Der Bodensee (Wessenberg)
[131]
Der Bodensee.
Euch grüß’ ich, Uferfächer
Des Bodensees, entzückt.
Wie einen Freudenbecher
Hat euch Natur geschmückt.
Lacht euer Zauberkreis,
Im Schmelz der Farben glühend,
Die Stirn’ im Gletschereis.
Wohl manchen Sees Gestade,
An manchem Strom die Pfade
Hab’ ich mit Lust besucht.
Doch, gleich dem Morgensterne,
Der stets erfreut den Blick,
O See! zu dir zurück.
Hier, wo ein hehrer Tempel,
O Konstanz! dir entsteigt,
Und weit umher den Stempel
Hier werde froh begonnen
Die schöne Sängerfahrt,
Wo mit des Anschauns Wonnen
Sich die Erinn’rung paart!
Fahr’ ich, o Vater Rhein!
Gewaltig fortgezogen
Den Untersee hinein.
Die Schweiz seh’ ich zur Linken
Einander freundlich winken,
Füllhörner in der Hand.
Indeß noch Silberstreifen
Am Fuß der Berge ziehn,
Die röthlich golden glühn.
Aufglänzt die Sonn’ – o Scene!
Das Lied erstummt vor dir.
Neigt tief euch, ihr Lorraine, *)[1]
Auf jener Insel dorten,
Der edeln Reichenau,
Erschloß Pirmin die Pforten
Des Lichtes manchem Gau.
Der Mönche frommer Bund
That mitten unter Stürmen
Das Wort des Friedens kund.
[133] Hoch über den Gewässern
Von alten, stolzen Schlössern,
Erloschner Zeiten Glanz.
Du Hohentwiel, vor allen
Sinnbild von Heldenkraft,
Gesang und Wissenschaft.
Jetzt, Steurer, sanft gelenket!
Im Flug nach Meersburg hin,
Auf Felsen unumschränket
Fern glänzt das Schloß entgegen;
Doch öde steht’s und leer.
Kein Dalberg spendet Segen
Aus diesen Fenstern mehr.
Enttaucht den Fluten dort?
O Mainau, Rittern weiland
Verdienter Ruhe Port!
Wer fühlt die Brust da oben
Wo er, der Erd’ enthoben,
Frei Alles übersieht?
[134] O Heil’genberg, noch höher,
Dem Sitz des Adlers gleich,
Dein Haupt ins Aetherreich.
Wie hehr vor deinen Blicken
Entrollt sich Land an Land
Bis an der Eishöhn Rücken,
Gleich einem Circus heben
Die Ufer sich – wie sanft!
Mit Wiese, Hain und Reben
Vom grünbebuschten Ranft.
Entdeck’ ich weit und breit
Die Hütten zwischen Feldern
Nachlässig hingestreut.
Manch Dörfchen ruht entzückend
Das Kirchlein, niederblickend,
Bewacht sein stilles Loos.
Auf heitern Bergesgipfeln
Lacht manches schmucke Haus,
Schaut manches froh heraus.
[135] Schnell furcht, vom Dampf beflügelt,
Mein Schiff den Schimmerpfad
Hindurch die Flut, bespiegelt
Wie schwebt so hold, beim Reihen
Der Freude, von den Höhn
Der Vögel und Schallmeien
Melodisches Getön!
Dehnt schaurig jetzt sich aus.
Gewitterwolken steigen;
Schon hebt sich Windgebraus.
O See, wie zieht dein Lächeln
So sanft bei Zephyrs Fächeln,
Beim Sturm wie fürchterlich!
Dich decket nächtlich Dunkel;
Doch schäumend wirst du itzt
So oft die Wolke blitzt.
Des Donners Hall betäubet
Der Windsbraut Wuthgeheul.
Doch, wild von ihr zerstäubet,
[136] Und schon verliert das Brausen
In ein Geflüster sich;
Nur sanft erregt ein Krausen,
O Wasserebne, dich.
Der, Berge streifend, mild
Sich in den Wellen malet,
Des Friedens Himmelbild.
Vom Dämmrungsschein erhellet,
Und am Gestad zerschellet
Die Brandung roth und weiß.
Wie sanft verklärt die Gegend
Des Mondes Zitterglanz!
Der Formen Wechseltanz!
O See, dein Abendglänzen
Malt mir das Frühlingsthor
An dieses Lebens Gränzen
Und singt einst meine Muse
In Gottes Himmeln hoch,
Sie denkt mit leisem Gruße
An dich, froh zitternd, noch.
Auf rebumkränzten Höhn,
Wird Freundschaft eine Stelle
Zum Grabe mir ersehn.
Dann weht’s dem Freund der Reize,
Aus dem Gewind’ am Kreuze
Wie ferner Liederklang.
- ↑ *) Claudius Gelée, genannt Lorrain, der größte aller Landschaftsmaler.