De vulgari eloquentia/I. Buch – Fünfzehntes Kapitel

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aus: De vulgari eloquentia
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Fünfzehntes Kapitel.
Läßt sich weit aus über die bolognesische Mundart.


Das aber, was vom italischen Walde noch übrig ist, wollen wir rasch durchsuchen. Wir sagen demnach, daß Diejenigen vielleicht keiner übeln Meinung sind, welche behaupten, daß die Bolognesen eine schönere Mundart haben, weil sie von den umwohnenden Imolesen, Ferraresen und Modenesen etwas in ihre eigne Mundart aufnehmen, sowie wir gezeigt haben, daß alle von ihren Nachbaren etwas annehmen, wie Sordello dies von seiner Vaterstadt Mantua zeigt, welche mit Cremona, Brescia und Verona zusammengrenzt, welcher in der Beredtsamkeit so große Mann nicht blos in seinen Gedichten, sondern in allen seinen verschiedenen Schriften die Volkssprache seiner Vaterstadt aufgab. Es nehmen auch die obgenannten Bürger von den Imolesen Lindigkeit und Weichheit an, von den Ferraresen aber und Modenesen eine gewisse Geschwätzigkeit, welche den Lombarden eigenthümlich ist. Diese glauben wir sei aus der Vermischung mit den longobardischen Fremdlingen den Landbewohnern zurückgeblieben; und dies ist die Ursache, weshalb wir finden, daß Niemand aus Ferrara, Modena oder Reggio gedichtet habe. Denn die an eigenthümliche Geschwätzigkeit Gewöhnten können auf keine Weise zu der höfischen Volkssprache ohne eine gewisse Härte gelangen, was noch weit mehr von den Einwohnern Parmas zu glauben [121] ist, welche manto für molto sagen. Wenn also die Bolognesen von beiden Seiten etwas annehmen, wie oben gesagt ist, scheint es wahrscheinlich zu sein, daß ihre Sprechart durch Vermischung mit zwei entgegengesetzten, wie gesagt ist, zu einer löblichen Milde gemäßigt werde, was wir zweifelsohne nach unserm Urtheil dafür halten, daß es so sei. Wenn daher Diejenigen, welche sie in der Volkssprache vorziehen, sie betrachten blos in Vergleich mit den Volkssprachen der Städte Italiens, so stimmen wir ihnen gern bei; wenn sie aber glauben, daß geradehin die bolognesische Mundart vorzuziehen sei, so stimmen wir ihnen nicht bei und weichen ab; denn ihre Mundart ist nicht die, welche wir die höfische und die edle nennen; denn, wenn das der Fall gewesen wäre, so würden Massimo Guido Guinicelli, Guido Ghisliero, Fabricio und Onesto, und andre Dichter Bolognas niemals von der ersten Sprechart abgewichen sein, sie, welche edle Gelehrte und voll Kenntniß der Volkssprachen waren.

     Massimo Guido

Madonna il fermo core.

     Fabricio

Lo mio lontano gire.

     Onesto

Più non attendo il tuo soccorso, Amore –

welche Worte von denen der niederen Bolognesen ganz verschieden sind. Da wir nun glauben, daß wegen der übrigen Sprachen in den äußersten Städten Italiens Niemand einen Zweifel hege, und, wenn Jemand zweifelt, wir ihn nicht unsrer Antwort würdigen, so bleibt in dieser Untersuchung wenig zu sagen übrig; daher das Sieb niederzulegen wünschend, um schnell das Zurückgebliebene zu betrachten, sagen wir, daß die Städte Trient und Turin, sowie Alessandria den Grenzen Italiens so nahe sind, daß sie keine reine Mundart haben können, [122] sodaß, wenn sie, wie sie die abscheulichste Volkssprache haben, die schönste hätten, wir läugnen würden, daß sie wegen der Vermischung mit andern eine wahrhaft lateinische sei. Daher, wenn wir der edlen lateinischen nachjagen, so kann diejenige, welche wir suchen, bei ihnen nicht gefunden werden.