« 02. Vortrag Wilhelm Löhe
David und Salomo
04. Vortrag »
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III.
1. Chron. 12, 10–12; 13–14; 15–19.


1.
 Die Chronik theilt uns eine Übersicht der Helden Davids mit, und eine ganz ähnliche wird uns 2. Sam. 23 gegeben, woraus wir sehen, daß David von Anfang bis zum Ende seiner Regierungszeit umgeben war von gewaltigen Männern und Helden ohne Gleichen. David war eine Sonne, aber um ihn kreisten Sterne, die seinen Lebensgang glänzend machten von Anfang bis zu Ende, wie denn ein solch großer Mann selten allein gegangen ist, sondern immer die ebenbürtigen Helfer neben sich hatte. Zwar die Patriarchen standen einsam unter ihren Zeitgenossen, aber ihre Aufgabe war auch eine ganz andre, ihre Wirkungen giengen nicht in die Breite, sondern in die Tiefe, sie sollten Grund legen, das Samenkorn zukünftiger Entwicklung in die Erde senken. David aber soll ein Reich gründen und das Vorbild des Reiches Christi schauen lassen. Wo ein König thront, da muß ein Hof sein; die höchste Fähigkeit bedarf der Unterstützung andrer, es kann nicht einer herrschen und zugleich ausführen, was er gebietet, anordnen und zugleich für alle seine Anordnungen stehen. Darum werden auch dem König David die Leute gegeben, die er bedarf, für alle Gebiete seiner Herrschaft. Er hat Propheten neben sich zum Rath für seine Person und die Anschläge seines Reichs; er hat Sänger neben sich, die seine Psalmen einüben und selbst in der heiligen Kunst der Psalmendichtung mit ihm wetteifern; es sind Fürsten und Helden neben ihm, die seine Kriege führen und ihm zum Dienst bereit stehen. – Wie bei David im Vorbild, so war es bei Christo im Urbild. Unser| HErr JEsus tritt ein in die Welt, und die ewige Weisheit hat dafür gesorgt, daß neben Ihm große Kräfte und großartige Persönlichkeiten stehen: Joseph und die Gebenedeite unter den Frauen, Johannes der Täufer und seine Ältern Zacharias und Elisabeth, Simeon und Hanna, dann die 12 Apostel; nicht blos Engel und himmlische Heerschaaren, sondern auch hoch- und höchstbegabte Menschen geleiten den Eingebornen herein in die Welt und auf Seinem Gang durchs Leben. So ist es immer gewesen und Gott zeigt eben damit eine große, von Ihm begnadigte Zeit an, daß ER nicht blos einen einzelnen großen Mann sendet, der einsam kommt und geht, sondern daß ER auch Leute gibt, die Ihm helfen[1] zum Werk und mit Amasai ihm zurufen: Dein sind wir, o David, und mit dir halten wir’s, du Sohn Isais. Friede, Friede sei mit dir, Friede sei mit deinen Helfern, denn dein Gott hilft dir!


2.
 Als Israel nach Jerusalem zog, um dem auserwählten König seinen Thron auf Zion aufzurichten, da giengen den Tausenden, die aus allen Gauen herbeigeströmt waren, die großen Helden (die Obersten der Helden) voran und diese sind es vor allen, die David das Reich überliefert haben. Drei sind es, die alle andern überragen. Der erste ist Jasabeam, der dahin geht in seiner großen Kraft, ein Held ohne Gleichen, der seinen Speer schwingt über 800 Philister (2. Sam. 23, 8) auf einmal, deren er mit eigner Hand 300 mit Freuden zu Boden legt. Da ist ein zweiter, Eleasar; an dem ist nicht blos die Kraft, sondern auch der Eifer bemerkbar. Er gerät in Eifer, denn 2. Sam. 23, 9| wird von ihm erzählt, daß er einmal dreingeschlagen habe unter die Philister, bis er müde wurde und sein Arm nur noch krampfhaft das Schwert hielt. Der dritte dieser drei Helden ist Samma, und ihm vor allen gehört das Lob der That zu, die in dieser Lection erzählt ist. Er stand einmal mit den beiden andern als ihr Vorkämpfer auf einem Gersten- (oder Linsen-)feld, in dessen Nähe sich die Philister gelagert hatten, und während Israel floh, waren sie Israels Wagen und Reiter. Sie traten auf das Feld, das Israels Eigenthum war, und verjagten die Philister von dem Feld, zu dreien,[2] die Einzelnen die Menge.

 Da sieht man also die Helden, die David beistanden, da sieht man Kraft zu Schutz und Trutz, und David ist’s, dem alles beisteht, damit er den Philistern Hohn sprechen kann, wenn er will, und ihnen widerstehen, wenn sie ihm Hohn sprechen, und immer in der Oberhand bleibt. Wenn er auf dem Thron sitzt, streiten, während er seine Psalmen singt, siegen die Seinen, die auf ihn vertrauen, weil er auf Gott vertraut, und Gott seine Stärke und Schild ist. Wo Gott solche Könige und solche Helden gibt, da greift man getrost die Feinde an, da wird überwunden alles Zeug der Philister, da kommt ein Goliath und seine Kinder und Enkel zu kurz, da gibt’s nach dem Sieg Fried und Glück, Ruhe und Ehre im Lande. Gott gebe Seinem Volk allezeit solche Könige und solche Helfer!


3.
 Erinnert euch an den großen Streiter des HErrn, den Apostel Paulus. Auch dieser hatte ein Reich einzunehmen und war ein großer Kriegsfürst in den geistlichen Kriegen| des HErrn, und auch ihm war eine Anzahl von Kräften und Helfern zur Seite gestellt, die wahrhaftig zu rühmen und zu preisen sind. Und doch hört man ihn einmal über seine Umgebung klagen: „Die andern alle – außer Timotheus – suchen das Ihre“ (Phil. 2, 21). Sicherlich ist hier nicht von gemeiner Selbstsucht die Rede, doch aber muß zwischen Paulus und seinen übrigen Gehilfen nicht das volle Band der Eintracht, nicht jene rückhaltslos sich hingebende Liebe vorhanden gewesen sein, die hätte da sein können und sollen. David aber hatte das große Glück, daß seine Helden ihm das volle Herz, die volle Neigung schenkten, daß sich ihre Seele ihm innig anschmiegte, schon als er noch vor Saul fliehen mußte, und sie zu ihm sich stellten als zu einem Bruder, obwol er der von Gott Vorgezogene und zum König Gesetzte war. Er hatte also nicht blos Leute zu Schutz und Trutz, die für ihn kämpften, sondern er hatte auch Helden, die sich für ihn selber opfern konnten. – Wir finden ihn, als die schöne Geschichte sich zutrug, von welcher der Text redet, in der Nähe seiner Heimath. Die Philister haben Bethlehem besetzt und lagern im Grunde Rephaim und David ist in der benachbarten Höhle Adullam, in der dortigen Bergveste. Und wie er so den Philistern gegenüber liegt, da fühlt er sich einmal unter den Seinen so glücklich und so groß, daß er die bloße Lust läßt walten. Wer das Wort liest: David ward lüstern etc., der könnte meinen, es sei wirklich der arge Durst der Erntezeit gewesen, der ihn lüstern machte nach der Erquickung, die er als Hirtenknabe so oft genossen hatte, wenn er am Abend seine Heerden durchs Thor von Bethlehem trieb. Aber dem Wortlaut nach scheint es ein reines Gelüste gewesen zu sein, das dem David bei der Erinnerung an das edle, kühle Wasser des Borns von Bethlehem erwachte. Da spricht er sein Verlangen aus: Wer will mir Wasser holen| aus dem Brunnen von Bethlehem? Da brachen die drei Helden auf mit einander und schöpften unter den Augen und vor den Wachen der Philister Wasser, trugen es wieder durch die Feinde und kehrten zurück zu David, um ihrem Anführer den Labetrunk seiner Jugend zu bringen. Das geht dem David so ans Herz, daß er’s nicht trinkt, weil seine Helden ihr Leben dran gewagt haben, sondern er gießt es seinem Gott als Trankopfer aus. Er spürt ihre treue Liebe in seinem Herzen; das ist ihm genug.

 Wer ist je so geliebt worden wie David, der einen Jonathan zum Freunde gehabt hat, einen Jonathan, der Freundschaft Urbild für alle Zeiten; und der solche Helden gehabt hat, die eifersüchtig hätten sein können auf ihn und er auf sie. Aber sie eifern nicht, sondern beugen sich vor ihm, noch ehe er die Krone trägt; sie bringen ihm zu trinken mit Lebensgefahr, und er bringt den Trank, den sie in Liebe und Freundschaft ihm geschöpft, zum Opfer dar.

 Da ist’s kein Wunder, wenn der HErr Segen ausschüttet wie Thau vom Hermon, und wenn die Gnade vom Himmel träufelt, daß es duftet wie das Gewand des Hohenpriesters vom heiligen Salböl. Da muß man lieben lernen die heilige Bruderschaft, die die Menschen vereint, daß sie Ein Herz und Eine Seele werden. Da möchte man aber auch an die Brust schlagen und denken an all die Zerwürfnisse, die unter uns die Brüder trennen. Ach daß wir statt an einander zu mäkeln die Bruderliebe gegen einander üben lernten und dem HErrn Weihrauch streuten, denn das Thun der Bruderliebe ist ein Opfer, Gott zum süßen Geruch. Amen.

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  1. Magna negotia magnis adjutoribus egent (Vellejus).
  2. Versuch Löhes die Erzählung der Chronik und der Bücher Samuelis zu harmonisiren. (Anm. d. Herausg.)


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