Das Weingartenloch bei Osterhagen
[71] In älteren Zeiten und noch vor 100 Jahren war das Weingartenloch bei Osterhagen so berühmt, daß man aus entfernten Gegenden Deutschlands, ja sogar aus Italien hierher kam, um die Höhle zu sehen, sollten doch Gold und Silber und andere Schätze edlen Erzes in ihr verborgen sein. In dem Kirchenbuche von Osterhagen heißt es im Jahre 1819:
„Am Sonntage nach Neujahr, den 3. Januar 1819, war ein Mensch namens Friedrich Ahlborn aus Abbenrode, Amts Moringen, in diese Höhle gegangen, um Schätze zu holen, kam aber darin zu Tode. Er war ein Ehemann von 41 Jahren und ist auf dem Kirchhofe in Osterhagen beerdigt. Die Sage erzählt, daß er an einer Stelle hineingekrochen sei, an welcher er den Kopf nicht habe zurückziehen können, und daß auf sein Hilferufen Leute herzugekommen wären, welche ihm nach vielem Ziehen den Kopf abgerissen hätten.“
Pastor Schläger in Lauterberg erzählt im Vaterländischen Archiv von 1820 dazu, daß der Verunglückte in einer Enge, wo er rückwärts hindurch wollte stecken geblieben sei. Er konnte weder vorwärts noch rückwärts und vermochte kein Glied zu bewegen. Einige Leute, die ihm aus der Ferne gefolgt waren, hörten sein Jammern nach Hilfe, konnten aber nicht helfen.
Als die herbeigerufenen Bergleute aus Lauterberg kamen, war er schon tot. Nur mit Stangen und Hacken konnten sie ihm einen Strick umlegen, mit dem sie ihn herauszogen, wobei viele Finger, Rippen und Knochen zerbrachen. Eine Witwe und mehrere Waisen in Moringen trauerten um den Familienvater. Allen Warnungen zum Trotz hatte er nicht widerstehen können, in die Höhle zu kriechen, um die Schätze zu holen. Er soll nicht arm gewesen sein, aber die Sucht nach Reichtum ließ ihm keine Ruhe.
In dem Weingartenloch, das schon von Behrens in seiner Hercynia curiosa 1703 und von Brückmann in seiner 36. epistola itineraria 1734 beschrieben wird, sollten viele Schätze aufgehäuft sein. Kammerherr von Rohr bemerkt dazu von 1739 in seinen „Merkwürdigkeiten des Harzes“: „Von dieser Höhle wollen viele Leute in der Nachbarschaft vorgeben, als ob die Nürnberger und einige Ausländer gewisse braune und gelbliche Erde aus dieser Höhle in Rantzen und Säcken fortträgen, die sie hernach zu nutzen und Gold daraus zu schmeltzen wüßten.“
„Es versichert aber der angeführte Dr. Brückmann, er hätte durch Schmeltzen und[WS 1] Probieren, nachdem er mancherley chymische Operationes damit vorgenommen, nichts Goldhaltiges darinnen antreffen können.
Die Höhle ist, wie mir Herr Konrektor Ritter zugeschrieben, wegen der engen, verdrießlichen und gefährlichen Passagen nicht gar wohl zu passieren.“
Eine Karte über diese Höhle, das Weingartenloch, vom Lauterberger Geschworenen Hänel, welche Mühlenpächter Germelmann kopierte, hat Pastor Schläger der Lauterberger Pfarr-Registratur einverleibt.
Nach der Sage war im Innern ein großer Saal, durch tausend brennende Lichter herrlich erleuchtet, wo der Teufel die Ankommenden aufs freundschaftlichste begrüßte. In der Mitte des Saales befand sich ein Tisch, auf welchem ein großes Buch lag. Der Ankömmling wurde durch die prächtigsten Zimmer geführt; man zeigte ihm ganze Berge von Gold und Silber und gab ihm die Freiheit, so viel davon mitzunehmen, wie er wolle, sobald er sich dem Teufel verschreibe. Habe man nun seinen Namen in das Buch eingetragen, so könne man mit Reichtum beladen wieder zurückkehren. Meistens aber war der Erfolg umgekehrt.
Ein Mädchen stieg hinab, und weil ihr Geleucht zu Ende ging, konnte sie den Ausweg nicht finden und kam um. Ein Jäger wurde später in dieser Höhle tot aufgefunden.
Von den Sagen, welche sich an diese Höhle knüpfen, erklärt eine auch den Namen derselben. Ruma, die jüngste Tochter des Zwergkönigs, der im benachbarten Sachsenstein wohnte, wurde in die Höhle verbannt, weil sie gegen den Willen ihres Vaters mit dem Riesenjüngling Romar aus der Burg Römerstein ein Herzensbündnis geschlossen hatte.
Lange saß sie hier in Gefangenschaft und verbrachte die langen Tage und Nächte unter Seufzen und Weinen, wovon die Höhle noch heute das Weingartenloch heißt. Da ihre Mutter eine Wassernixe gewesen war, so wohnte auch ihr die Kraft inne, sich in eine solche zu verwandeln. Als klares Bächlein trat sie nun unter dem Felsen zutage, aber stets schleuderte sie der erbarmungslose Vater, der den Betrug entdeckt hatte, wieder in das Innere des Berges zurück und verurteilte sie dazu, ewig ein Bergquell zu bleiben.
Nach vielen Jahren gelang es ihr endlich, unterirdisch die Grenze des Zwergreiches zu [72] überschreiten und am Rotenberge ungehindert als mächtiger Quell zutage zu treten. Das ist der Rhumesprung, der zum Andenken an die Zwergjungfrau Ruma seinen Namen erhalten hat. In der Tiefe des Weingartenloches aber erkennt man die Nähe der Wassernixe an dem geheimnisvollen Rauschen unterirdischer Gewässer.
Andere nehmen an, daß die Mönche des Klosters Walkenried hier einen Weingarten oder Weinberg gehabt haben, von dem der Name abzuleiten sei. Nach der Volksmeinung sind bei dem Weingarten die Steine zum Bau dieses Klosters gebrochen, wodurch die Höhle entstanden wäre. Das ist jedoch nicht wahrscheinlich, denn die Steine lagen bei Walkenried näher.
Eine andere Sage erzählt wie der Kuhhirt von Osterhagen durch Vermittelung der Venediger große Schätze aus dem Weingartenloch geholt hat. Die Fremden, die aus der Höhle kamen, luden ihn ein, mit ihnen zu essen und zu trinken, worauf er hinter einem Eichenbusch einschlief. Als er erwachte, lag er in einem kostbaren Bette in einem großen Kaufmannshause in Venedig. Die beiden Fremden mit denen er am Harze getrunken hatte, zeigten ihm das ganze Haus und die ganze Stadt und fragten ihn, ob es ihm hier gefiele, oder ob er lieber in seine Heimat zurückkehren möchte. Als er letzteres bejahte, schenkten sie ihm zum Andenken einen goldenen Hasen und einen Stein. Wenn er mit diesem vor das Weingartenloch käme, würde es sich vor ihm auftun. Nun schlief er nochmal in dem kostbaren Bett, und als er erwachte, lag er wieder hinter seinem Eichenbusche bei Osterhagen.
Den goldenen Hasen verkaufte er für 2.000 Taler an einen Juden und mit dem Stein wollte er in das Weingartenloch. Da er sich aber allein fürchtete, so schlug er den Stein in zwei Stücke und gab die Hälfte seinem Kameraden, der ihn begleitete. In der Höhle kamen sie auseinander, und da jeder seinen Stein weggeworfen hatte, ist er niemals wieder an das Tageslicht gekommen. Der Hirt aber brachte große Schtze edlen Erzes mit nach Hause.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Original: and