Textdaten
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Autor: Johann Peter Hebel
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Titel: Das schlaue Mädchen
Untertitel:
aus: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes
S. 243–244
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum: 1803–1811
Erscheinungsdatum: 1811
Verlag: Cotta
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Erscheinungsort: Tübingen
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Originalherkunft:
Quelle: ULB Düsseldorf und Commons
Kurzbeschreibung:
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[243]
Das schlaue Mädchen.

In einer großen Stadt hatten viele reiche und vornehme Herren einen lustigen Tag. Einer von ihnen dachte: „Könnt ihr heute dem Wirth und den Musikanten wenigstens 1500 Gulden zu verdienen geben, so könnt ihr auch etwas für die liebe Armuth steuren.“ Also kam, als die Herren am fröhlichsten waren, ein hübsches und nett gekleidetes Mädchen mit einem Teller, und bat mit süßen Blicken und liebem Wort um eine Steuer für die Armen. Jeder gab, der eine weniger, der andere mehr, je nachdem der Geldbeutel beschaffen war und das Herz. Denn kleiner Beutel und enges Herz gibt wenig. Weiter Beutel und großes Herz gibt viel. So ein Herz hatte derjenige, zu welchem das Mägdlein jetzt kommt. Denn als er ihm in die hellen schmeichelnden Augen schaute, gieng ihm das Herz fast in Liebe auf. Deßwegen legte er zwei Louisd’or auf den Teller und sagte dem Mägdlein ins Ohr: „Für deine zwey schönen blauen Augen.“ Das war nemlich so gemeint: „Weil du schöne Fürbitterin für die Armen, zwey so schöne Augen hast, so geb ich den Armen [244] zwey so schöne Louisd’or, sonst thäts eine auch.“ Das schlaue Mädchen aber stellte sich, als wenn es die Sache ganz anders verstünde. Denn weil er sagte: „Für deine zwey schöne Augen“ – nahm es ganz züchtig die zwey Louisd’or vom Teller weg, steckte sie in die eigene Tasche, und sagte mit schmeichelnden Gebehrden: „Schönen herzlichen Dank! Aber seyd so gut und gebt mir jetzt auch noch etwas für die Armen.“ Da legte der Herr noch einmal zwey Louisd’or auf den Teller, kneipte das Mägdlein freundlich in die Backen, und sagte: „Du kleiner Schalk!“ Von den andern aber wurde er ganz entsetzlich ausgelacht, und sie tranken auf des Mägdleins Gesundheit, und die Musikanten machten Tusch.