Das Unglück der Weiber
In eine Stadt, mich deucht, sie lag in Griechenland,
Drang einst der Feind, von Wuth entbrannt,
Und wollte, weil die Stadt mit Sturm erobert worden,
Die Bürger in der Raserey,
O Himmel! welch ein Angstgeschrey
Erregten nicht der Weiber blasse Schaaren!
Man stelle sich nur vor, wenn tausend Weiber schreyn,
Was muß das für ein Lärmen seyn!
Sie liefen mit zerstreuten Haaren,
Mit Augen, die von Thränen roth,
Mit Händen, die zerrungen waren,
Und warfen schon, vor Angst halb todt,
Und flehten in gemeiner Noth
Ihn insgesammt um ihrer Männer Leben.
So hats von tausenden nicht eine Frau gegeben,
Die sich gewünscht, des Mannes los zu seyn?
Nun, das ist viel; da muß, bey meinem Leben!
Noch gute Zeit gewesen seyn.
So hart, als auch der Feldherr war:
So konnt er doch dem zauberischen Flehen
Denn welchen Mann, er sey auch zehnmal ein Barbar,
Mein ganzes Herz fängt sich hier an zu regen.
Ich hätte nicht der General seyn mögen,
Ich hätte wie ein Kind geweint,
Und ohne Geld den Männern gleich das Leben,
Und jeder Frau zu ihrer Ruh
Den Mann, und einen noch dazu,
Allein so gar gelind war dieser Feldherr nicht.
Ihr Schönen! fängt er an und spricht. – – –
Ihr Schönen? Dieses glaub ich nicht:
Ein harter General wird nicht so liebreich sprechen
Genug! er hats gesagt. Ein alter General
Hat, dächt ich, doch wohl wissen können,
Daß man die Weiber allemal,
Sie seyn es, oder nicht, kann meine Schönen nennen.
Ich schenk euch eurer Männer Leben;
Doch jede muß für den Gemahl
Mir gleich ihr ganz Geschmeide geben;
Und die ein Stück zurück behält,
Wie? fiengen nicht die Weiber an zu beben?
Ihr ganz Geschmeide hinzugeben?
Den ganzen Schmuck für einen Mann?
Gewiß der General war dennoch ein Tyrann.
Da er die Schönen doch so plagte?
Doch weit gefehlt, daß auch nur eine zagte:
So holten sie vielmehr mit Freuden ihren Schmuck.
Dem General war dieß noch nicht genug.
Als bis sie einen Eid gethan,
(Der General war selbst ein Ehemann)
Bis, sag ich, sie den Eid gethan,
Den Männern nie die Wohlthat vorzurücken,
Drauf kriegte jede Frau den Mann.
O welche Wollust! Welch Entzücken!
Vergebens wünsch ichs auszudrücken,
Mit welcher Brünstigkeit die Frau den Mann umfieng!
Ihr Aug an seinem Auge hieng!
Der Feind verließ die Stadt. Die Weiber blieben stehen,
Um ihren Feinden nachzusehen;
Alsdann flog jede froh mit ihrem Mann ins Haus.
Noch nicht, mein Freund. Nach wenig Tagen
Entfiel den Weibern aller Muth.
Sie grämten sich, und durftens doch nicht sagen.
Wer wirds, den Eid zu brechen, wagen?
Sie legten sich; drauf starben in zehn Tagen,
Des Lebens müd und satt, neunhundert an der Zahl.
Der alte böse General!