Das neue Ehepaar
Nach so viel bittern Hindernissen,
Nach so viel ängstlicher Gefahr,
Als jemals noch ein zärtlich Paar
Hat dulden und beweinen müssen,
Das, wenns ein Lohn der Tugend ist,
Sie durch Beständigkeit zehnfach verdienet hatten.
Sie, die sich, hart bedroht, als Liebende, geküßt,
Die küßten sich nunmehr erlaubt als Ehegatten,
Und strenger Aeltern Zorn liebreich besänftigt hatten.
Wer war, nach langer Jahre Müh,
Nun glücklicher als Er, und Sie?
Denn, was man liebt, geliebt besitzen können,
Ist, Menschen, dieß kein Glück zu nennen:
So muß gar keins auf Erden seyn.
Hier wett ich wohl, daß mancher heimlich spricht,
Der gute Mensch versteht es nicht.
Da ein erlesnes Weib in meinen Armen liegt?
Ist sie nicht reich und schön? doch bin ich nicht vergnügt.
Ich glaub es, lieber Freund; allein sich so vermählen,
Ein Leib in einem Hause seyn.
Ein unverhofftes Glück begegnet unsern Beiden.
Wie weinen sie vor Zärtlichkeit!
Der arme Mann soll itzt auf kurze Zeit
Weil ihn ein naher Freund in einer fernen Stadt
Zum Erben eingesetzet hat.
Von heissen Lippen losgerissen,
Und doch entbrannt, sich länger noch zu küssen,
Dem andern immer stammelnd nach,
Ein Lebewohl, ein seufzend Ach!
Er stieg nunmehr ins Schiff (wie oft sah er zurücke!)
Und Doris blieb am Ufer stehn,
Noch lange schmachtend nachzusehn.
O Himmel! hört ich sie noch an dem Ufer flehn,
Bring meinen Mann gesund zurücke.
Das Schiff bringt ihn an seinen Ort.
Kaum hat er auch sein Gut noch in Besitz genommen:
So eilt er schon zu Schiffe wieder fort,
Daß, wider sein gegebnes Wort,
Eh er sie wiedersäh und küßte.
Die junge Frau, die, wenn die Sonn entwich,
Aus ihrem von der See nicht fernen Hause schlich,
Und gern am Ufer sich verweilte,
Mit der sie stets ihr Herze theilte,
An den ihr angenehmen Strand.
Sie redten. Und wovon? Erräthst du dieß noch nicht,
Wovon ein treues Weib, die schmachtend wartet, spricht:
Nein, nein, verschweig es mein Gedicht,
Wie zärtlich Doris Wünsche waren!
Das Herz wird dem, der liebt, sie selber offenbaren,
Und für die andern schreib ich nicht.
Von ihres Gatten Ankunft redte,
Und von dem Gastgebote sprach,
Das sie sich ausgesonnen hätte;
Indem sie noch von ihrer Erbschaft redte,
Sich oft in dem Entwurfe störte,
Und den, der sie im Testament bedacht,
Indem sie zum voraus die Armen speisen ließ,
Der Kranken Herz mit Stärkungen erquickte,
Und den Gefangnen Hülfe schickte;
Indem sie dieß im Geist von ihrer Erbschaft that,
Und, in ihr Glück vertieft, ans Ufer näher trat:
Ein Kästchen? Wie? wenns voll Juwelen wäre?
Ach Doris! wäre das nicht schön?
Allein ich sag es dir, ich habs zuerst gesehn,
Und kömmt es an den Strand geschwommen:
Doch du wirst ja bald nieder kommen,
Und das versteht sich schon, ich muß Gevatter seyn,
Dann bind ich dir drey Schnuren Perlen ein.
Die junge Frau belohnte Scherz mit Scherze.
Doch wie erschracken sie, als sie zu ihrem Schmerze
Fern einen Leichnam schwimmen sahn.
Wer weis, sprach Doris, welcher schon
Die Thränen in den Augen stunden,
Nicht grauer Aeltern einzger Sohn?
Wer weis, mit welcher trunknen Freude
Itzt die verlebten alten Beide,
Die sie für ihn erwählt, und treulich für ihn hüten?
Gott geb es nicht, daß sie den Anblick sehn!
Wer weis, ward nicht durch seinen Tod
Der treusten Frau ein lieber Mann entrissen,
In Armuth wird beweinen müssen?
Wer weis, wie vielmal er bethränt,
Eh er noch starb, das arme Weib erwähnt!
Doch, Freundin, komm von der betrübten Stelle,
Dieß sagte sie und gieng, als eben eine Welle
Den Todten an das Ufer warf.
Die Freundinn sah ihn an, und schrie mit Ungestüm:
Mein Vetter! und fiel neben ihm.
Der lieben Freundinn beizustehn.
Ach, Doris, ach! was wirst du sehn?
Sie sieht, und fällt auf ihren Gatten nieder,
Und stirbt an seiner starren Brust.
Und zeigt der Nachbarschaft den doppelten Verlust.
Hier bebte der, den man nie zittern sehn,
Und dem, der nie geweint, floß Wehmuth vom Gesichte,
Und niemand fragte, was geschehn.
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Die traurigste Begebenheit,
Elend gewordner Zärtlichkeit,
Und schmeckt das Glück, um andre sich zu quälen.
Und leidet mit bey fremden Schmerzen;
Dieß Mitleid heiligt unsre Herzen,
Und heißt die Menschenlieb in uns ihr Haupt erhöhn.
Die Tugend bleibt uns noch im Unglück selber schön.