Textdaten
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Autor: Heinrich Kämpchen
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Titel: Der Hünenstein
Untertitel:
aus: Was die Ruhr mir sang, S. 29-33
Herausgeber:
Auflage: k. A.
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1909
Verlag: Hansmann & Co.
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Erscheinungsort: Bochum
Übersetzer:
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Originalherkunft:
Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
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[29] Der Hünenstein *).[1]
 (Eine westfälische Volkssage.)

Vom Mechtenberg ¹)[2] der Hüne
Schloß einen Freundschaftsbund
Mit dem vom Tippelsberge ²),[3]
Die Sage gibt es kund.

5
Gemeinsam hielten beide

Gelag’ und Kumpanei,
Doch auch zur Arbeit kamen
Gemeinsam sie herbei. –

Sie buken und sie brauten

10
Befreundet Brot und Bier,

Der eine bei dem andern,
Abwechselnd dort und hier.
Und mußten neu sie backen,
Derweil der Vorrat bar,

15
So wurde Bäckermeister,

An dem die Reihe war. –
[30]
Er schürte dann den Ofen
Mit Scheiten klobig rauh
Und prüfte seine Hitze

20
Bedachtsam und genau.

Und war der Ofen fertig,
Zu heiß nicht und zu schal,
Dann gab der wack’re Hüne
Dem Freunde das Signal.

25
Doch nicht durch Hornesstoße,

So wie es Roland pflog –
Er kratzte nur die Reste
Des Brotteigs aus dem Trog. –
Doch klang’ auch dieses Kratzen

30
Nicht ganz gelind’ und leis’,

Die Hünenkraft, die starke,
Gab ihm die rechte Weis’. –

Wie lauter Donner dröhnte
Weit, weit hinaus der Schall,

35
Der and’re aber hörte

Auf seiner Burg den Hall.
Er wußte, daß der Ofen
Zum Einstich jetzt bereit
Und säumte nicht und brachte

40
Das Brot zur rechten Zeit. –


So hatten sie seit Jahren
Zusammen treu geschafft,
Da kam der Tag, der böse,
Der alles fortgerafft. –

45
Der ihrem Freundschaftsbunde

Jäh gab den Todesstoß –
Und war die Ursach’ nichtig
Die Wirkung sie war groß. –

Sie mußten wieder backen,

50
Und treu nach dem Vertrag

War auf dem Mechtenberge
Für diesmal Bäckertag. –
Hier regten sich geschäftig
Schon Herre und Gesind’,

55
Doch auf dem Tippelsberge

Blies nicht derselbe Wind. –
[31]
Verdrießlich war der Hüne
Am Morgen aufgewacht,
Er hatte schwer gebechert

60
Am Abend vor der Nacht. –

Noch lag’s ihm in den Gliedern
Wie Blei von dem Gelag’,
Doch mußte er sich rühren,
Weil heute Bäckertag. –

65
So kam’s, daß nicht von statten

Ihm heut’ die Arbeit ging
Und trotz des vielen Schweißes
Doch der Erfolg gering. –
Daß ihm die Fäuste müde,

70
Die Arme lahm und schlaff,

Und daß der Teig noch immer
Nicht fertig war im Haff. –

Und plötzlich hallt ein Dröhnen
Wie Donner durch die Luft –

75
Das ist der Mechtenberger,

Der ihn zum Einstich ruft.
Nun darf er nimmer säumen,
’s ist höchste Eile not,
Und ob der Teig nicht fertig,

80
Und wird gleich schlecht das Brot.


Und wieder hallt ein Dröhnen,
Und stärker noch wie vor,
Schon ist der Hüne draußen,
Weit von des Schlosses Tor. –

85
Und mißt er sonst die Strecke

In hundert Sprüngen ab,
Heut’ werden’s kaum noch fünfzig,
So läuft der Riese Trab. –

Noch nie zum Mechtenberge

90
Hat so sein Fuß gerannt,

Doch war die Eile nutzlos,
Wie er zu spät erkannt. –
Noch war der Teig nicht fertig,
Der Ofen nicht bereit,

95
Er hätte warten können

Noch stundenlange Zeit. –
[32]
„Warum“, brüllt er im Grimme,
„Hast du mich so geneckt,
Und an dem Trog gescharret,

100
Wo nichts dahinter steckt? –

Nun ist mein Brot verdorben
Durch deine Schuld allein,
Warum gabst du das Zeichen
Lang’ vor dem Fertigsein?“ –

105
Da lacht der Mechtenberger,

Daß fast das Zwerchfell platzt:
„Ich hab’, weil es mich juckte,
Die Rippen nur gekratzt. –
Sonst ist kein Laut gekommen

110
Von meiner Burg zu dir,

Wenn and’res du vernommen,
Was kann denn ich dafür?“ –

„Genug! Zu viel!“ Der Tippel
Hat’s heiser nur gestöhnt,

115
Dann ist er fortgestürmet,

Daß laut die Halle dröhnt. –
Und wiederum in Sprüngen
Jagt er den Weg zurück,
Doch stößt ihm jetzt die Rache

120
Die Sporen ins Genick. –


Schon nah’ dem Tippelsberge,
Hemmt plötzlich er den Lauf,
Ein Felsblock liegt am Wege,
Er hebt ihn grimmig auf

125
Und dann mit starkem Schwunge,

Dem Hünen kracht’s Gebein,
Fort schleudert er in Lüften
Den ungeheuren Stein. –

Wär’ nicht sein Fuß gestrauchelt,

130
Indem der Wurf geschah,

Dann weh’ dem Mechtenberger!
Das Unheil war’ ihm nah’. –
Es hätte ihn zerschmettert
Das riesige Geschoß,

135
So aber schlug es nieder

Noch hart vor seinem Schloß. –
[33]
Das kündet uns die Sage –
Auch liegt am Wegesrain
Zu Ueckendorf noch heute

140
Der große Hünenstein. –

Still zeugt der Felsenriese,
Aus Tagen alt und grau,
Noch von den Enakssöhnen
In uns’rem Heimatgau. –


  1. *) Der Hünenstein liegt in der Gemeinde Ueckendorf,
  2. ¹) der Mechtenberg bei der Stadt Wattenscheid und
  3. ²) der Tippelsberg bei Eickel in Westfalen.