David Hilbert Gesammelte Abhandlungen Erster Band – Zahlentheorie/Kapitel Anmerk. Hasse

11. Beweis für die Darstellbarkeit der ganzen Zahlen durch eine feste Anzahl n-ter Potenzen (Waringsches Problem). David Hilbert Gesammelte Abhandlungen Erster Band – Zahlentheorie (1932) von David Hilbert
Zu Hilberts algebraisch-zahlentheoretischen Arbeiten.
Verzeichnis der Begriffsnamen.
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Zu Hilberts algebraisch-zahlentheoretischen Arbeiten.
Von Helmut Hasse.

Hilberts Arbeiten zur algebraischen Zahlentheorie stehen nicht nur rein zeitlich, sondern auch inhaltlich betrachtet an der Wende zweier Jahrhunderte. Sie heben einerseits mit klarem, aufs Große gerichtetem Blick die den Arbeiten der Zahlentheoretiker des alten Jahrhunderts zugrunde liegenden Probleme in großer Allgemeinheit heraus, behandeln sie in dieser Allgemeinheit mit großenteils neuartigen Methoden, die den früheren an Eleganz und Einfachheit weit überlegen sind, und werden so andrerseits richtungweisend für die im neuen Jahrhundert einsetzende Entwicklung, die in den von Hilbert überall mit bewundernswerter Weitsicht vorgezeichneten Bahnen zu einer abschließenden Behandlung dieses Problemkreises geführt hat.

Es handelt sich dabei vornehmlich um das Problem des Reziprozitätsgesetzes, das man als im Brennpunkt dieser Entwicklung stehend bezeichnen muß. Um dieses Problem in der ihm vorschwebenden Allgemeinheit angreifen zu können, mußte Hilbert zunächst eine genügend breite Grundlage in der allgemeinen Theorie der algebraischen Zahlkörper legen, deren Fundamentalsatz, von der eindeutigen Primidealzerlegung, einige Zeit vor dem Einsetzen seines Schaffens durch die grundlegenden Arbeiten Dedekinds und Kroneckers bewiesen war. Nachdem er zunächst, in 2 und 3, den Elementen der Theorie, die er zu meistern gedenkt, durch eine elegante Wendung des Beweises dieses Fundamentalsatzes seinen Stempel aufgedrückt hat, wendet sich Hilbert in 4 zu einem eingehenden Studium der Galoisschen Zahlkörper. Das Prinzip dieser Untersuchung, deren Methoden und Ergebnisse für die ganze weitere Entwicklung der Theorie nicht nur des Reziprozitätsgesetzes, sondern weit darüber hinaus von der allergrößten Bedeutung geworden sind, ist die Abbildung der arithmetischen Eigenschaften (Primidealzerlegung, Restklassen nach Primidealpotenzen, Diskriminante) eines Galoisschen Körpers in seine Galoissche Gruppe.

Nunmehr wendet sich Hilbert seinem eigentlichen Problem, dem Reziprozitätsgesetz, zu. An die klassischen Untersuchungen von Gauss und Dirichlet anknüpfend, beginnt er mit der Verallgemeinerung des quadratischen Reziprozitätsgesetzes vom rationalen Zahlkörper auf den sog. Gaußschen Zahlkörper der ganzen komplexen Zahlen als Grundkörper. Ebenso wie das Reziprozitätsgesetz in in der Theorie der quadratischen Zahlkörper über wurzelt, wurzelt das Reziprozitätsgesetz in in der Theorie der relativ-quadratischen Zahlkörper über . In dieser körpertheoretischen Art der Darstellung und Deutung des Reziprozitätsgesetzes liegt hier der entscheidende Fortschritt Hilberts, nicht in dem Resultat, das ja schon auf Gauss und Dirichlet zurückgeht.

Des weiteren wendet sich Hilbert dem Reziprozitätsgesetz der -ten Potenzreste für einen höheren Primzahlexponenten zu, das als Grundkörper naturgemäß den -ten Kreiskörper (Körper der -ten Einheitswurzeln) erfordert. Hilbert beginnt mit dem Studium des allgemeinen -ten Kreiskörpers für sich. Er entwickelt in 6 einen neuen, auf seine Theorie des Galoisschen Körpers gestützten Beweis des zuerst von Kronecker bewiesenen Fundamentalsatzes, daß jeder Abelsche Zahlkörper Teilkörper eines solchen Kreiskörpers ist.

Für die Behandlung des Reziprozitätsgesetzes der -ten Potenzreste hatte Hilbert an die Arbeiten Kummers anzuknüpfen‚ in denen die körpertheoretische Verwurzelung jenes Gesetzes in der Theorie der sog. Kummerschen Körper bereits hervortrat. Hilbert gibt hier neue, von den umständlichen und wenig durchsichtigen Rechnungen Kummers freie Beweise. Auch setzt er das Reziprozitätsgesetz hier erstmalig in die elegante Form der Produktformel für das nach ihm benannte Normenrestsymbol. All dies geschieht in dem umfangreichen fünften und letzten Teil des sog. Zahlberichts 7.

In diesem Bericht hat Hilbert alles zur damaligen Zeit in der Theorie der algebraischen Zahlkörper erreichte Wissen gesammelt und zu einer einheitlichen, von großen Gesichtspunkten getragenen Theorie zusammengestellt. Die Resultate seines bisherigen Wirkens auf diesem Gebiete (2–6) sind darin verarbeitet, und überdies sind neben den vorhandenen Ergebnissen anderer Forscher eine große Menge eigener Erkenntnisse hier erstmalig ausgesprochen und gleich in den großen Zusammenhang eingeordnet. Das Werk ist noch heute der gegebene Ausgangspunkt für jeden, der in die Geheimnisse der Theorie der algebraischen Zahlkörper eindringen und der modernen zahlentheoretischen Forschung auf ihre Höhen folgen will.

Wegen dieser grundlegenden Bedeutung des Zahlberichts als Handbuch für das Studium wird er vielfach als der Gipfel der Hilbertschen Leistung auf zahlentheoretischem Gebiet angesehen. Es muß hier klar gesagt werden, daß das keineswegs den Tatsachen entspricht. Von der neuartigen, in 4 entwickelten Theorie des Galoisschen Zahlkörpers abgesehen, handelt es sich ja im Zahlbericht, wie in den in ihm verarbeiteten früheren Arbeiten im wesentlichen um die Durchdringung älterer Resultate mit neuen, eleganten, weittragenden Methoden. Hilberts eigentliche neuen Resultate dagegen setzen jetzt erst ein; sie erwachsen auf dem Boden, den der Zahlbericht geebnet hat, und führen von dort in neue ungeahnte Höhen.

Noch einmal wendet sich Hilbert jetzt, in 8, 9, dem quadratischen Reziprozitätsgesetz zu, nun aber nicht mehr mit der früheren Beschränkung auf den speziellen Gaußschen Grundkörper , sondern für einen allgemeinen algebraischen Zahlkörper als Grundkörper. Dieser Schritt ist von entscheidender Wichtigkeit, und charakteristisch für die Hilbertsche aufs allgemeine gerichtete Denkweise. Während man bisher zwar die Bedeutung der algebraischen Zahlentheorie für das Reziprozitätsgesetz erkannt hatte, hatte man sich doch durchweg auf die Betrachtung der gerade erforderlichen algebraischen Zahlkörper beschränkt, im Falle des Reziprozitätsgesetzes der -ten Potenzreste also des -ten Kreiskörpers als Grundkörper und der Kummerschen Körper über ihm [1]. Hilberts Schritt zu allgemeinen algebraischen Grundkörpern bedeutet als neue Zielsetzung das Studium der Theorie der allgemeinen algebraischen Zahlkörper, der algebraischen und arithmetischen Gesetzlichkeiten in und über ihnen, um ihrer selbst willen, während die klassische Zahlentheorie nur den rationalen Zahlkörper um seiner selbst willen studiert hatte. So entwickelt denn Hilbert jetzt das quadratische Reziprozitätsgesetz im Rahmen einer allgemeinen Theorie der relativ-quadratischen Zahlkörper über einem algebraischen Zahlkörper , den er allerdings zunächst der wesentlichen Beschränkung unterwerfen muß, daß seine Klassenzahl ungerade ist, ebenso wie ja auch die Kummerschen, im fünften Teil des Zahlberichts behandelten Untersuchungen nur für solche -te Kreiskörper durchgeführt werden konnten, deren Klassenzahl zu prim ist („reguläre“ Kreiskörper).

Den Gipfel von Hilberts zahlentheoretischer Leistung hat man ohne Frage in der letzten seiner Arbeiten zur algebraischen Zahlentheorie, in 10, zu sehen, wenn auch – oder vielleicht gerade weil – diese Arbeit einen mehr programmatischen Charakter hat. Hier weist Hilbert zunächst auf, wie man in der Theorie der relativ-quadratischen Zahlkörper die Beschränkung auf Grundkörper ungerader Klassenzahl loswerden kann. Den Schlüssel dazu findet er in der Theorie der Klassenkörper eines algebraischen Zahlkörpers, das sind bei Hilbert die unverzweigten relativ-Abelschen Körper. Mit bewundernswertem Weitblick stellt er am Schluß jener Arbeit, wennschon lediglich im Besitz der Theorie des Relativgrades 2, ganz allgemein für diese Klassenkörper den Komplex derjenigen Sätze hin, die man heute als Hauptsätze der Klassenkörpertheorie (im unverzweigten Fall) bezeichnet. Zudem spricht er am Schluß des § 1 sowie durch die Wahl des Titels klar aus, daß auch die letzte Beschränkung, auf den unverzweigten Fall, in seinen Augen nur eine vorläufige ist, und daß seine programmatisch skizzierte Theorie eine Theorie der allgemeinen relativ-Abelschen Zahlkörper über einem beliebigen algebraischen Zahlkörper anstrebt.

Das neue Jahrhundert hat dieses in seinem Weitblick wie in seinem Wesen großartige Hilbertsche Programm restlos durchführen können, und insbesondere nahezu alle von Hilbert vermuteten Einzeltatsachen bestätigt.

Über die Einzelheiten dieser Entwicklung der Theorie der relativ-Abelschen Zahlkörper ist, in Fortsetzung des Hilbertschen Zahlberichts, ebenfalls im Jahresbericht der Deutschen Mathematiker-Vereinigung, zunächst in kleinerem Rahmen von Fueter[2], später ausführlich von Hasse[3], mit genauen Literaturangaben berichtet worden. Hier mögen nur die Hauptzüge der Entwicklung und die gewonnenen Hauptsätze angeführt werden.

1. Zunächst hat Furtwängler in unmittelbarer Fortsetzung des Hilbertschen Werks den von Hilbert skizzierten Fall der unverzweigten relativ-Abelschen Körper allgemein durchgeführt und zum Abschluß gebracht. Ferner hat dann Takagi, unter Heranziehung von H. Webers tiefgreifenden Ansätzen, auch den allgemeinen Fall der relativ-Abelschen Körper beliebiger Relativdiskriminante erledigt.

Die Hauptsätze der so gewonnenen Theorie lauten:

Definition des Klassenkörpers. Ein algebraischer Körper über heißt Klassenkörper zur Idealgruppe aus , wenn von den Primidealen aus alle und nur die zu gehörigen in in verschiedene Primideale vom Relativgrade zerfallen.

Dabei bedeutet „Idealgruppe“ irgendeine solche Gruppe von Idealen, die für ein geeignetes ganzes Ideal [4]

1. alle Hauptideale () mit mod. enthält,

2. für keinen echten Teiler von alle Hauptideale () mit mod. enthält,

3. nur aus zu primen Idealen besteht.

Das durch diese Forderungen eindeutig bestimmte heißt der „Führer“ von .

Existenzsatz. Zu jeder Idealgruppe in existiert ein Klassenkörper über .

Isomorphiesatz. ist relativ-Abelsch über , und die Galoissche Relativgruppe von ist isomorph zur Gruppe der Idealklassen nach der Idealgruppe als Hauptklasse.

Die Idealklasseneinteilung hat dabei naturgemäß nur innerhalb der Gruppe aller zu primen Ideale zu erfolgen.

Zerlegungssatz für die Nichtteiler des Führers. Ist, für ein nicht im Führer von aufgehendes Primideal , die früheste Potenz, die in enthalten ist, so zerfällt in in verschiedene Primidealfaktoren vom Relativgrade .

Diskriminantensatz. Die Relativdiskriminante von über enthält genau diejenigen Primideale, die im Führer von aufgehen.

Beide Sätze sind als Spezialfälle in dem folgenden Satz enthalten:

Allgemeiner Zerlegungssatz. Hat, für ein beliebiges Primideal , innerhalb der engsten enthaltenden Idealgruppe von nicht durch teilbarem Führer den Index , und ist als früheste Potenz in enthalten, so zerfällt in in -te Potenzen verschiedener Primideale vom Relativgrade .

Anordnungs und Eindeutigkeitssatz. Ist Klassenkörper zu , Klassenkörper zu , so bedingen sich die Relationen und gegenseitig.

Insbesondere bestimmen sich also eine Idealgruppe und ihr Klassenkörper gegenseitig eindeutig.

Die Relation ist dabei derart zu verstehen, daß bei Beschränkung auf die zum Führer von (aber nicht notwendig sogar zum Führer von ) primen Ideale Teilmenge von wird.

Umkehrsatz. Jeder relativ-Abelsche Körper über ist Klassenkörper zu einer Idealgruppe aus .

Der Sinn dieser Sätze ist dieser: Durch die Klassenkörperbeziehung wird eine umkehrbar eindeutige Abbildung des Systems aller relativ-Abelschen Körper über auf das System aller Idealgruppen aus geliefert, bei der jedem körpertheoretischen Sachverhalt ein bestimmtes Äquivalent für die Idealgruppen entspricht. Man beherrscht so durch das System der Idealgruppen in völlig das System der relativ-Abelschen Körper über .

Insbesondere geht der Umkehrsatz für den Spezialfall des rationalen Zahlkörpers als Grundkörper in den oben erwähnten, von Hilbert in 6 behandelten Kroneckerschen Fundamentalsatz über, so wie überhaupt die von Hilbert im vierten Teil des Zahlberichts behandelte Theorie des allgemeinen -ten Kreiskörpers, von den allgemeinen Sätzen der Klassenkörpertheorie aus gesehen, einfach als Theorie des Klassenkörpers zur Restklasseneinteilung mod. in erscheint.

Ferner ergibt sich aus dem Existenzsatz die wichtige Aussage:

Allgemeiner Satz von der arithmetischen Progression. In jeder Idealklasse nach jeder Idealgruppe in existieren unendlich viele Primideale.

2. Sowohl Furtwängler, von der Theorie der unverzweigten relativ-Abelschen Zahlkörper ausgehend, als auch Takagi, von der Theorie der allgemeinen relativ-Abelschen Zahlkörper ausgehend, haben dann ferner das Reziprozitätsgesetz in einem allgemeinen (die erforderlichen Einheitswurzeln enthaltenden) algebraischen Zahlkörper behandelt, und zwar beide im wesentlichen nur für Primzahlexponenten . Gerade hatte Furtwängler begonnen, in gleicher Weise auch den Fall höherer Exponenten mit Erfolg zu behandeln, als Artin mit einem neuen, grundlegenden Satz hervortrat, der sich zunächst in Form einer Ergänzung zu den obigen Hauptsätzen der Klassenkörpertheorie darbietet, der aber andrerseits gerade den Mechanismus darstellt, durch den das Reziprozitätsgesetz mit diesen Sätzen verkettet ist, und den Artin daher schlechthin das allgemeine Reziprozitätsgesetz genannt hat. Dieses Artinsche Reziprozitätsgesetz ist eine Ergänzung zu dem Isomorphiesatz der Klassenkörpertheorie. Es lautet:

Artinsches Reziprozitätsgesetz. Der Isomorphismus zwischen der Idealklassengruppe nach und der Galoisschen Relativgruppe von wird dargestellt, wenn man jedem zum Führer von primen Primideal von diejenige Substitution der Galoisschen Relativgruppe von zuordnet, für die gilt:

mod. für jedes ganze aus .

Es gilt also:

Die Substitution hängt nur von der Klasse nach ab, der angehört, und der Multiplikation der Klassen entspricht dabei die Multiplikation der Substitutionen.

Die Existenz und eindeutige Bestimmtheit einer solchen Substitution ist in der von Hilbert in 4, unabhängig von Dedekind und Frobenius, entwickelten Theorie der Galoisschen Körper enthalten; ist eine gewisse Erzeugende der zu für gehörigen Zerlegungsgruppe. Nach Frobenius, der die Zuordnung dieser Substitution zu zuerst (auf die Verteilung der bei gegebenem hin) untersucht hat, nennt man die zu für gehörige „Frobenius-Substitution“. Das Artinsche Reziprozitätsgesetz hat dann insbesondere zur Aufstellung des allgemeinen Reziprozitätsgesetzes der Potenzreste für beliebige Exponenten in der klassischen Form geführt:

Definition des -ten Potenzrestsymbols. Für ein zum Führer von primes Primideal ist derjenige Einheitswurzelfaktor, den die Zahl bei Anwendung der zu für gehörigen Frobenius-Substitution bekommt.

Für ein zum Führer von (bis auf evtl. -te Potenzen) primes zusammengesetztes Ideal ist

.

Diese Definition ist sachlich etwas allgemeiner als die in den Arbeiten von Hilbert, Furtwängler, Takagi und Artin benutzte, führt aber in den dortigen Spezialfällen ( prim zu ) ohne weiteres auf die dort zugrunde gelegte Definition mittels des verallgemeinerten Eulerschen Kriteriums zurück.

Aus seinem Reziprozitätsgesetz folgerte Artin durch Anwendung auf die speziellen relativ-Abelschen Körper unmittelbar:

Das Reziprozitätsgesetz der Potenzreste (1. Form). Das -te Potenzrestsymbol hängt nur von der Klasse ab, der das Ideal bei der zu gehörigen Klasseneinteilung angehört.

Mittels eines Furtwänglerschen Schlußverfahrens leitete ferner Hasse die folgende Tatsache von der klassischen Gestalt des Reziprozitätsgesetzes her:

Das Reziprozitätsgesetz der Potenzreste (2. Form). Es ist

,

wenn die Führer von und zueinander prim sind.

3. Weiter konnte Hasse auch die elegante Hilbertsche Formulierung des Reziprozitätsgesetzes als Produkttheorem für das Normenrestsymbol in der jetzt erreichten Allgemeinheit geben:

Das Reziprozitätsgesetz als Produkttheorem für das Normenrestsymbol. Für beliebige aus und beliebige relativ-Abelsche Körper über ist stets das über alle Primstellen von erstreckte Produkt

.

Dabei ist das Symbol als Element der Galoisschen Relativgruppe von derart erklärt, daß insbesondere gilt:

dann und nur dann, wenn für jede noch so hohe Potenz von der Norm einer Zahl aus nach kongruent ist.

Die exakte Definition des Symbols wird, ähnlich wie für das Potenzrestsymbol, durch Zurückführung auf eine Frobenius-Substitution gegeben, welche hier allerdings etwas komplizierter ist:

ist die Frobenius-Substitution zu für , wenn aus durch den Mechanismus bestimmt wird:

mod. , mod. ( der Führer von , der -Bestandteil von )

und

mit einem Primideal .

existiert nach dem allgemeinen Satz von der arithmetischen Progression.

Für den Fall, daß zyklisch über ist, gilt auch für dieses allgemeine Normenrestsymbol die von Hilbert in seinen Spezialfällen festgestellte Tatsache:

Normensatz. Dann und nur dann ist Norm einer Zahl aus , wenn für alle Primstellen von ist.

Dagegen verliert dieser Satz im allgemeinen seine Gültigkeit, wenn K nicht mehr zyklisch über k ist.

Auf Grund dieses Normensatzes konnte Hasse neuerdings grundlegende Anwendungen der Klassenkörpertheorie auf die Strukturtheorie der einfachen Systeme hyperkomplexer Zahlen über einem algebraischen Zahlkörper geben. Zufolge dieser Anwendungen und mittels der allgemeinen Begriffsbildungen von E. Noether scheint diese Theorie nunmehr rückwärts für die noch offenen großen Probleme in der Theorie der algebraischen Zahlkörper, nämlich die Verallgemeinerung der Klassenkörpertheorie auf allgemeine relativ-Galoissche Zahlkörper, den Zugang zu liefern. Doch ist diese Entwicklung noch zu jung, als daß hier schon darüber berichtet werden könnte.

4. Von den von Hilbert am Schluß von 10 skizzierten Klassenkörpergesetzlichkeiten hat ein Satz auch noch nach fertigem Vorliegen der Furtwängler-Takagischen Theorie und des Artinschen Reziprozitätsgesetzes eine Zeitlang hartnäckig allen Beweisversuchen getrotzt. Es war dies die folgende Tatsache:

Hauptidealsatz. Im absoluten (d.i. größten unverzweigten) Klassenkörper zu einem algebraischen Zahlkörper werden alle Ideale von zu Hauptidealen.

Auch diese Tatsache, die wegen ihrer bevorzugten Stellung in dem Hilbertschen Programm zu den am weitesten bekannten Eigenschaften des Klassenkörpers gehört, konnte aber schließlich bewiesen werden, und zwar durch Furtwängler, nachdem zuvor Artin mittels seines Reziprozitätsgesetzes eine Reduktion auf eine rein gruppentheoretische Frage gegeben hatte. Diese Artinsche Reduktion beruht auf dem Gedanken, die Idealklassen des Klassenkörpers , um deren Studium es sich handelt, durch das Artinsche Reziprozitätsgesetz auf die Substitutionen der Galoisschen Relativgruppe des absoluten Klassenkörpers von , also des zweiten absoluten Klassenkörpers zu , abzubilden. Dieser Körper ist über nicht mehr Abelsch, sondern nur noch metabelsch. Daher überschreitet der Hauptidealsatz die eigentliche Theorie der relativ-Abelschen Körper, reicht vielmehr in die Theorie der relativ-metabelschen Körper hinein. Bei dem auch heute noch unvollkommenen Stand der Einsicht in ihn – man kann ihn nach Furtwängler zwar durch kunstvolle Rechnungen bestätigen, aber nicht innerlich verstehen – muß man dem wissenschaftlichen Instinkt Hilberts, der diesen Satz, lediglich auf fast triviale Spezialfälle gestützt, vorausgesehen hat, staunende Bewunderung zollen.

  1. Das gilt sinngemäß auch für Hilberts Untersuchung 5. Denn die zugrunde liegende Gaußsche Untersuchung zielte auf mehr als bloß das quadratische Reziprozitätsgesetz in , vielmehr auf das biquadratische Reziprozitätsgesetz in , und dafür ist der 4-te Kreiskörper naturgemäß erforderlich.
  2. Die Klassenkörper der komplexen Multiplikation und ihr Einfluß auf die Entwicklung der Zahlentheorie. Jber. dtsch. Math.-Ver. 20 (1911).
  3. Bericht über neuere Untersuchungen und Probleme aus der Theorie der algebraischen Zahlkörper. Teil I: Klassenkörpertheorie. Jber. dtsch. Math.-Ver. 35 (1926). Teil Ia: Beweise zu Teil I. Jber. dtsch. Math.-Ver. 36 (1927). Teil II: Reziprozitätsgesetz. Erg. Bd. 6 (1930) zum Jber. dtsch. Math.-Ver.
  4. In sind dabei, den reellen konjugierten zu entsprechend, „unendliche Primstellen“ ab Faktoren zuzulassen, für die die Kongruenz durch die Vorzeichengleichheit der betreffenden reellen konjugierten erklärt ist.
11. Beweis für die Darstellbarkeit der ganzen Zahlen durch eine feste Anzahl n-ter Potenzen (Waringsches Problem). Nach oben Verzeichnis der Begriffsnamen.
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