Textdaten
Autor: Sophie Mereau
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Titel: Der Garten zu Wörlitz
Untertitel:
aus: Friedrich Schiller:
Musen-Almanach für das Jahr 1798, S. 216–219
Herausgeber: Friedrich Schiller
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1798
Verlag: J. G. Cotta
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Erscheinungsort: Tübingen
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: HAAB Weimar = Commons
Kurzbeschreibung:
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[216]
Der Garten zu Wörlitz.


Was für ein Zauber weilt auf dieser Stelle?
Welch holder Wahn schleicht in die Brust sich ein?
Sanft weht das Laub, harmonisch rauscht die Welle,
Und süße Bilder wanken durch den Hain.

5
Wie wallt das Thal, bewegt von leichten Schatten,

Von klarer Flut und Sonnenschein geküßt.
Wie lieblich hier sich Lust und Ruhe gatten!
Wie selbst der Herbst die Fluren milder grüßt!

Schon schmilzt, wo dort des Tempels Säulen glänzen,

10
Der Weide Grün zu leichtem gelbem Flor,

Hier hebt sich noch mit frischen Farbenkränzen
Der Eiche Laub in Jugendkraft hervor.

[217]

Am fernen Hügel, wo der See sich kräuselt,
Glüht mancher Busch, von Purpur übermahlt,

15
Indeß in blauer Luft die Pappel säuselt,

Das schöne Haupt von Silberglanz umstrahlt.

Wie ist auf diesem zart bewegten Spiegel,
Wo Phöbus mild in jeder Welle lacht,
Die Fahrt so schön! wir landen froh am Hügel,

20
Und uns umfängt des Haines sanfte Nacht.


Platanen wölben am umschirmten Teiche
Ein Schattendach für heißer Sonne Glut,
Sie neigen tief herab die schönen Zweige,
Und küssen sanft die still verklärte Flut.

25
Welch’ Jubeln tönt von jenem Ufer wieder?

Ein buntes Völkchen legt mit heiterm Sinn
Im hellen See die grauen Netze nieder,
Und schwebt auf leichten Kähnen her und hin.

[218]

Was sind sie hier, wo Lust und Freiheit wohnen,

30
Wo süsser Friede unsre Stirn umkränzt,

Die Freuden, die in Königsstädten thronen,
Die stolze Pracht, die in Pallästen glänzt?

Ein heitrer Geist beseelet hier und hebet
Den todten Stoff zur Harmonie empor,

35
Und aus dem stillen Zwang der Regel strebet

Natur mit freier schöner Kraft hervor.

Auch hier wohnt Kunst: oft keimt aus öden Steinen
Ein kleiner Garten wie durch Zaubermacht,
Und, ungesehen dort dich auszuweinen,

40
Winkt dir der Grotte heimlich stille Nacht.


Am schwankem Seil springt über feuchte Gründe
Der Brücke Bogen leicht mit dir hinweg,

[219]

Und unvermerkt durch lockendes Gewinde
Führt heimlich dich ein unwirthbarer Steg.

45
Und immer tiefer senkt in stille Grüfte,

Wohin ein dürftig Licht nur sparsam fällt,
Der Pfad sich ein, und drängt sich durch die Klüfte,
Die nur ein lockres Band zusammenhält.

Bis, wo die Felsen sich in Büschen enden,

50
Ein Gärtchen dich umfängt, wo sich das Licht,

Umschirmt von steilen, moosbedeckten Wänden,
In milder Dämmerung schwermüthig bricht.

Hier fasset dich mit leisem Geisterwehen
Ein stilles Grauen, dem getäuschten Sinn

55
Scheint alles todt, du wirfst dich ungesehen

Und traurig auf bemooste Steine hin.

[220]

O fliehe nicht der sanften Trauer Stunden,
Verschmähe nicht der Wehmuth ernste Lust!
Die Einsamkeit thaut Balsam auf die Wunden,

60
Und jedes Herz schlägt sanfter in der Brust.


Oft bricht sich durch der Schwermuth düstern Schleier
Ein heil’ger Stral, der Hoffnung göttlich Kind,
Der Muth erwacht, die Herzen schlagen freier,
Die doch im Ahnden nur hienieden glücklich sind.

SOPHIE MEREAU.