Eingang zum Rathaussaal ein Bild auf, das, auf einer mächtigen Holztafel gemalt, einen gewaltigen Hecht im Seewasser darstellt. Derselbe trägt um seinen Hals einen mit allerlei Zeichen versehenen Ring, und die auf der Tafel gleichfalls angebrachte Schrift lautet: „Ich bin der Fisch, Welcher in disen seh ist gethon worden von Friderico dem andern diß namens Regenten der Weldt im Jahr 1230 den 5ten Octob. Darunter stehen mit der Angabe: Renovirt 1812, folgende kunstlose Verse:

Schau bey Heilbronn mich recht versteh’
Im Weiher genannt Böckinger See
Der in sich hat am Wasser zwar
Sechs Morgen doch ohn all gfahr

5
Welcher obn abzulassen ist

Was sich zu tragen hat zur Frist
Als man Tausend vier hunder Jahr
Und neuntzig sieben gezehlet wahr

Nach Christi unsers Heylands geburth

10
Ein solcher Hecht drin gfangen wurdt

Der gestalt hie abgemahlet steht
In dieser größ ein Ring umb hett

Von Mös am Hals gewachsen ein
Starck unter den Floß Federn sein

15
Mit griegischer Schrift so mann alda

Gegraben ein lautet also:

Ich bin der Fisch, welchen Kaiser Friedrich der andere mit seiner eigenen Hand in diesen See gesetzt den 5. Octobris im 1230. Jahre nach Geburt Christi.

Nun ist es merkwürdig, daß die erhaltenen Nachrichten über diesen Hecht, dessen Bildnis erst unter der hölzernen Brücke Heilbronns angebracht war, gänzlich Verschiedenes melden. Eine alte Heilbronner Chronik meldet: „Diesem Kaiser Friedrich (nämlich Friedrich II) hat der Rat zu Heilbronn außer andern Verehrungen einen Hecht verehrt, welchen der Kaiser selbst seiner Größe und Schöne halber zu einem sonderlichen Gedächtnis in den Böckinger See gesetzt, und diesem Hecht zuvor ein messingner kupferner Ring an die Ohren oder Glüsen machen lassen, daran mit griechischen Buchstaben geschrieben gewesen: ‚Ich bin der Fisch etc.‘ Dieser Hecht ist anno 1497 wiederum gefangen und Kaiser Maximilian I verehret worden, da er 267 Jahr im See geschwommen, und stehet eben dieser Hecht allhie zu Heilbronn unter dem Brückenthor abgemalt.“

Das liest sich so nun freilich ganz interessant, aber einmal war um die auf der Inschrift angegebene Zeit Friedrich II gar nicht in Heilbronn, sondern in Italien, und auch Kaiser Maximilian war nicht im Jahre 1497, sondern zwei Jahre früher, 1495 in Heilbronn. Und dann, in diesen 267 Jahren hat besagter Hecht doch auch noch an Umfang zugenommen, und da sollte ihm sein Halsband nicht zu eng geworden sein? Eine andere Erzählung berichtet, allerdings mit denselben Jahreszahlen, daß der Fisch in einem See bei Königslutter (im Braunschweigischen) gefangen und nach Heidelberg gebracht worden sei, wo der Ring in der kurfürstlichen Kunstkammer samt einer Tafel mit dem Fische aufbewahrt werde.

Wie nun diese Hechtsage entstanden, und welcher historische Kern in ihr liegt, das konnte bisher nicht festgestellt werden. Daß Hechte eine außerordentlich lange Lebensdauer besitzen, ist eine Thatsache; ob gerade der Heilbronner Hecht, dessen Bild übrigens heute noch merkwürdig frische Farben zeigt, über eine solche verfügte, weiß man nicht; als eine ehrwürdige Reliquie aus einer Zeitperiode, wo das ganze Wissen über Entwicklung und Leben der Tiere noch ein seltsames Gemengsel von Sage und Thatsache war, darf er jedenfalls beachtet werden. Th. E.