Textdaten
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Autor: Johann Peter Hebel
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Titel: Das letzte Wort
Untertitel:
aus: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes
S. 234–235
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum: 1803–1811
Erscheinungsdatum: 1811
Verlag: Cotta
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Erscheinungsort: Tübingen
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Originalherkunft:
Quelle: ULB Düsseldorf und Commons
Kurzbeschreibung:
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Das letzte Wort.

Zwey Eheleute in einem Dorf an der Donau, her wärts Ulm, lebten miteinander, die waren nicht für einander gemacht, und ihre Ehe ward nicht im Himmel geschlossen. Sie war verschwenderisch, und hatte eine Zunge wie ein Schwerdt; er war karg, was nicht etwa in den eigenen Mund und Magen gieng. Nannte er sie eine Vergeuderinn, so schimpfte sie ihn einen Knicker, und es kam nur auf ihn an, wie oft er seinen Ehrentitel des Tags hören wollte. Denn wenn er hundertmal in einer Stunde Vergeuderinn sagte, sagte sie hundert und einmal: du Knicker, und das letzte Wort gehörte allemal ihr. Einmal fiengen sie es wieder mit einander an, als sie ins Bett giengen, und sollens getrieben haben bis früh um fünf Uhr, und als ihnen zuletzt vor Müdigkeit die Augen zufielen, und ihr das Wort auf der Zunge einschlafen wollte, kneipte sie sich mit den Nägeln in den Arm und sagte noch einmal: du Knicker! Darüber verlor er alle Liebe zur Arbeit und zur Häuslichkeit, und lief fort, so bald er konnte, und wohin? Ins Wirthshaus. Und was im Wirthshaus? Zuerst trinken, darnach spielen, endlich saufen, anfänglich um baares Geld, zuletzt auf die Kreide. Denn wenn die Frau nichts zu Rath hält, und der Mann nichts erwirbt, in einer solchen Tasche darf schon ein Loch seyn, es fällt nichts heraus. Als [235] er aber im rothen Rößlein den letzten Rausch gekauft hatte und konnt ihn nicht bezahlen, und der Wirth schrieb seinen Namen und seine Schuld, sieben Gulden ein und fünfzig Kreuzer, an die Stubenthür, und als er nach Haus kam, und die Frau erblickte, „nichts als Schimpf und Schande hat man von dir, du Vergeuderin,“ sagte er zu ihr. „Und nichts als Unehre und Verdruß hat man von dir, du Säufer, du der und jener, du Knicker,“ sagte sie. Da stieg es schwarz und grimmig in seinem Herzen auf, und die zwey bösen Geister, die in ihm wohnten, nemlich der Zorn und der Rausch, sagten zu ihm: „Wirf die Bestie in die Donau.“ Das ließ er sich nicht zweymal sagen. „Wart, ich will dir zeigen, du Vergeuderinn, (du Knicker sagte sie ihm drauf) ich will dir schon zeigen, wo du hingehörst, und trug sie in die Donau. Und als sie schon mit dem Mund im Wasser war aber die Ohren waren noch oben, rief der Unmensch noch einmal, du Vergeuderinn. Da hob die Frau noch einmal die Arme aus dem Wasser empor, und drückte den Nagel des rechten Daumes auf den Nagel des linken, wie man zu thun pflegt, wenn man einem gewissen Thierlein den Tod anthut, und das war ihr Letztes. – Dem geneigten Leser, der auf Recht und Gerechtigkeit hält, wird man nicht sagen dürfen, daß der unbarmherzige Mörder auch nimmer lebt, sondern er gieng heim, und henkte sich noch in der nemlichen Nacht an den Pfosten.