Decret vom 16. März 1816

Textdaten
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Autor: Ernst I. (Sachsen-Coburg und Gotha)
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Titel: Decret vom 16. März 1816
Untertitel:
aus: Die Constitutionen der europäischen Staaten seit den letzten 25 Jahren, Band 2, S. 306–312
Herausgeber: Karl Heinrich Ludwig Pölitz
Auflage:
Entstehungsdatum: 1816
Erscheinungsdatum: 1817
Verlag: F. A. Brockhaus
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Erscheinungsort: Leipzig und Altenburg
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Kurzbeschreibung:
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[306]
Decret vom 16. März 1816.

Wir Ernst, von Gottes Gnaden Herzog zu Sachsen, Jülich, Cleve und Berg, auch Engern und Westphalen, Landgraf in Thüringen, Markgraf zu Meißen, souverainer Fürst von Coburg und Saalfeld, gefürsteter Graf von Henneberg, Graf zu der Mark und Ravensberg, Herr zu Ravenstein etc. etc.

Wir haben mit Unsern getreuen Unterthanen eine unglückliche Zeit überstanden. Denn unglücklich muß wohl [307] die Zeit genannt werden, in welcher eine fremde Macht alle Mittel anwandte, auch die teutschen Lande sich zu unterwerfen, an die Stelle der teutschen Sitten und Rechte die ihrigen zu setzen, und alles aufzulösen, was auf Wiedererweckung teutschen Sinnes und teutscher Verfassung hinzuwirken vermochte. Solche Zeiten prüfen; Wir können Unsern Unterthanen aber das Zeugniß nicht versagen, daß sie auch in diesen Zeiten an ihrer Treue und ihrem Vertrauen gegen Uns sich durch fremde Einflüsse nicht haben irre führen lassen. Wir selbst versuchten in jenen stürmischen Zeiten, dasjenige zur Wohlfahrt Unsrer Lande zu thun, was irgend noch möglich war. In dieser Hinsicht haben Wir Uns bemüht, den Lauf der Justiz, als die erste gerechte Forderung des Unterthans an seinen Fürsten, ungestört zu erhalten; um die Betriebsamkeit Unsrer Unterthanen nicht durch Monopole zu hemmen, haben Wir diese aufgehoben; um den freien Verkehr möglichst zu unterstützen, haben Wir die Ausübung des Näherrechts für unstatthaft erklärt, und Unsern Vasallen, unter gewissen, in dem Mandat vom 11. Dec. 1809 bestimmten, Bedingungen die Versicherung ertheilt, daß Wir Uns stets geneigt finden lassen würden, das Lehen in freies Eigenthum zu verwandeln, das Gut von der Belehnung, wie auch vom Heimfallsrecht, zu befreien, und solchergestalt den Lehensverband, zum Vortheil der Lehensbesitzer, aufzulösen; in gleicher Hinsicht haben Wir die Vertheilung der Gemeindebesitzungen eingeführt, und dadurch die bessere Benutzung dieser Güter Unsern Unterthanen möglich gemacht. Als, durch den langwierigen Krieg und durch die gänzliche Umänderung der Staatsverhältnisse, die Bedürfnisse und Staatsausgaben größtentheils fortwährend vermehrt wurden, mußten Wir es als Pflicht ansehen, eine möglichst gleiche Vertheilung der Staatslasten herzustellen, und zu solchem Ende, da die steuerpflichtigen Unterthanen die Last allein zu tragen nicht ferner vermochten, auch die bisher unbesteuerten Grundeigenthümer in die Steuer zu legen; Wir haben aber auch dabei die Beruhigung genossen, daß von diesen die Nothwendigkeit dieser Verfügung nicht verkannt worden ist. Stets überzeugt, daß eine wohleingerichtete ständische Verfassung großen Vortheil einem Lande [308] bringe, haben Wir selbst im Jahre 1808 den Versuch gemacht, solche wieder herzustellen; allein die immer aufs Neue ausbrechenden Kriege gestatteten keine ruhige Berathung und Fortsetzung wohlthätiger Verhältnisse.

Als aber endlich für Teutschland sich bessere Aussichten zeigten, als überall die Kräfte zur Rettung des teutschen Vaterlandes sich regten, glaubten Wir, daß es Unsere Pflicht sey, als teutscher Fürst an dem großen Bunde Theil zu nehmen. Unsere Unterthanen haben diese Gesinnungen mit Uns getheilt, und immer willig, theils persönlich, theils durch Kostenbeiträge für die große und heilige Sache zu wirken gesucht. Dieses Unser und der Unsrigen Bestreben ist der Aufmerksamkeit der hohen verbündeten Mächte nicht entgangen; und Wir haben darüber die unzweideutigsten Beweise erhalten. Von Unsern Nachkommen können Wir den Vorwurf nicht befürchten, als ob Wir und die Unsrigen in der Zeit das nicht gethan hätten, was in ihr geschehen mußte.

Nunmehr da das düstere Gewölk verderblicher Kriege und nicht minder verderblicher politischer Meinungen sich verzogen, da der Friede bleibend zurückgekehrt; so kann dem Fürsten nichts angelegentlicher erscheinen, als seinem Lande eine solche Verfassung zu geben, welche Sicherheit des Eigenthums und vernünftige Freiheit im Handeln, Reden und Schreiben gewährt, und somit die Bande zwischen Fürsten und Unterthan fester knüpft.

Die Bundesacte spricht im 13. Artikel den allgemeinen Willen der Fürsten dahin aus, daß in allen Bundesstaaten eine landständische Verfassung Statt finden werde. Daher sind die nähern Grundsätze und Bestimmungen, auf welche die ständische Verfassung der teutschen Staaten im Allgemeinen errichtet werden soll, noch zu erwarten, damit das Besondre dem Allgemeinen nicht widerspreche, sondern überall, so weit es möglich ist, eine Gleichförmigkeit Statt finde. Indessen wollen Wir Uns dadurch nicht abhalten lassen, Unsern getreuen Unterthanen hierüber vorläufig Unsre Gesinnungen und Ansichten im Allgemeinen über diesen so wichtigen Gegenstand mitzutheilen. Wir haben nach der Zurückkunft in Unsre Lande eines Unsrer ersten Geschäfte seyn lassen, Uns das früher abgeforderte [309] Gutachten Unsrer Landesregierung zum Vortrag bringen zu lassen, und dieser Angelegenheit Unsre ganze Aufmerksamkeit zu widmen. Wir erklären daher Unsern Unterthanen, daß Wir eine ständische Verfassung zu begründen, und zwar dergestalt besorgt seyn werden, daß die Stände als Vertreter der sämmtlichen Unterthanen und als Bürgen der Aufrechthaltung der herzustellenden Verfassung angesehen und gehalten werden sollen. Bei diesem ehrenvollen und hochwichtigem Auftrage spricht sich von selbst aus, daß zu landschaftlichen Stellen nur die unzweideutigste Würdigkeit führen und gelangen kann. Da im Staate nicht Alle reden und nicht Alle rathen können über das, was dem Lande Noth ist, und über das beste Mittel, wie ihm zu helfen ist, wenn nicht Verwirrung statt Ordnung, leidenschaftlich aufgegriffene Ansicht statt reifer Ueberlegung Platz gewinnen soll; so wird eine sorgfältige Bestimmung hierbei nothwendig. Besitz des Grundeigenthums, Rechtlichkeit und Einsicht sind die Eigenschaften, die Anspruch auf Landstandschaft geben. Was besonders, in Ansehung des Grundeigenthums, die Rittergüter betrifft, auf welchen von alten Zeiten her die Landstandschaft geruhet; so sind Wir gemeinet, solchen Vorzug bei denselben zu belassen. Wir nehmen an, daß schon der Gedanke, daß auf einem solchen Gute von den Altvordern zum Besten des Vaterlandes gerathen worden ist, einen Reiz auf den Besitzer bringen muß, ferner nach bester Einsicht für das gemeine Wohl mitzuwirken. Und darum theilen Wir Unsre Stände in

gebohrne und gewählte.

Zu den erstern rechnen Wir diejenigen, welche mit einem Rittergute begabt sind, und überdies diejenigen Eigenschaften in sich vereinigen, die überhaupt zu der Würdigkeit eines Landstandes erforderlich sind. Gelangt ein solches Gut auf Frauen oder Unmündige; so wird die Landstandschaft durch dazu geeigenschaftete Vormünder und Bevollmächtigte ausgeübt.

Die gewählten Stände bestehen theils aus den Gliedern der Magistrate und Stadträthe, theils aus dem Bürger- und Bauernstande. Wer in diesen Ständen berechtigt ist, den Stellvertreter zu wählen, und wer zu diesem [310] gewählt werden kann; darüber wird künftig die nähere Bestimmung erfolgen. Indessen muß in jeder Rücksicht ein Verhältniß zwischen den gebohrnen und gewählten Ständen Statt finden. Eben so zweckmäßig und nothwendig muß es erscheinen, daß nur Eine und nicht besondere Landschaften für Unsre verschiedenen Lande hergestellt werden. Es muß kein Theil von dem Gedanken beunruhigt werden, daß er schwerere Lasten zu tragen habe, als der andere; das Einzelne und das Ganze müssen zusammengreifen; kein Theil darf dem andern fremd seyn. Was die Rechte und Pflichten Unsrer Landstände anbelangt, so setzen Wir verbindlich fest:

1) Allgemeine Gesetze, welche die Verfassung, die persönliche Freiheit und das Eigenthum betreffen, sollen den Ständen zum Gutachten mitgetheilt werden, und bevor dieses geschehen und die Erklärung der Stände binnen der zu setzenden Zeit eingegangen, keine verbindliche Kraft haben.
2) Die frühern, unter die obige Kategorie gehörigen, Gesetze, welche in der Zwischenzeit, wo die ständische Verfassung ruhete, ausgeflossen, und daher zur Berathung nicht mitgetheilt worden sind, sollen, wenn die Stände über dieselben hie und da Bedenken finden, und solche Uns anzeigen, in nochmalige Prüfung gezogen, und solche hiernach entweder abgeändert oder aufgehoben werden.
3) In gleicher Rücksicht können die Stände bei Uns die Beschwerden des Landes gegen Druck oder unerlaubte Eingriffe der Staatsdiener in die Rechte der Unterthanen anzeigen, wo Wir alsdann die nöthigen Untersuchungen verfügen werden; Sie können
4) ferner bei Uns Vorschläge übergeben, nach welchen auf die anzugebenden Thatsachen entweder alte Gesetze abzuschaffen oder neue Gesetze einzuführen seyn möchten.
5) Ohne der Stände Bewilligung sollen keine neuen Steuern ausgeschrieben werden. Uebrigens wollen Wir, daß bei der allgemeinen Steuerpflichtigkeit,

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und da Uns die Wohlfahrt des Adels und des Bürger- und Bauernstandes gleich nahe liegen muß, eine möglichst verhältnißmäßig gleichheitliche Vertheilung der Staatslasten beobachtet und hergestellt, und sonach kein Stand vor dem andern beschwert werde, welches bei dem gebietenden Drange der Umstände nicht immer zu bewirken möglich war;
6) Die Stände wählen sich einen Director, die Ausschußglieder, den Consulenten, Copisten und Cassierer, und suchen bei Uns die Bestätigung derselben.
7) Die Rechte, welche den Rittergutsbesitzern, den Patronatsherren u. s. w. als solchen zustehen, werden Wir, zur Aufhebung aller Willkühr und möglichen Eingriffe, in besondern Verordnungen bestimmen, und solche vor ihrer Bekanntmachung, den Ständen zur Prüfung und Berathung mittheilen; Dagegen
8) erwarten Wir nun auch von den künftigen Vertretern Unsrer Unterthanen, daß sie bemüht seyn werden, Unsre wohlmeinenden Absichten zu unterstützen, und das gemeine Wohl immer mehr empor zu bringen und zu befestigen; die Abgaben nach verhältnißmäßiger Gleichheit zu tragen; aber die von allen zu entrichtenden Steuern und Abgaben als eine unverletzliche Sache anzusehen, die nicht zu etwas anders, als dazu, wozu sie von Uns und den Ständen bestimmt worden, verwendet werden darf. Deshalben wird eine genau unter der Aufsicht Unsrer Landesregierung stehende Rechnungsverwaltung nothwendig.

Indem Wir nun auf solche Weise Unsern getreuen Unterthanen nicht nur die Zusicherung der Erlangung einer ständischen Verfassung, sondern zugleich auch die Grundlinien gegeben haben, nach welchen die künftige Verfassungsurkunde zu begreifen seyn soll; so erklären Wir annoch weiter, daß Wir den vollständigen Entwurf sothaner Urkunde des nächsten einer eigenen Commission, welche Wir aus einigen Unsrer Staatsdiener und aus einigen Unsrer vormaligen Stände zusammensetzen werden, zur Prüfung übergeben werden. Sobald diese sich über die Grundsätze [312] wird vereinigt haben, werden wir, wegen der anzutretenden Wahlen und dem sodann zu bestimmenden Landtag, das weiter Erforderliche zu erlassen unvergessen seyn. Nur soll kein Theil vergessen, daß die Form das Geringere ist, und daß der gute Geist hineingelegt und damit das Ganze belebt werden muß.

Coburg zur Ehrenburg den 16. März 1816.

Ernst, H. z. S. C. S.
Gruner.