Denkmäler deutscher Dichter

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Titel: Denkmäler deutscher Dichter
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aus: Die Gartenlaube, Heft 36, S. 643–644
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1886
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[643] Denkmäler deutscher Dichter. Wer freut sich nicht in den italienischen Städten, besonders Oberitaliens, über die zahlreichen Statuen und Büsten, welche dem Andenken hervorragender Männer gewidmet sind! Die Kirchen selbst erinnern mit ihren Bildsäulen und Gedenktafeln oft an Pantheons, und manche Walhallen unter freiem Himmel, wie das prato della valle in Padua, versammeln ganze Gruppen steinerner Berühmtheiten, nicht bloß lokaler, sondern vaterländischer Größen.

In Deutschland beginnt man jetzt diesem Beispiel nachzueifern: einer Zahl von Dichtern und Schriftstellern aus diesem Jahrhundert sollen in einzelnen Städten Erinnerungsmäler errichtet werden. Ein gewiß rühmenswerthes Beginnen – nur wird es stets einen wehmüthigen Eindruck machen, wenn den Dichtern bei Lebzeiten die gebührende Anerkennung vorenthalten und sie dann nach ihrem Tode in Stein verewigt werden.

Doch zeigt sich ja auch in Deutschland hierin eine Wendung zum Besseren, wenigstens was die anerkannten Lieblingsdichter betrifft – und so mag man auch in der Verherrlichung der Verstorbenen eine That nationaler Begeisterung erblicken, in welcher zugleich eine glänzende Anerkennung litterarischer und dichterischer Bedeutung liegt.

Karl Gutzkow hat bei Lebzeiten die heftigsten Angriffe erdulden müssen, und noch jetzt ist die Schätzung dieses hervorragenden Autors in manchen litterarischen und gelehrten Kreisen eine geringe. Gleichwohl wird die unbefangene Litteraturgeschichte, wenn sie die Summe seines Wirkens zieht, ihm eine bedeutsame Stellung einräumen müssen, und da sich viele seiner Stücke: „Uriel Acosta“, „Der Königslieutenant“, „Zopf und Schwert“ und „Das Urbild des Tartüffe“ noch auf den deutschen Bühnen als dauerhafte Repertoirestücke erhalten, so ist auch seine geistige Wirkung auf das große Publikum noch immer eine unmittelbare geblieben. Es ist das Verdienst des Allgemeinen deutschen Schriststellerverbandes, ein Denkmal für Karl Gutzkow in Anreguug gebracht und eine Sammlung für diesen Zweck veranstaltet zu haben. Der Ertrag derselben ist jetzt als ausreichend befunden worden, um ein Denkbild zu errichten, und zwar soll Dresden, das Elb-Florenz, mit diesem Bilde geschmückt werden: der Magistrat wird seinerseits die Kosten für die würdige Aufstellung und Umfriedigung des Gedenkbildes tragen. Man mochte in Zweifel sein, ob Berlin oder Dresden der geeignete Ort sei für Errichtung eines Gutzkow-Denkmals. Berlin ist die Vaterstadt des Dichters, und der Berliner Geist verleugnet sich durchaus nicht in der Eigenart desselben: der feinspürige, vorwiegend kritische Zug in seiner litterarischen Physiognomie weist auf die preußische Residenzstadt hin, die allerdings auch die Heimat der Romantiker und der Geburtsort eines Ludwig Tieck war. Doch in Dresden hat Gutzkow, der im Uebrigen ein wanderndes Nomadenleben führte, dessen Hauptstationen Hamburg, Frankfurt, Weimar, Heidelberg waren, von l847–1862 gelebt; in diese Zeit fallen die großen Erfolge, die er mit seinen Hauptdramen davontrug, und hier hat er auch seine beiden epochemachenden Romane geschrieben. So hat wohl Dresden mindestens die gleiche Anwartschaft auf ein Gutzkow-Denkmal wie Berlin.

Daß ein Denkbild Emanuel Geibel’s in Lübeck errichtet wird, ist jedenfalls selbstverständlich. Lübeck ist der Geburtsort des Dichters; hierher zog er sich zurück, als er in München seine Pension opferte, weil seine politische Gesinnung mit den dort herrschenden Strömungen nicht mehr im Einklang war; hier brachte er die letzten sechzehn Jahre seines Lebens (1868–1884), die Jahre seiner wachsenden Erkrankung bis zu seinem Tode zu. Auch hat er stets ein warmes Heimatsgefühl bewahrt, das er oft mit Wärme und Innigkeit ausspricht. In seinen Gedichten aus Griechenland klingt oft die Sehnsucht nach der alten Hansestadt durch; Jugenderinnerungen besingt er in vielen Gedichten, wie z. B. „die Lachswehr“. „Von der Trave“ tönen seine ersten kriegerischen Sonette für Schleswig-Holstein, und am Gestade von Travemünde hat ihn der Wogenschlag der Ostsee zu seinen Meergedichten angeregt. Es ist erfreulich zu hören, daß die Summe für ein Geibel-Denkmal, 41500 Mark, bereits zusammengebracht ist und die Travestadt sich bald mit dem Standbild ihres Dichters schmücken wird. Es soll ein Standbild von Erz sein und auf dem Koberg errichtet werden, demjenigen Platz, von dem die beiden Hauptstraßen Lübecks ausgehen.

Dagegen ist die Sammlnng zu einem Denkmal Friedrich Hebbel’s, das dem Dichter in seinem Geburtsort Wesselburen in Schleswig-Holstein errichtet werden soll, noch nicht zu einem abschließenden Ergebniß gelangt. Friedrich Hebbel, mit dem sich die Litteraturhistoriker fast mehr als mit jedem anderen neuen Dichter beschäftigt haben, ist in seiner eigenartigen Erscheinung, in seiner schroffen dichterischen Haltung dem großen Publikum immer etwas fremd geblieben. Möge dasselbe indeß dem Zeugniß hervorragender Geister glauben, daß Hebbel ein wahrhaft genialer Poet gewesen, und sein Scherflein beisteuern zur Ehrengabe für den Todten.

Dem jüngst verstorbenen Sänger des „Ekkehard“ und des „Trompeters von Säckingen“ soll an den Ufern des Neckar, den seine Lieder gefeiert, in seinem geliebten Heidelberg, wo er, zum Tode krank, noch einmal vor seinem Ende weilte, ebenso auch in Karlsruhe, wo er wohnte und starb, ein Denkmal errichtet werden. Ein Aufruf von dem Oberbürgermeister Heidelbergs, von Professoren und Studenten ausgehend, fordert zu Beiträgen für das dortige Denkmal auf. Wehmüthig muß es stimmen, daß es dem Dichter nicht mehr vergönnt war, das Jubelfest der von ihm so oft verherrlichten Stadt mitzufeiern. Am 13. August ist Viktor von Scheffel auch in Thüringen, in Ilmenau, das einst Goethe verherrlicht hat, ein Denkmal errichtet worden.

Zu einem Denkmal für Fritz Reuter fordern der Bürgermeister und Deputirte des Bürgerausschusses seiner Vaterstadt Stavenhagen auf; schon früher haben Komités in Schwerin und Magdeburg die Sache in die Hand genommen; das erstere aber wollte zwei Denkmäler, in Stavenhagen und Neu-Brandenburg, errichtet sehen. Das letztere ließ die Frage offen, in welcher Stadt das Reuter-Denkmal seinen Platz finden solle. Jetzt treten die Mitbürger des beliebten und gefeierten plattdeutschen Humoristen tapfer für seine Geburtsstadt in die Schranken und suchen durch den Hinweis auf Nordamerika, wo dem Dichter bereits vier Denkmäler errichtet sind, den Eifer des deutschen Volkes anzuspornen, indem, leider! die bisherigen Sammlungen noch nicht das erwünschte Resultat ergeben haben. Der plattdeutsche Klassiker verdient jedenfalls ein Ehrenmal in den Ländern, deren Sprache er zu weitreichender litterarischer Geltung gebracht hat.

Dem Sänger der Griechenlieder und überaus anmuthiger Volkslieder, welche nicht bloß gelesen, sondern in ansprechenden Kompositionen auch [644] gesungen werden, Wilhelm Müller, wird in Dessau ein Denkmal errichtet werden, zu welchem am 2. Oktober 1884 der Grundstein schon gelegt ist. Auch Ostpreußen, die Heimat großer Denker und Schriftsteller, eines Kant und Herder, will einem Lyriker der Befreiungskriege, Max von Schenkendorf, dessen Geburtsort Tilsit ist, ein Denkmal setzen und in Erinnerung bringen, daß dort, wo in alter Zeit einst die heilige Flamme von Romove gelodert, auch ein Opferaltar deutscher Dichtung gestanden. Die Lieder jener Lyriker von 1813 sind noch keineswegs veraltet: Max von Schenkendorf aber hat ein Recht, unserer jüngsten Epoche wieder ans Herz gelegt zu werden; denn er hat stets die Wiederherstellung des deutschen Kaiserreichs in seinen Liedern gefeiert.

Dem verstorbenen Dichter Hermann Kurz, dem Freunde Paul Heyse’s, dem Verfasser von „Schiller’s Heimathsjahren“ und vom „Sonnwirth“, soll in Reutlingen ein Denkmal gesetzt werden. Hermann Kurz gehörte bei Lebzeiten nicht zu den glücklichen und erfolgreichen Autoren, wenngleich der Erfolg von Heinrich Laube’s „Karlsschülern“ zum Theile seinem Schiller-Roman angerechnet werden muß, aus welchem der Dramatiker Manches entlehnte.

Auch Heinrich Laube soll in seiner Geburtsstadt Sprottau ein Denkmal gesetzt werden; zunächst hat das Komité eine Gedenktafel an dem Geburtshause des Dichters anbringen lassen.

Alle Sammlungen zu solchen Zwecken seien unseren Lesern bestens empfohlen. †