De vulgari eloquentia/II. Buch – Drittes Kapitel

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aus: De vulgari eloquentia
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[133]
Drittes Kapitel.
Es unterscheidet, in welchen Weisen die in der Volkssprache Versemachenden dichten.


Jetzt aber wollen wir uns anschicken, sorgsam zu untersuchen, auf welche Weise wir Dasjenige verknüpfen sollen, was einer solchen Volkssprache würdig ist. Indem wir also die Weise angeben wollen, wodurch dies würdig ist, [134] verknüpft zu werden, sagen wir zuerst, daß wir daran erinnern müssen, daß die in der Volkssprache Dichtenden ihre Gedichte auf viele Weise darstellen, Einige in Kanzonen, Einige in Ballaten, Einige in Sonetten, Einige in anderen gesetzlosen und regellosen Weisen, wie unten gezeigt werden wird. Von diesen Weise halten wir die der Kanzone für die trefflichste; daher, wenn das Trefflichste des Trefflichsten würdig ist, wie oben bewiesen ist, so ist Das, was der trefflichsten Volkssprache, auch der trefflichsten Weise würdig und daher in Kanzonen zu behandeln, daß aber die Weise der Kanzonen eine solche sei, wie gesagt ist, kann mit mehreren Gründen erwogen werden. Der erste ist nun, daß, da alle Verse, die gemacht werden, Gesang sind, die Kanzonen allein diese Benennung sich erworben haben, was nie ohne uralte Voraussicht geschah. Ferner, was an sich Dasjenige bewirkt, wozu es gemacht ist, scheint edler zu sein, als was des Aeußerlichen bedarf; aber die Kanzonen bewirken durch sich Alles, was sie sollen, was die Ballaten nicht thun (denn sie bedürfen der Tonkundigen, für welche sie gemacht sind): hieraus folgt, daß die Kanzonen für edler als die Ballaten zu halten sind, und folglich die Weise der andern an Adel übertreffen, wie denn Niemand zweifeln möchte, daß die Ballaten an Adel der Weise über den Sonetten stehen. Ueberdies scheinen die Dinge edler zu sein, welche ihrem Verfertiger mehr Ehre machen; aber die Kanzonen machen ihren Verfertigern mehr Ehre als die Ballaten, folglich sind sie edler, und folglich ist ihre Weise die edelste von allen andern. Ueberdies werden die Dinge, welche die edelsten sind, am liebsten aufbewahrt; aber unter Dem, was gesungen ist, werden die Kanzonen am liebsten aufbewahrt, wie Denen bekannt ist, die sich mit Büchern beschäftigen; also sind die Kanzonen die edelsten und folglich ihre Weise die edelste. Ferner ist unter den Kunstsachen die die edelste, welche die ganze Kunst begreift; da nun Das, was gesungen [135] wird, Kunstsache ist, und nur in den Kanzonen die ganze Kunst inbegriffen wird, sind die Kanzonen am edelsten, und so ist ihre Weise die edelste von allen. Daß aber die ganze Kunst des poetischen Gesanges in den Kanzonen zusammengefaßt wird, ergibt sich daraus, daß Alles, was sich an Kunst findet, in ihnen ist, aber nicht umgekehrt. Dies Merkzeichen aber Dessen, was wir sagen, liegt klar vor Augen; denn was aus den Kuppen der erlauchten Dichterhäupter auf ihre Lippen hervorströmte, wird blos in den Kanzonen gefunden. Deswegen erhellt für das Vorhaben, daß Dasjenige, was der erhabensten Volkssprache würdig ist, in Kanzonen behandelt werden muß.