De vulgari eloquentia/II. Buch – Erstes Kapitel

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aus: De vulgari eloquentia
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Zweites Buch.




Erstes Kapitel.
Wem es zukomme, sich der gebildeten und geschmückten Volkssprache zu bedienen, und wem es nicht zukomme.


Zum zweitenmal die Hurtigkeit unserer Fähigkeit darbietend und zum Halme des Fruchtwerkes zurückkehrend, bezeugen wir vor Allem, daß es sich gezieme, die erlauchte lateinische Volkssprache sowol prosaisch als metrisch anzuwenden. Aber weil sie die Prosaiker mehr von den Dichtern empfangen, und weil Das, was gedichtet ist, den Prosaikern als festes Muster verbleibt, und nicht im Gegentheil, weil Einiges den Vorrang zu geben scheint, daher wollen wir sie, derzufolge welche metrisch ist, als Dichtersprache nehmen und nach jener Ordnung abhandeln, die wir am Ende des ersten Buches kund gegeben haben. Wir wollen demnach zuerst untersuchen, ob Diejenigen, welche Verse für das Volk machen, sich derselben bedienen dürfen, und schon oberflächlich scheint es, daß dies so sei, weil Jeder, welcher Verse macht, seine Verse schmücken muß, so viel er kann. Da nun nichts so großen Schmuck hat wie die erlauchte Volkssprache, scheint es, daß jeder Verskünstler sich derselben [129] bedienen müsse. Ueberdies Dasjenige, was in seiner Art das Beste ist, scheint, wenn es mit dem Niedrigeren vermischt wird, nicht nur nichts ihm zu entziehen, sondern es zu verbessern. Wenn daher ein Versemacher, wiewol er rauhe Verse macht, sie seiner Rauhheit beimischt, so wird er nicht nur seiner Rauhheit eine Wohlthat erzeigen, sondern es scheint, daß er dies auch thun müsse. Viel mehr bedürfen aber Diejenigen der Hülfe, welche wenig, als Die, welche viel vermögen; und so ist es klar, daß es allen Versmachern erlaubt ist, sich derselben zu bedienen. Aber dies ist ganz falsch, weil die besten Verskünstler sie nicht immer anziehen dürfen, wie aus dem unten Folgenden wird erwogen werden können. Sie fordert demnach Männer, die ihr ähnlich sind, wie andere unserer Sitten und Gewohnheiten; denn die hohe Freigebigkeit erfordert Mächtige, der Purpur Edle; so fordert auch sie Männer, die sich durch Fähigkeit und Wissenschaft auszeichnen, und Andere verschmäht sie, wie aus dem unten Folgenden sich ergeben wird; denn Alles, was uns zukommt, kommt uns zu vermöge des Geschlechtes oder der Art oder des Einzelwesens, wie empfinden, lachen, Waffen führen; sie aber kommt uns nicht zu vermöge des Geschlechtes, weil sie auch den Thieren zukommen würde, auch nicht vermöge der Art, weil sie den gesammten Menschen zukäme, worüber kein Zweifel sein kann; denn Niemand würde sagen, daß sie den Bergbewohnern zukomme. Aber die besten Vorstellungen können nur da sein, wo Wissenschaft und Geistesfähigkeit ist; deshalb kommt die beste Sprache nicht Denen zu, welche Bäurisches treiben. Sie kommt deswegen zu wegen der Person, aber der Person kommt nichts zu als wegen eigenthümlicher Würdigkeiten, zum Beispiel Handel treiben, Waffen führen und regieren; wenn daher die zukommenden Dinge Bezug haben auf die Würdigkeiten, das heißt, auf die Würdigen (und Einige können würdig, Einige würdiger, Einige am würdigsten sein), so leuchtet [130] ein, daß das Gute den Würdigen, das Bessere den Würdigeren, das Beste den Würdigsten zukommt. Und da die Sprache auf keine andere Art ein nothwendiges Werkzeug für unsere Vorstellung ist als das Pferd für den Krieger, und den besten Kriegern die besten Pferde zukommen, so wird den besten Vorstellungen, wie gesagt ist, die beste Sprache zukommen; aber die besten Vorstellungen können nur die sein, wo Wissenschaft und Fähigkeit ist; also kommt die beste Sprache nur Denen zu, welche Fähigkeit und Wissenschaft besitzen; und so kommt nicht allen Versemachern die beste Sprache zu, da Viele ohne Wissenschaft und Fähigkeit Verse machen, und folglich auch nicht die erlauchte Volkssprache. Daher, wenn sie nicht Allen zukommt, dürfen sich nicht Alle derselben bedienen, weil Keiner ungeziemend handeln darf. Und wenn gesagt wird, daß Jeder seine Verse schmücken muß, so viel er kann, so bezeugen wir, daß dies wahr sei; aber wir werden weder einen gesattelten Ochsen noch ein gegürtetes Schwein geschmückt nennen, vielmehr es als verhäßlicht verlachen; denn Schmuck heißt Zusatz von etwas Geziemendem. Wenn nun gesagt wird, daß Höheres, dem Niederen zugemischt, einen Gewinn herbeiführe, so sagen wir, daß dies wahr ist, sofern keine Sonderung stattfindet, zum Beispiel, wenn wir Gold mit Silber verschmelzen; aber wenn eine Sonderung bleibt, so verliert das Niedere, zum Beispiel, wenn schöne Frauen zu häßlichen hinzukommen. Wenn daher die Meinung der Versemacher, vermischt mit den Worten, immer gesondert bleibt, so wird sie, sofern sie nicht sehr gut ist, vereinigt mit der besten Volkssprache, nicht besser, sondern schlechter erscheinen, wie eine häßliche Frau, wenn sie sich in Gold und Seide kleidet.