Das Rodelroß
Max und Männe sind bekannt
und beliebt im ganzen Land.
Doch es gibt ein Mädchenpaar,
Daß nicht minder ulkig war.
Hörst Du jetzt, mein lieber Kind:
Bäckermeister Blätterteig
– Heinrich ist sein Vornam’ weich –
Grad’ in seiner Hochzeit fand,
Auf der Schwelle seiner Tür
Kindlein zwei und auch ein Tier,
Nämlich einen Affen zierlich,
Der sich zeigte sehr manierlich.
Nahm die Mägdlein an sogleich
Ganz, als wären sie ihr eigen,
Wollt’ ihr gutes Herze zeigen.
Lene nannte man die kleine.
Lotte hieß die lange, dünne,
Die fast glich ’ner magern Spinne.
Doch das Äffchen tauft man Klops,
Weil es ähnlich einem Mops. –
Machte Streiche, sehr geschäftig,
Streiche, sag’ ich, toll und froh,
Aber niemals war’n sie roh.
Nein – des Kleeblatts Übermut
Blättert um, – Ihr findet gleich
Hier im Heft den einen Streich!
Nur im Winter fällt der Schnee,
Türmt sich langsam in die Höh’,
Und, wenn er liegt hoch und fest,
Auf dem Schnee sich’s rodeln läßt.
Hat ein langes Sitzbrett mitten,
Sauset wie ein lebend’ Ding
Von den Bergen abwärts flink.
Meistenteils kommt auch sein Reiter
Manchmal wird das Rodelroß
Seine lustgen Reiter los,
Und des öftern so ein Gaul
Zeiget Mucken gar nicht faul,
Und gebärdet sich wie toll.
Solch ein Rodelrößlein schön
Sieht man unterm Christbaum stehn
Den der Meister Blätterteig
Heute nämlich Weihnacht ist,
Wie Ihr wohl schon selber wißt,
Denn ’nen richtgen Weihnachtsbaum
Gibt’s zu andern Zeiten kaum.
Fröhlich um den Christbaum sprangen.
Denn ein Rodelrößlein war
Längst ersehnet von dem Paar
Auch der Affe, Klops genannt,
Da die Mädel eifrig ihn
Ziehen übern Teppich hin.
Abends kommt dann Onkel Schmer,
Zu der Weihnachtsfeier her.
Nennen Kinder gern „beschränkt“.
Dieser Onkel Ignaz Schmer
Hatte stets die Hände leer.
Selbst zu Weihnacht er nichts bringt,
Seht Euch diesen Schmer mal an!
Über ihn man lachen kann.
Seine hohen Filzesschuhe,
Riesengroß wie eine Truhe,
Da sie gehen sonst in Stücken,
In den Schuhen Hosen stecken,
Die am Knie sich beutlig strecken.
Dazu trägt er ’n Pelz vom Schaf,
Um den Hals ein wollner Schal,
Dessen Enden nicht egal,
Ihm ersetzet Schlips und Kragen,
Die – er sagt’s – nur Gecken tragen.
Wirket wie ein schlechter Witz,
Weil darunter lang und dünn,
Künstlerlocken fluten hin
Bis zu jenem Schale dick,
Dieser Schmer, einst Musikante,
Rentner sich seit langem nannte.
Klagte jedoch immerzu,
Hunger ließ’ ihm keine Ruh’.
Ist zumindest Millionär. –
Mit den Eltern Blätterteig
Setzet er sich nunmehr gleich
In das schöne große Zimmer.
Klops, der Affe, und die Rangen
Haben daher angefangen
– Denn sie sind nun hier allein –
Sich zu bauen rasch und fein
In der Stub’ die Rodelbahn.
Ja – was nützt ein Rodelroß,
Wenn’s nicht gleitet wirklich los?!
Deshalb auch der große Schrank
Alle Kraft man dann verwandte,
Bis der Schrank mit einer Kante
Lehnet auf der Tischesplatte,
Die ’ne mächtge Länge hatte.
Wird gebracht zur andern Stell’,
Wird so an den Tisch gestützt,
Daß als Rutschbahn er was nützt.
Unter ihn das Kleeblatt Stühle
So – das ist die Rodelbahn,
Wie hier jeder sehen kann.
Freilich fehlt ihr noch die Glätte,
Die das Rößlein nötig hätte.
Holt sodann den Seifentopf,
Und mit grüner Seife hat
Fix gemacht die Bahn sie glatt.
Nun die Leiter rücket man
Unser Kleeblatt steigt nach oben.
Aufwärts wird das Roß gehoben,
Das die Lene mit dem Fuß
Noch so lange halten muß,
Dann das Rößlein frei sie läßt,
Und mit Poltern und mit Quietschen
Sieht man es nach abwärts flitzen. –
Klirr und krach! Der schöne Spiegel
In der Seife dicker Schicht
Stehn empor die Splitter dicht.
Klirr und krach! Das Rodelroß
Sauste auf den Glasschrank los.
Sind jetzt nur noch Scherben hier. –
Aus dem Zimmer nebenan
Rennen Blätterteigs heran.
Und auch Onkel Ignaz Schmer
Ach, das arme Elternpaar
Plötzlich wie versteinert war.
Nur der Onkel Ignaz spricht:
„Seht, da habt Ihr die Geschicht’!
Die nachher zertrümmern Sachen?!“ –
Meister Heinrich Blätterteig
Nahm dann bei den Ohren gleich
Seine beiden lieben Kinder,
In das Schlafgemache klein.
Klöpschen hopste hinterdrein.
Heinrich sie zu dreschen scheut,
Denn es ist ja Weihnacht heut’.
Schließt er ein am sichern Ort.
So war dieser Weihnachtsabend
Keineswegs die Herzen labend.
Festeslaune, die war futsch
Onkel Schmer geht gleich nach Hause
Hin zu seiner Geizhals-Klause,
Setzt sich an den Ofen dicht,
Zählte nun bei Kerzenlicht
Das war seine Weihnachtsfreud’! –
Eine Woche ist vergangen.
Rodelrößlein ist gefangen
Immer noch als zu gefährlich
In der dunklen Bodenkammer
Trotz der Kinder lautem Jammer.
Endlich von des Himmels Höh’
Rieselt schöner weißer Schnee,
Unsre drei ins Freie locken.
Mit den dicken warmen Pelzen
Heiter durch den Schnee sie stelzen.
Klops, der Aff’, trägt hohe Stiebel
Jetzt sie rollen Schneeball-Klöße
Von ganz annehmbarer Größe,
Bauen einen Schneemann flink,
Putzen aus das weiße Ding,
Finden auch ’ne Fellmütz’ dann,
Und aus alter grauer Wolle
Machen sie die Künstlertolle.
Ja – das ist der Ignaz Schmer!
Ganz besonders, da soeben
Er tritt lebend auch daneben.
Unsre drei, erstarrt vor Schreck,
Stehen an des Hauses Eck’.
Diesen Herrn begrüßen möcht’,
Zieht die Pelzmütz, lächelt sehr,
Saget höflich: „Ich heiß’ Schmer.“
Doch der Schneemann bleibet stumm.
„Herr!“ ruft er, „welch ein Begehr
Führt Sie in den Garten her?“
Wieder Ignaz’ Schneeporträt
Saget weder Ja noch Ne.
Ballt schon Schnee zum Klumpen dicht,
Zielet gut und trifft auch schnell
Grade jene Backenstell’,
Wo dem Ignaz sitzen schöne
Hui – es flieget das Gebiß!
Ignaz’ Wut war groß gewiß
Und im Wahne, daß der Mann
Klebt ihm eine Ohrfeig’ an,
In den Schneekopf, diesen weichen,
Der dann auch, ganz sonnenklar,
Von dem Rumpf gefallen war.
Nun erst merkte Onkel Schmer,
Und mit einem Fußestritte
Stößt er vor des Leibes Mitte
Hier sein eigen Konterfei,
Verliert jedoch den Halt dabei.
Strampelt in dem Schnee er wild,
Kommt dann schließlich auf die Bein’,
Läuft zu Blätterteig hinein
Und verlangt, daß diese Rangen
Blätterteig beruhigt Schmer,
Schenkt ihm einen Kuchen schwer,
Und der Geizhals, rasch versöhnt,
Jämmerlich dann weiter stöhnt:
Mir daheim im Wege steht.
Die Beamten von der Steuer
Scheinen mir nicht ganz geheuer.
Jedenfalls ist’s besser so,
Doch es winket Blätterteig
Sehr energisch ab sogleich.
Schmer schiebt das Banknotenpäckchen
Wieder in das Taschensäckchen,
Draußen er noch mehr erschrickt
Denn es nahet sich dort schon
Steueronkel Loewensohn.
Ignaz Schmer ist ausgerissen,
Loewensohn nimmt eine Prise,
Daß er erst mal tüchtig niese.
Dann schleicht dieser Steuerbote
Ignaz nach, dem Geizhalsschlote,
Nascht vom Kuchen sehr gefräßig
Und voll Freude glaubet schon,
Daß verschwunden Loewensohn.
Schmer biegt ein dann in den Wald,
Ein Versteck für sein Paket.
Deshalb er behutsam geht
Aufwärts einen Weg, der steil,
In nicht allzu großer Eil’.
Holten heimlich ohne Scheu
Sich den Schlüssel zum Gelaß,
Wo das „Roß“ gefangen saß
Und mit diesem Rodelding
Auf den Gockelberg, der nah.
Hier dann allerlei geschah.
Von dem Berge führt ein Weg
Wie ein Serpentinensteg
Gab ’ne Rodelbahn jetzt ab,
Wie sie konnt’ kaum besser sein,
Da man hier war meist allein.
Als das Kleeblatt oben war,
Dann bestiegen sie ihr Roß,
Das für drei genügend groß.
Vorne saß die Lotte, dann
Kam als zweiter Klöpschen-Mann.
Die nun mit gewandtem Satz,
Als dem Roß sie Schwung gegeben,
Läßt sich auf das Sitzbrett schweben.
Abwärts in sehr forschem Ritt
Lotte mit den langen Beinen
Steuert gut, weicht aus den Steinen.
Doch, als eine Kurve kam,
Wen’ger schlau sie sich benahm.
Rast das Rößlein in die Höh’,
Wirft die Reiter, jerum je,
In den tiefen, weichen Schnee.
Lachend steigen unsre drei
Wieder saust der Schlitten munter
Den gewundnen Weg hinunter. –
Frau Therese Honigstrauch
Geht denselben gerade auch.
Sieht man Hölzer, kleingespalten.
Grade diese Frau Therese
Stahl, wo’s ging, voll List sehr böse.
Hinter ihr das Rodelroß
„Platz da!“ warnt sie noch die Lene.
Doch Therese hört nur Töne,
Die man mit dem Nebelhorn
Zuschreit kräftig grad’ von vorn.
Rodelrößlein stößt gar sehr,
Stößt Therese vor die Schinken.
Und man sieht sie rückwärts sinken,
Auf dem Affen sitzt sie oben,
Und nun hocket mächtig stolz
Auf dem Bündel Knüppelholz.
Weiter jagt das Roß derweilen,
Tut ganz riesig sich beeilen,
Hält vor Angst sich fest den Bauch.
Klops auf ihrer Rückenlast,
Tanzte jetzt vor Freuden fast. –
Ei verflixt – es kommt daher
Warnend winkt von weitem schon
Der besorgte Affensohn.
Doch der Ignaz, der schlecht sieht
Leider nicht bei Zeiten flieht.
Boxt den armen Ignaz nieder,
Der nach hinten fliegt ein Stück
Und sodann – welch seltnes Glück,
Nach dem zweiten Rodelstoß
Dieser Schlitten, hochbepackt,
Jetzt schon recht bedenklich knackt,
Denn es war die große Last
Für ihn doch zu schwere fast.
Bis das Roß zum zweiten Mal
An ’ner Krümmung kurz und scharf
Alle Reiter runter warf. –
Wiedersehen gibt es oft
Hier sieht man zum Beispiel schon
Steueronkel Loewensohn.
Grade ihm fliegt vor die Füße
Onkels Ignaz’ Kuchen süße,
Reißt sich auf an einem Strauch
Seines Pelzes große Tasch’
Und das Päckchen kollert rasch
In den Schnee und öffnet sich,
Denn Papiergeld viel und bunt
Breitet aus sich in der Rund’.
Zwei Banknoten weiter flattern.
Diese kann noch grad’ ergattern
Streckt die Beine in die Höh’.
Eiligst jetzt mit diesem Raube
Macht das Weib sich aus dem Staube. –
Grinsend hebt der Steuerbote
Spricht dabei von ungefähr:
„Diesen Kindern dank ich sehr!
Denn daß Sie millionenschwer,
Weiß ich jetzt, mein lieber Schmer!“ –
Und entschwand in hastgem Lauf.
Weil dies Unheil ihn so kränkt,
Hat er sich zu Haus’ erhängt.
All sein Geld erbt’ Blätterteig,
Nur für ’s Kleeblatt einen Schlitten
Kauft er auf der Kinder Bitten,
Denn das erste Rodelroß
Wurde seine Beine los
An der Krümmung, die zu kurz. –
Weiter weiß ich jetzt nichts mehr
Von dem Roß und Ignaz Schmer.
Diese Ausgabe hat den Beifall weitester Kreise gefunden. Der zündende Humor der Dichtung und die goldige herzerfrischende Komik der Illustrationen kann nicht übertroffen werden. Die Heftchen haben ein dreifarbiges Titelbild und enthalten meist über 25 Textillustrationen.
Bisher sind die nachstehenden Heftchen erschienen:
1. Onkel Adolars Geburtstag – 2. Schornsteinfeger Krause. – 3. Das Gespenst. – 4. Der Gang zum Photographen. – 5. Der Schweinestall. – 6. Köchin Line. – 7. Räuber Trald. – 8. Die Kindtauffeier. – 9. Die Reise nach Berlin. – 10. Knödelmeyers neue Köchin. – 11. Eine Kremserfahrt. – 12. Der Ritt nach Afrika. – 13. Kohn, der Papagei. – 14. Der Flohzirkus. – 15. Daniel in der Löwengrube. – 16. Der tote Puterhahn. – 17. Die Kartoffeldiebe. – 18. Der strenge Kandidat. – 19. Bobbis Begräbnis. – 20. Das Motorrad. – 21. Sonntagsjäger Haberland. – 22. Die Moorbadkur. – 23. Äppelschnuts Lehrlinge. – 24. Die Gauner Klapp und Pelle. – 25. Der Boxkampf. – 26. Der Indianer Heitawai. – 27. Josua Grind, der Pirat. – 28. Die Fuchsjagd. – 29. Der Dreibund im Zoo. – 30. Der Meisterschuß. – 31. Die Walfischjagd. – 32. Die sechs Mohren.
Erschienen bis Band:
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Die Bilder von Reinhold Hansche (1867–1945) wurden entfernt, da sie in Deutschland noch nicht gemeinfrei sind.