Textdaten
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Autor: Wilhelm Busch
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Titel: Das verwünschte Schloss
Untertitel:
aus: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime. S. 57–59
Herausgeber: Otto Nöldeke
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1910
Verlag: Lothar Joachim
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Erscheinungsort: München
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Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: ULB Düsseldorf und Commons
Kurzbeschreibung:
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[57]
24. Das verwünschte Schloss.

In alter Zeit ist mal ein Edelmann gewesen, der hatte einen großen, schönen Wald und vieles Wild darin, aber alle seine Jägersburschen, die er noch gehabt hatte, wenn sie ausgingen, in dem Wald zu jagen, so kamen sie nicht wieder zurück, so daß zuletzt keiner mehr bei dem Edelmann in Dienst gehen wollte.

Nach langer Zeit kam endlich mal wieder ein junger, hübscher Bursche zugereist, der stellte sich dem Edelmann als Jäger vor; da sagte ihm der Edelmann, wie es mit dem Walde bestellt wäre, und daß noch keiner wieder daraus zurückgekommen sei, aber der Bursche bat so viel, er möchte ihn doch annehmen, daß er ihn zuletzt doch in seinen Dienst nahm.

Gleich den andern Tag sattelte der Jäger sein Pferd und zog zum Jagen in den Wald hinein. Nicht lange war er geritten, so sah er auf einmal dicht vor sich elf prächtige Hirschkühe und einen prächtigen Hirschbock, der trug ein Geweih von purem Golde. Da faßte den Jäger ein heftiges Verlangen, dem wunderbaren Hirsche zu folgen, daß er ihn womöglich erjagen möchte; darum trieb er sein Pferd zu raschem Laufe an. Die zwölf Hirsche aber, als er ihnen nachsetzte, sprangen eilig davon; und zuletzt wurde der Wald so wüst und dicht, daß er die Hirsche ganz aus den Augen verlor und sich verirrte. Mit dem, so brach auch die Nacht herein. Da stieg der Jäger auf einen hohen Baum und sah von da aus der Ferne her ein Licht schimmern. Als er nun in der Richtung, wo das Licht herschien, weiter ritt, so kam er an einen großen Pferdestall, darin brannte die Stallaterne, und das war das Licht gewesen, welches er von dem Baume aus hatte schimmern sehen. Da band er sein Pferd wie die andern Pferde in den Stall.

Der Pferdestall gehörte aber zu einem Schlosse, das stand nicht weit davon, und als der Jäger da hineinging, so fand er alles aufs schönste eingerichtet, aber es war ganz still darin und kein lebendes Wesen zu hören und zu sehen. Nun stand da ein Schrank voll schöner Lesebücher, da nahm der Jäger eins von in die Hand, um sich die Zeit zu kürzen. Mit einem Male so wurde eine Stimme wach, die rief: »Was beliebt?« »Ei!« sprach der Jäger, »wenns [58] nach meinem Belieben geht, so möchte ich wohl Waschwasser haben und ein gutes Abendbrot.« Und was er verlangt hatte, das wurde ihm auch alles hergebracht. Da wusch er sich und setzte sich zum Abendessen, und als er gegessen hatte, nahm er wieder sein Buch zur Hand und las.

Um elf Uhr ließ sich wieder die Stimme vernehmen und sagte: wenn es zwölf wäre, so kämen vier Männer und schleppten ihn im ganzen Schlosse herum; dabei dürfte er aber ja keinen Laut von sich geben, sonst müßte er sterben.

Und richtig! Mit dem Schlage zwölf that sich die Thür auf und herein traten vier schwarze Männer, die faßten ihn unsanft an, schleiften ihn Trepp auf, Trepp ab im ganzen Schlosse herum; er gab aber keinen Laut von sich, und als der Schlag eins aus der Glocke ging, da brachten sie ihn wieder in sein Zimmer zurück.

Da sagte die Stimme: auf dem Tische stände Salbe, da sollte er sich mit einreiben, und dann stände in dem Nebenzimmer ein schönes Bett, da sollte er sich hineinlegen.

Das that der Jäger auch und den andern Morgen, da er erwachte, waren all seine Schmerzen vorüber. Es stand auch schon sein Morgenbrod bereit. Er erhob sich, als er das sah, von seinem Lager, verzehrte was ihm gebracht war, und nachdem, so setzte er sich wieder hin und las schöne Geschichtsbücher, die er nach Belieben aus dem Schranke nehmen konnte. Den ganzen Tag über wurde er mit Essen und Trinken wohl versorgt, so daß es ihm sicher alles wohlgefallen hätte, wenn ihm nicht die unheimlichen schwarzen Männer von der Nacht vorher noch zu lebhaft in Gedanken gewesen wären. Darum gedachte er, als der Abend anbrach, heimlich davon zu gehen. Aber o weh! Die Zugbrücke war aufgesogen und alle Anstrengungen, sie herunter zu lassen, waren vergeblich. Da mußte er denn wohl wieder umkehren, er mochte wollen oder nicht.

Um elf Uhr wurde wieder die Stimme laut und sagte: statt daß gestern vier gekommen wären, würden heute Nacht acht kommen und ihn im ganzen Schlosse herumtragen; wenn er aber den geringsten Laut von sich gäbe, so müßte er sterben.

Und richtig! Mit dem Schlage zwölf that sich die Thüre auf und hereintraten acht große schwarze Männer, die packten ihn bei den Beinen und schleiften ihn mit dem Kopfe zu unterst Trepp auf, Trepp ab im ganzen Schlosse herum, daß ihm alle Rippen im Leibe knackten und sein Kopf voll Beulen wurde. Aber doch gab er keinen Laut von sich; und wie der Schlag eins aus der Glocke ging, da brachten sie ihn wieder hin, wo sie ihn hergeholt hatten.

Da sagte die Stimme wieder: auf dem Tische stände Salbe, da solle er sich mit einreiben, und in dem Nebenzimmer stände ein schönes Bett, da solle er sich hineinlegen.

[59] Das that der Jäger auch; und den andern Morgen, als er aufwachte, war sein Kopf wieder heil und that ihm kein Finger weh. Es stand auch schon ein gutes Morgenbrod bereit, das verzehrte er mit Behagen, und nachdem so setzte er sich wieder hin und las noch viel schönere Bücher als er den Tag vorher gelesen hatte, und zu bestimmter Zeit kriegte er auch wieder sein gutes Essen und war ganz vergnügt bis zum Abend, wo es anfing dunkel zu werden; da fielen ihm die schwarzen Männer wieder ein und herzlich gerne hätte er sich auf und davon gemacht, wenn er nur gekonnt hätte.

Um elf Uhr sagte die Stimme: anstatt daß gestern acht gekommen wären, kämen heute zwölf; er sollte aber nur standhaft bleiben und kein Wort sagen, sonst müsste er sterben.

Und richtig! Mit dem Schlage zwölf that sich die Thür auf und herein traten zwölf kohlschwarze Männer, die banden ihm Hände und Füße mit eisernen Ketten und schleiften ihn im ganzen Schloße herum und zuletzt hinaus auf den Hof zu einem tiefen Brunnen und thaten, als ob sie ihn hineinwerfen wollten. Aber doch blieb er standhaft und gab keinen Laut von sich. Sowie der Schlag eins aus der Glocke ging, brachten sie ihn wieder zurück in sein Gemach. Er war halb todt und alle Knochen thaten ihm im Leibe weh, aber diesmal kam keine Salbe und wurde ihm auch kein Bett gegeben, so daß er auf allen vieren in eine Ecke kroch und da liegen blieb.

Die ganze Nacht that er vor Schmerz kein Auge zu, und den andern Morgen wurde auch kein Essen gebracht; aber es dauerte nicht lange, so klopfte jemand an die Thür, und als der Jäger »herein!« rief, da erschien ein wunderschönes Mädchen, das gab ihm von der Heilsalbe und sagte: in dem Nebenzimmer im Schranke, da hingen königliche Kleider, die sollte er anziehen, und wenn er das gethan hätte, so sollte er nur oben heraufkommen. Damit ging sie wieder hinaus.

Der Jäger zog nun, nachdem er mit der Salbe seine Schmerzen gestillt hatte, die königlichen Kleider an und ging dann oben in das Schloß hinauf, und als er in den Saal trat, so saß da eine wunderschöne Prinzessin mit ihren elf Jungfrauen; das waren die zwölf Hirsche gewesen, die der Jäger verfolgt hatte; der mit den goldenen Hörnern war die Prinzessin. Da bedankten sie sich bei dem Jäger, daß er sie durch seine Standhaftigkeit nun erlöst hatte. Nachdem so wurde der Jäger König und hielt Hochzeit mit der schönen Prinzessin, und wurde getanzt und geschmaust; und wenn die Hochzeit noch nicht zu Ende ist, so dauert sie heute noch.